Bauarbeiter rammen Stahlträger durch Abwasserkanal
Bei Starkregen austretendes Wasser unterspülte Gehweg - B37 muss erneut halbseitig gesperrt werden

Von Christoph Moll
Neckargemünd. Blaulicht erhellt am Dienstagabend die Neckarsteinacher Straße. An der Baugrube beim ehemaligen Mercedes-Autohaus Treibel in der Kleingemünder Ortsdurchfahrt, auf dessen Areal derzeit die Vorbereitungen für den Bau von vier Mehrfamilienhäusern laufen, herrscht Betriebsamkeit. Das Technische Hilfswerk (THW) ist angerückt.
Über Kleingemünd scheint ein Fluch zu liegen: Zum dritten Mal innerhalb von fünf Monaten (siehe auch Hintergrund-Kasten unten) sorgt nun ein kaputter Kanal für eine Straßensperrung.
Dieses Mal trifft es – wie schon im vergangenen August – die von 20.000 Autos täglich befahrene Bundesstraße B37. Diese musste am Dienstagabend für mehrere Stunden in Fahrtrichtung Neckarsteinach gesperrt werden. Zwar konnte sie wieder freigegeben werden, doch bald wird sie wieder halbseitig dicht sein. Denn der Kanal muss repariert werden. Die RNZ beantwortet die wichtigsten Fragen:
Was ist genau passiert? Am Dienstagnachmittag stellte die Baufirma fest, dass Risse im Gehweg immer größer wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Erde für den Bau einer Tiefgarage abgegraben. Der Gehweg wurde mit einer Spundwand gesichert. Aus dieser strömte Wasser und flutete die Baugrube. Fachleute der Stadt wurden hinzugerufen. Da alles auf eine Unterspülung hindeutete und nicht klar war, ob die Spundwand einstürzen könnte, wurde das THW alarmiert.
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Wie lief der Einsatz ab? Das THW leuchtete die Baugrube aus und pumpte sie leer, wie dessen Sprecher Michael Willenbacher berichtet. Hierzu wurde mit Schutzanzügen und Mundschutz gearbeitet, da es sich um Abwasser mit Fäkalien handelte. Schnell war klar, dass ein sogenannter Baufachberater und ein Einsatzsicherungssystem vom Ladenburger THW gebraucht werden. Mit diesem können selbst kleinste Bewegungen festgestellt werden. An der Spundwand wurden mehrere Messpunkte angebracht, die per Laser überwacht wurden. "Wir sind nicht von einer akuten Gefahr ausgegangen", betont Willenbacher. Trotzdem wurde die B 37 sicherheitshalber halbseitig gesperrt. Um festzustellen, ob die Spundwand auch unter Belastung stabil ist, wurde die Straße gegen 19.30 Uhr probeweise wieder freigegeben. Da es um diese Uhrzeit aber an Schwerlastverkehr mangelt, wurden Einsatzfahrzeuge von THW und Feuerwehr angefordert, die mehrmals an der Einsatzstelle vorbeifuhren. "Die Fahrzeuge haben Vibrationen ausgelöst, aber die Spundwand hat sich nicht bewegt", erklärt Willenbacher. Auch die Risse im Gehweg wurden nicht größer. "Da auch kein weiterer Regen vorhergesagt war, konnte die Straße offen bleiben", so der THW-Sprecher. Um Mitternacht war der Einsatz für die insgesamt knapp 20 THW-Einsatzkräfte beendet.
Was führte zu dem defekten Kanal? THW-Baufachberater Andreas Grauli aus Heilbronn berichtete, dass das Befahren des Kanals mit einer Kamera die Ursache zeigte: Das Rohr in einer Tiefe von etwa drei Metern sei beim Einrammen der Stahlträger für die Spundwand in den Boden an mehreren Stellen "durchstochen" und beschädigt worden. Dies geschah bereits vor Weihnachten, fiel aber erst jetzt bei den starken Regenfällen am Dienstag auf. Das austretende Wasser unterspülte dann wohl den Gehweg.
Wie konnte es zu der Beschädigung kommen? Nach RNZ-Informationen soll der Abwasserkanal nicht unter dem Gehweg verlaufen, wo er auf den Plänen eingezeichnet ist, sondern näher am Grundstück. Dietmar Hofmann vom schwäbischen Bauträger "Hofmann Haus", der die vier Mehrfamilienhäuser mit 31 Wohneinheiten unter dem Titel "Kieselsteine am Neckar" baut, bestätigte auf RNZ-Anfrage, dass der Kanal bei den Bauarbeiten getroffen wurde. "Eigentlich ist aber nichts passiert", meint er. "Alles ist stabil, aber die Stadt ist nach den jüngsten Vorfällen in Kleingemünd sensibilisiert." In Zusammenarbeit mit der Stadt werde der Kanal nun repariert. Dieser verlaufe, wie man jetzt wisse, zum Teil durch das Grundstück und nicht mehr im öffentlichen Raum. Mit größeren Auswirkungen auf das Bauprojekt – dieses soll bis Ende 2021 angeschlossen sein – rechnet Hofmann nicht.
Wie geht es nun weiter? Laut Stadtsprecherin Petra Polte wird der Gehweg seit gestern Nachmittag mit einem Bagger geöffnet, um an den defekten Kanal zu gelangen und das Ausmaß der Unterspülung festzustellen. Zunächst kann der Verkehr auf der B 37 in beide Fahrtrichtungen weiter fließen. Beide Fahrspuren werden aber "verschwenkt" und dadurch schmaler. Vorerst wird der Kanal an der defekten Stelle mit einer Blase verschlossen und das Abwasser durch einen Schlauch in den nächsten Kanalschacht gepumpt. Wenn die Reparatur des Kanals zügig möglich ist, wird diese gleich erledigt und die B 37 halbseitig gesperrt. Sollte diese zu aufwendig sein, wird der defekte Abschnitt des Kanals mit einem Provisorium durch die Baugrube "überbrückt". Die eigentliche Reparatur würde dann nach dem Bau der Tiefgarage im Sommer erfolgen. Auch dann müsste die B 37 halbseitig gesperrt werden.


Hintergrund
> In Kleingemünd ist es zuletzt bereits zu zwei beschädigten Kanälen und anschließenden Straßensperrungen gekommen. Im vergangenen August musste die Bundesstraße B37 an der Einmündung der Uferstraße nur unweit des nun beschädigten Kanals in Fahrtrichtung Neckarsteinach
> In Kleingemünd ist es zuletzt bereits zu zwei beschädigten Kanälen und anschließenden Straßensperrungen gekommen. Im vergangenen August musste die Bundesstraße B37 an der Einmündung der Uferstraße nur unweit des nun beschädigten Kanals in Fahrtrichtung Neckarsteinach gesperrt werden. In der Uferstraße hatte sich nämlich das Pflaster um einige Zentimeter gesenkt. Die Ursache: An einem defekten Kanalschacht kam es nach starken Regenfällen zu einer Unterspülung – so wie jetzt beim aktuellen Fall.
Erst in der vergangenen Woche musste die Peter-Schnellbach-Straße in Kleingemünd voll gesperrt werden – sogar auch für Fußgänger und Radfahrer. Ein Anwohner hatte auf seinem Grundstück auf eigene Faust mit einem Bagger nach einem defekten Abwasserrohr gegraben – und dabei den städtischen Gehweg zum Einsturz gebracht. Ein Gutachter schloss daraufhin nicht aus, dass die Straße "nachrutschen" könnte. cm