Neckar-Odenwald-Kreis

Kreistag segnet Paket gegen Kliniken-Defizit ab

Mammutsitzung des Kreistags in Mosbach endete mit deutlicher Mehrheit für Verwaltungsvorschlag zu Neckar-Odenwald-Kliniken

29.01.2020 UPDATE: 29.01.2020 21:15 Uhr 3 Minuten, 19 Sekunden
Der Tragweite des Themas entsprechend, war die Kreistagssitzung am Mittwoch in der Alten Mälzerei in Mosbach außergewöhnlich gut besucht: Rund 450 Zuhörer – darunter zahlreiche Mitarbeiter – folgten der mehr als viereinhalbstündigen Information und Diskussion zu den Neckar-Odenwald-Kliniken. Foto: Rüdiger Busch

Von Rüdiger Busch

Neckar-Odenwald-Kreis. Mit deutlicher Mehrheit hat sich der Kreistag am Mittwoch – nach mehr als viereinhalb Stunden Information und Diskussion – für die Umsetzung des Maßnahmenpakets zur Eindämmung der Millionenverluste der Neckar-Odenwald-Kliniken ausgesprochen. Damit folgten die Kreisräte mehrheitlich der Empfehlung von Verwaltung und Chefärzten, die sich unter anderem für die Konzentration einzelner Abteilungen an den beiden Klinikstandorte ausgesprochen hatten.

Die Zukunft der Kliniken bewegt die Menschen: Das zeigte die beeindruckende Zahl von rund 450 Zuhörern in der Alten Mälzerei Mosbach, darunter zahlreiche Beschäftigte aus Buchen und Mosbach. Ob die beiden Krankenhäuser dauerhaft in kommunaler Trägerschaft bleiben werden, bleibt offen: Steigen die Verluste bis Ende Juni über die vorgegebene Grenze von 4,5 Millionen Euro, beginnt die Suche nach einem privaten Investor.

Die Chefärzte und Klinikverantwortlichen (hier Dr. Bernd Gritzbach) stellten im Rahmen der Kreistagssitzung noch einmal Inhalte und Hintergründe des Struktur- und Maßnahmenpakets vor. Foto: Rüdiger Busch

Aufgeteilt in drei Themenblöcke wurden die desaströse Ergebnisentwicklung im Jahr 2019 mit einem Verlust von rund 12 Millionen Euro, der Maßnahmen- und Strukturplan und das weitere Vorgehen vorgestellt. Geschäftsführer Frank Hehn und Kaufmännischer Leiter Harald Löffler gaben zunächst Einblick in die Zahlen. Trotz eines gestiegenen Landesbasisfallwerts seien die Umsätze stagniert, weil gleichzeitig die Zahl der Fälle um rund 300 auf knapp 18.000 und der Fallschweregrad im Vergleich zu 2018 von 0,914 auf 0,886 sanken.

Bei gleichbleibenden Fallzahlen wären dagegen Mehreinnahmen von 2,7 Millionen Euro zu Buche gestanden. Steigende Ausgaben beim Personal (von 52,6 auf 55,1 Millionen Euro), bei der Instandhaltung (+ 0,7 Millionen) und für Honorarkräfte (+ 0,5 Millionen) hätten ihr Übriges getan.

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Mit den geplanten Sofortmaßnahmen wie bessere Dokumentation und effektivere Arbeitsabläufe, höhere Anwesenheitsquote oder Verweildauermanagement könnte eine Ergebnisverbesserung von 3,2 Millionen Euro erreicht werden, sagte Löffler, der als mittelfristiges Ziel einen Jahresverlust von "nachhaltig unter fünf Millionen Euro" nannte.

Hintergrund

So soll es künftig aussehen:

Klinik-Standort Mosbach

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Orthopädie

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So soll es künftig aussehen:

Klinik-Standort Mosbach

> Innere Medizin

> Unfall-/Wirbelsäulenchirurgie/

Orthopädie

> Intensivmedizin

> Akutgeriatrie

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Kurz ging auch Landrat Dr. Achim Brötel auf die "desaströsen" Zahlen ein und beleuchtete die Abteilung Innere Medizin, die trotz guter Auslastung in Buchen und Mosbach einen Verlust von drei Millionen Euro machte, weil der Fallschweregrad der behandelten Patienten gering sei. "Unser Pflegepersonal rennt sich zum Wohl unserer Patienten die Hacken ab, aber wir bekommen das nicht bezahlt", sagte er anklagend und verlangte unter lautem Applaus vom Gesetzgeber: "Da muss endlich was passieren!"

