Kurswechsel

Verwaltung will strategischen Partner für die Neckar-Odenwald-Kliniken suchen

Neue Entwicklung vor der Kreistagssitzung: Teilprivatisierung wird Thema - Standort-Konzentration soll vorerst nicht umgesetzt werden

20.01.2020 UPDATE: 21.01.2020 06:15 Uhr 3 Minuten
Da es Zweifel gibt, ob die Maßnahmen des Zukunftskonzepts ausreichen, um die Verluste der Neckar-Odenwald-Kliniken zu begrenzen, wird nun eine Teilprivatisierung zum Thema. Der Kreistag wird sich nächste Woche mit der Frage befassen, ob ein strategischer Partner gesucht werden soll. Foto: Rüdiger Busch

Neckar-Odenwald-Kreis. (rüb) Eigentlich sollte der Kreistag in seiner Sitzung am 29. Januar in Mosbach "nur" den Maßnahmen- und Strukturplan für die defizitären Neckar-Odenwald-Kliniken beschließen. Doch nun wurde das Zukunftskonzept um eine wichtige Passage ergänzt: Da es Zweifel gibt, ob die vorgesehenen Maßnahmen für die angestrebte nachhaltige Sicherung beider Krankenhausstandorte ausreichen werden, empfiehlt die Landkreisverwaltung, die Suche nach einem geeigneten strategischen Partner, der sich mehrheitlich an der Neckar-Odenwald-Kliniken gGmbH beteiligt, zu forcieren.

Zusammengerechnet ist allein von Januar bis Dezember 2019 ein Defizit von 11,9 Millionen Euro aufgelaufen. Da das vorläufige Jahresergebnis aber noch aussteht, sei es derzeit nicht sicher, ob selbst die von der Geschäftsführung zuletzt genannten 12 Millionen Euro Jahresverlust ausreichen werden. Für den Kreishaushalt 2019, in dem mit einem Verlust von 4,5 Millionen gerechnet worden ist, bedeutet dies einen Nachfinanzierungsbedarf in Höhe von mindestens 7,5 Millionen Euro. Der Verlustausgleich, den der Kreis seit 2009 stemmt, wird sich dadurch auf knapp 75 Millionen Euro erhöhen. Für das laufende Jahr 2020 gestalte sich die Situation noch schwieriger, da der Kreis wegen des extrem hohen zusätzlichen Verlustausgleichs für 2019 voraussichtlich auf keinerlei Rücklagen mehr zurückgreifen kann. In der Vorlage heißt es: "Die Situation lässt sich in einem einzigen Satz so zusammenfassen: Die Neckar-Odenwald-Kliniken haben den Landkreis finanziell komplett ausgezehrt."

Während sich 2020 eine überraschenderweise nochmals gestiegenen Steuerkraftsumme und die deutliche Erhöhung der Kreisumlage positiv bemerkbar machen, fällt der Blick in die Zukunft düster aus: Wenn die fiktive Steuerkraftsumme 2021 nur um 1,5 Prozent sinkt, müsste allein für einen gleichbleibend hohen Verlustausgleich (7,7 Millionen Euro) der Hebesatz der Kreisumlage schon auf 32,1 Prozent angehoben werden. Im schlimmsten Fall würden sogar Kreisumlagehebesätze von bis zu 40 Prozent drohen.

"Ein solches Szenario ist aus Sicht der Verwaltung allerdings definitiv nicht verantwortbar", heißt es in der Vorlage, und weiter: "Es geht also nicht mehr darum, was wir wollen, sondern schlicht und ergreifend darum, was wir überhaupt noch können." Daraus folge für die Neckar-Odenwald-Kliniken ein erheblicher Handlungs- und vor allem auch Erfolgsdruck, der noch dazu unter sehr engen zeitlichen Vorgaben greifen müsse.

Hintergrund

Aus Sicht der Verwaltung sollen für die Zusammenarbeit mit einem strategischen Partner folgende Ziele formuliert werden:

> Dauerhafte Sicherstellung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung des Neckar-Odenwald-Kreises

> Erhalt beider Krankenhausstandorte

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Aus Sicht der Verwaltung sollen für die Zusammenarbeit mit einem strategischen Partner folgende Ziele formuliert werden:

> Dauerhafte Sicherstellung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung des Neckar-Odenwald-Kreises

> Erhalt beider Krankenhausstandorte in Mosbach und Buchen

> Umsetzung eines wettbewerbsfähigen Zukunftskonzepts

> Erhalt des kommunalen Einflusses bei wesentlichen Maßnahmen und Strukturentscheidungen

> Wahrung der Arbeitnehmerinteressen

> Ausschluss bzw. Begrenzung finanzieller Belastungen und Risiken für den Neckar-Odenwald-Kreis.

