Heidelberg

Wie wird die PHV-Straßenbahn schnell, voll und günstig?

Die Frage der Route der Bahn ins Patrick Henry Village ist weiter offen - Mit den Fördergeldern wird es schwierig und die angenommenen Zahlen stimmen auch nicht

23.01.2020 UPDATE: 24.01.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 37 Sekunden
An Vorschlägen für die Trassenführungen von der Innenstadt ins Patrick Henry Village mangelt es nicht: Die Varianten führen entweder an den Wild-Werken vorbei (1 und 2), über die Speyerer Straße (3) oder sind Verlängerungen der Linie 26 (4 und 5). Grafik: RNZ-Repro

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Hohe Kosten, wenig Nutzen, falsche Zahlen: Was den Neubau einer Straßenbahn ins Patrick Henry Village angeht, gibt es noch viele Hürden zu überwinden. In der kommunalpolitischen Diskussion geht es derzeit darum, für welche Varianten die Planungen vertieft werden sollen.

"Bisher haben wir nur bunte Striche auf der Landkarte", betonte Gunnar Straßburger von der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV), nachdem Steven Pfisterer vom Unternehmen Planung, Transport und Verkehr (PTV) am Mittwoch die vorläufige Nutzen-Kosten-Analyse für fünf mögliche Linienführungen im Stadtentwicklung- und Verkehrsausschuss vorgestellt hatte.

Derzeit ist noch völlig unklar, ob eine dieser Varianten über den Nutzen-Kosten-Faktor von eins kommt und damit nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz zu 85 Prozent oder mehr von Bund und Land gefördert werden könnte. Aufgrund der noch dünnen Faktenlage endete die intensive, fast zweistündige Diskussion dann auch ohne Beschlussempfehlung für den Haupt- und Finanzausschuss in zwei Wochen.

Welche Varianten sind denkbar? Zwei von ihnen, die Varianten 4 und 5, sind eine Verlängerung der Linie 26, also der Straßenbahn nach Kirchheim bis PHV. Die anderen drei führen von der ehemaligen US-Siedlung auf direkterem Weg zum Hauptbahnhof, wobei die Variante 1 an die Schienen der Linie 22 nach Eppelheim anknüpft und durch die Bahnstadt in die Innenstadt fährt. Die Varianten 2 und 3 fahren über die Montpellierbrücke, halten nördlich des Hauptbahnhofes und binden über die Berliner Straße auch das Neuenheimer Feld an. Alle Varianten haben eines gemeinsam: Sie sollen im Zehn-Minuten-Takt geplant werden.

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Wie teuer wird das Ganze? Bisher gibt es laut Straßburger nur grobe Kostenschätzungen. Müssen viele Schienen verlegt werden, wie bei Variante 2 und 3, rechnet die RNV mit 91 Millionen Euro, in der Variante 1 mit 70 Millionen und bei den Kirchheimer Linien mit 48 und 41 Millionen Euro.

Wie viele neue Fahrgäste werden erreicht? Die Frage, wie viele Autofahrer durch das verbesserte Angebot umsteigen könnten, ist eine zentrale, wenn es um den Nutzen-Kosten-Faktor geht. Laut den Berechnungen von Pfisterer schneidet hier die Pfaffengrund-Variante 1 mit 4500 zusätzlichen Passagieren am Tag für den Nahverkehr am besten ab, gefolgt von Variante 3 mit einem Potenzial von 3800 Passagieren. Und deshalb ist die Variante 2 über die Speyerer Straße wahrscheinlich schon jetzt aus dem Rennen. Sie schließt weder die Wohnbebauung im Pfaffengrund noch die Wild-Werke in Eppelheim an. Macht am Ende laut PTV nur 1650 zusätzliche Fahrgäste am Tag. Bei den Kirchheimer Linien rechnet Pfisterer, dass kaum neue Passagiere hinzugewinnen können. Im Gegenteil: Bei der Variante 5 rechnet er, dass der Nahverkehr sogar 150 Kunden am Tag verliert.

Wie verlässlich sind die Zahlen? Diese Frage sorgte im Ausschuss für jede Menge Streit. Dass nach dem bisherigen Kenntnisstand noch keine der genannten Varianten förderfähig wäre, hat nämlich auch etwas damit zu tun, dass PTV mit einer falschen Datengrundlage gerechnet hat. Pfisterer ist von 7000 Einwohnern in PHV und 3500 Arbeitsplätzen ausgegangen. Tatsächlich sollen es aber 10.000 und 5000 sein. "Ich bin stinksauer, wie das abgelaufen ist", polterte Baubürgermeister Jürgen Odszuck. Er hatte die falschen Zahlen bereits im vergangenen September moniert.

Welche Variante ist die wahrscheinlichste? RNV und PTV schlagen vor, die Varianten 1 und 3 genauer zu untersuchen. Hier gab es im Ausschuss keine einheitliche Meinung. "Es ist Ernüchterung eingekehrt, was die Förderfähigkeit der Straßenbahnlinien angeht", betonte Oberbürgermeister Eckart Würzner. "Die Variante, die am Pfaffengrund entlangfährt, ist die Wahrscheinlichste. Wir brauchen aber noch eine detaillierte Diskussion." Auch Arnulf Weiler-Lorentz (Bunte Linke) sagte: "Bevor die offenen Fragen nicht abgearbeitet wurden, können wir keine Entscheidung treffen." Während Michael Pfeiffer (GAL) einen Straßenbahn-Ringverkehr und eine Kombination der Varianten 1 und 5 vorschlug, setzt auch Marliese Heldner (Heidelberger) auf eine Verbindung zwischen Kirchheim und PHV. Solche Äußerungen brachten CDU-Stadtrat Alexander Föhr auf die Palme: "Jetzt kämpfen wieder die Pfaffengrunder und Kirchheimer nur für ihre Interessen. Dabei wollen wir doch die Verkehrswende." Es gehe darum, möglichst viele Autofahrer zum Umsteigen zu bewegen. "Uns als CDU ist egal, wo die Straßenbahn fährt. Wir wollen den höchsten Nutzen für Heidelberg."

Würzner kann sich zudem den Ausbau des Baumschulenwegs und dann geradeaus weiter nach Schwetzingen mit einer Stichverbindung zum Patrick Henry Village als Abänderung der Variante 3 vorstellen. "Das bringt mehr Potenzial fürs Umland. Wir haben täglich 60.000 Einpendler vom Süden."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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