Sturmforscher verteidigt flächendecke Warnung vor "Sabine" (Update)
Wegen des Sturmtiefs war der Betrieb von Bussen und Bahnen am Montag im ganzen Verkehrsgebiet eingestellt worden.

Rhein-Neckar. (dpa-lsw) Die flächendeckende Warnung vor dem Orkantief "Sabine" ist aus Sicht des Karlsruher Meteorologen Peter Knippertz richtig gewesen. "Nach meiner Einschätzung konnten dadurch Schäden und sogar Todesfälle verhindert werden", teilte der Professor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) am Freitag mit.
Dass in Teilen der Bevölkerung der Sturm als nicht so stark wahrgenommen worden sei, habe daran gelegen, dass die stärksten Böen im Zusammenhang mit Schauern und Gewittern aufgetreten seien. Eine präzise Vorhersage einzelner Böen sei nicht möglich. "Eine flächendeckende Warnung war der einzig vernünftige und sinnvolle Ansatz", betonte Knippertz.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte eine entsprechende Warnung ausgesprochen, etliche Schulen blieben geschlossen. Die Deutsche Bahn hatte ihren Verkehr vorübergehend unterbrochen. Daran hatte es Kritik gegeben. Im europäischen Ausland starben mehrere Menschen während des Sturms, in Deutschland gab es keinen Toten.
Die Böen während des Sturmtiefs "Sabine" waren nach Knippertz' Angaben zwar nicht so heftig wie bei den Stürmen "Lothar" (1999) und "Kyrill" (2007). Sie hätten aber auf Bergen mehr als 170 und im Flachland mehr als 130 Kilometer pro Stunde erreicht.
Update: Freitag, 14. Februar 2020, 12.46 Uhr
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Von Carsten Blaue
Rhein-Neckar. Die Nachricht der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) kam in der Nacht gegen 4 Uhr. Wegen "Sabine" werde der Betrieb von Bussen und Bahnen am Montag im ganzen Verkehrsgebiet eingestellt. Pendler mussten sehen, wie sie zur Arbeit kommen. Bus- und bahnfahrende Schüler mussten mit ihren Eltern Alternativen suchen. Oder sie blieben gleich ganz zu Hause. Viele Fahrgäste standen an Haltestellen wie bestellt und nicht abgeholt, weil sie vom kontrollierten Betriebskollaps nichts mitbekommen hatten oder sich über moderne Medien schlicht nicht informieren konnten, weil die Server überlastet waren. Als Busse und Bahnen langsam wieder auf die Strecken gingen, war die Stoßzeit des Montagmorgens längst vorbei, und nicht nur Kundin Ilse Bührer in Heidelberg sah gegenüber der RNZ "Verbesserungspotenzial" bei der RNV.
>>>So rege diskutieren die RNZ-Leser die Betriebseinstellung der RNV<<<
Bührer berichtete, dass sie am Montag um 11.42 Uhr mit der Linie 22 in die Heidelberger City fahren wollte. Mit ihr hätten viele Fahrgäste gewartet. Schließlich sei ein "Werkstattwagen" der RNV ausgerückt. Erklärt habe den Kunden niemand etwas. Also ging Bührer nach Hause und rief im Mannheimer Service-Zentrum an. Im ersten Versuch flog sie nach vier Minuten aus der Leitung. Im zweiten Versuch hatte sie zunächst mehr Glück. Sie erfuhr, dass die Bahnen nun wieder fahren. Ihre Beschwerde wegen der Werkstattwagen-Abfahrt kam aber nicht an: "Der Gesprächspartner legte einfach auf." Bührer sagte, sie habe ja Verständnis für die Anspannung: "Aber ich meine, dass auch ein gewisses Verständnis für die Fahrgäste, vor allem ein Recht auf Information, gegeben sein müsste."
Hier verwies die RNV auf Anfrage am Montag auch auf die digitalen Fahrgastinformationsanzeigen (DFI) an den Haltestellen, über die "weithin sichtbar" der Hinweis der Betriebseinstellung flimmerte. Dumm nur, wenn die DFI seit Monaten kaputt ist, wie am Halt in Lützelsachsen. Aufklärung gab es aber zu den "Werkstattfahrten". Ab 10 Uhr habe man Straßenbahnen für die Sicherheitsüberprüfung auf die Strecken geschickt. Diese seien (auch aus Sicherheitsgründen) ohne Fahrgäste erfolgt. Ab 12 Uhr seien die meisten Linien wieder bedient worden – nach einer "Neubewertung der Lage".
Warum die RNV zuvor wirklich alle Fahrzeuge auf allen Routen stehen gelassen hatte und nicht wenigstens die wichtigsten Pendlerlinien bediente, verstand nicht jeder. Auch nicht Jörn Fuchs, Geschäftsführer der Paritätischen Sozialdienste gGmbH in Heidelberg: "Es ist kaum zu glauben: In Heidelberg stehen alle Räder still, weil die RNV das will."
Das Unternehmen begründete seine "unternehmerische Entscheidung" mit dem "Schutz von Kunden und Kollegen". Die "größtmögliche Sicherheit der Menschen in unserem Verkehrsgebiet hatte für uns während des Orkans oberste Priorität", ließ sich Betriebsleiter Franz-Wilhelm Coppius zitieren. Fuchs hielt dagegen: "Vor lauter Panikmache werden Hunderte Menschen nicht oder verspätet versorgt, weil die RNV aus Angst vor einem Sturm, der woanders tobt, den Betrieb in Heidelberg erst gar nicht aufnimmt und Mitarbeiter von Gesundheitseinrichtungen nicht zum Arbeitsplatz kommen. Es ist 8.37 Uhr, die Sonne scheint, und Busse und Bahnen fahren in Heidelberg nicht! Das ist inakzeptabel und lächerlich! Wir sind eine hysterische Gesellschaft geworden."