Wie der Vorlage der Kreistagssitzung zu entnehmen ist, hat sich die Situation der Neckar-Odenwald-Kliniken weiter verschärft. So sei auch der November in wirtschaftlicher Hinsicht "extrem schlecht gelaufen".

Das Ergebnis: ein Verlust in Höhe von 1.159.855 Euro. Dies sei besonders besorgniserregend, da der November von der Belegung und damit auch vom Ergebnis her traditionell eigentlich eher ein "guter" Krankenhaus-Monat sei.

Doch damit nicht genug: Der Dezember sei "in wirtschaftlicher Hinsicht ebenfalls völlig aus dem Ruder gelaufen" – mit einem weiteren Verlust in Höhe von 1.163.736 Euro.

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Dazu soll der Maßnahmen- und Strukturplan beitragen, der bereits im Dezember vom Aufsichtsrat abgesegnet worden war. In der anschließenden öffentlichen Diskussion seien zahlreiche neue Fragen aufgeworfen worden. Die Geschäftsführung habe bisher jedoch nur einen Teil dieser Fragen beantwortet, was die Bewertung der Vorschläge umso schwerer mache. Falls diese Fragen umfassend geklärt werden können, stelle der Maßnahmen- und Strukturplan aus Sicht der Verwaltung jedoch eine gute Grundlage für ein tragfähiges Zukunftskonzept der Kliniken dar. Dies gelte ausdrücklich auch für die Vorschläge zur Konzentration bestimmter Leistungen nur noch an einem der beiden Standorte. Da jedoch keinerlei Tendenz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation zu erkennen sei, wäre es aus Sicht der Verwaltung grob fahrlässig, nicht über weiterführende Veränderungen nachzudenken.

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Nach einer Reihe weiterführender Gespräche mit den Verantwortlichen um Ärztlichen Leiter Harald Genzwürker, Pflegedienstleiter Kurt Böhrer sowie Harald Löffler hat Geschäftsführer Frank Hehn dem Aufsichtsratsvorsitzenden, Landrat Achim Brötel, am 14. Januar per E-Mail mitgeteilt, dass die Kliniken zwar nach wie vor von ihrem Konzept überzeugt seien. Gleichwohl könnten sie aber auch nachvollziehen, dass es im Interesse des Landkreises liege, nicht alles "auf eine Karte" zu setzen. Die Hereinnahme eines strategischen Partners sei ihrer Meinung nach zwar "nicht der optimale, in der Situation des Landkreises aber möglicherweise der derzeitig erforderliche Weg".

Diese veränderte Sachlage hat Landrat Brötel den Mitgliedern des Aufsichtsrats sowie den Fraktionsvorsitzenden im Kreistag am 15. Januar übermittelt und dabei auch einen Vorschlag für das weitere Vorgehen unterbreitet.

Dieser Vorschlag beinhaltet als zentrale Elemente ein klares Bekenntnis zu beiden Krankenhaus-Standorten in Mosbach und Buchen, hebt andererseits aber genauso auch auf die besondere Verantwortung des Kreistags für die Haushaltsstabilität des Kreises sowie seiner Städte und Gemeinden ab. Für die Suche nach einem geeigneten strategischen Partner solle umgehend ein transparentes Interessenbekundungsverfahren mit freihändigem Bieterverfahren gestartet werden. Extrem wichtig dabei, dass der Kreis seine Ziele klar formuliert (siehe Kasten).

Nach den Erfahrungswerten anderer Kreise dauere ein solches Verfahren etwa sechs bis neun Monate. So lange hätten die Neckar-Odenwald-Kliniken also Zeit, um durch nachhaltige Ergebnisverbesserungen den Nachweis zu erbringen, dass sie es auch ohne einen privaten Partner hinbekommen. Der Kreistag werde am Ende dann zu entscheiden haben, welcher Weg ihm mehr Gewähr für eine nachhaltige und dauerhafte Sicherung beider Krankenhausstandorte in Mosbach und Buchen bietet.

Außerdem sollen schon jetzt intern alle weiteren Schritte zur Umsetzung des Maßnahmen- und Strukturplans angegangen werden. Vor der tatsächlichen Umsetzung von Standortkonzentrationen seien jedoch alle offenen Fragen insbesondere zum konkreten Umsetzungskonzept, zum Zeitplan und zu den Kosten zu klären. Die eigentliche Umsetzungsentscheidung treffe dann erneut der Kreistag. Das würde konkret bedeuten, dass die jeweiligen Abteilungen zunächst einmal, dort blieben, wo sie derzeit sind.

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