Welche einschneidenden Auswirkungen das Millionen-Defizit auf den Kreishaushalt, auf die Kreisumlage und damit auch auf die Städte und Gemeinden im Kreis hat, die teilweise bereits an der Belastungsgrenze angelangt seien, das veranschaulichte Kreiskämmerer Michael Schork mit deutlichen Worten. Eine Insolvenz der Klinken hätte verheerende Folgen für den Kreishaushalt; das finanzielle Risiko für den Kreis liege in diesem Fall bei rund 100 Millionen Euro. "Wir haben keine Zeit, sondern wir brauchen schnell bessere Ergebnisse", lautete deshalb seine eindringliche Botschaft, die von Landrat. Brötel noch einmal verstärkt wurde: "Es geht an die Existenz des Landkreises und seiner Kommunen!"

Moderiert vom Ärztlichen Direktor Dr. Harald Genzwürker, der nach einer Hüft-Op aus der Reha in die Sitzung kam, stellten die Chefärzte und Pflegedienstleiter Kurt Böhrer das von ihnen erarbeitete Standortkonzept vor und warben um Unterstützung für das Konzept, das neben Einsparungen auch erhebliche Einschnitte wie den Wegfall der Geburtshilfe in Mosbach vorsieht.

Angesichts der im Vorfeld teilweise emotional geführten Debatte zu diesem Thema sagte Brötel: "Ich bedaure, dass dies zumindest teilweise zu einer völlig überflüssigen Diskussion ,Mosbach gegen Buchen‘ oder umgekehrt geworden ist." Denn eines müsse klar sein: "Wenn es uns nicht gelingt, die Neckar-Odenwald-Kliniken als unsere Krankenhäuser zu betrachten, die wir für die Menschen unserer Heimat vorhalten und auch gemeinsam in Anspruch nehmen, werden wir diesen ganz elementaren Bestandteil der Daseinsvorsorge auf Dauer so nicht halten können." Deshalb gelte: "Wer den Erhalt unserer Krankenhäuser fordert, muss auch ihre Dienste in Anspruch nehmen." Egal, ob diese Angebote in Buchen oder in Mosbach vorgehalten werden.

Das nun verabschiedete Konzept gibt nur die Richtung vor: Über jeden einzelnen Punkt des Standortkonzepts wird der Kreistag noch entscheiden, wenn die jeweilige Kostenkalkulation vorliegt.


Landrat Brötel: "Es reicht!"

In persönlicher Erklärung gegen Unterstellungen gewehrt

Mosbach. (rüb/schat) "Haltlose Unterstellungen" gegen ihn und seine Familie, unter anderem in sozialen Medien geäußert, veranlassten Landrat Dr. Achim Brötel bei der Kreistagssitzung zu einer persönlichen Erklärung, "die erste meiner Amtszeit". Brötel stellte klar, dass die berufliche Tätigkeit seiner Frau als Krankenschwester in Buchen keinen Einfluss auf die Überlegungen zur Konzentration der Geburtshilfe in Buchen gehabt habe. Zum einen verrichte seine Frau ihren Dienst in der Inneren Medizin und nicht in der Geburtshilfe und dort fast ausschließlich im "besonders beliebten Nachtdienst". Zum anderen sei Brötel selbst bei der Ausarbeitung des Struktur- und Maßnahmenplans gar nicht dabei gewesen – "weder vor der Klausurtagung noch danach", so der Landrat. Auch inhaltliche Vorgaben habe es von seiner Seite "keinerlei" gegeben. Ein Sachverhalt, der dann später von Chefarzt Dr. Winfried Munz auch ungefragt so bestätigt wurde.

"Es trifft mich deshalb sehr, wenn offenbar nicht nur vereinzelt etwas anderes behauptet wird. Ich muss mir derartige Unterstellungen, die noch dazu völlig haltlos sind, in aller Form verbitten. Es reicht!", sagte der Landrat. Das gelte im Übrigen auch für das neueste "Latrinengerücht". Deshalb: "Nein, es stimmt definitiv nicht, dass ich mit Mosbach Oberbürgermeister kein Wort mehr reden würde. Im Gegenteil. Ich bin dem Kollegen Michael Jann seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden, zwischen uns passt kein Blatt Papier und selbstverständlich reden wir auch miteinander – und das hoffentlich noch lange." (rüb/schat)

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