So könnten die Preise im öffentlichen Nahverkehr aussehen
RNZ erklärt, wie die Stadt das Klima retten will - Punkte werden einzeln vorgestellt

Von Denis Schnur
Heidelberg. Der Klimaschutz-Aktionsplan der Stadt wird – wenn er konsequent umgesetzt wird – weitreichende Konsequenzen für alle Heidelbergerinnen und Heidelberger sowie alle Gäste haben. Die 30 Punkte, die der Gemeinderat im November beschlossen hat, haben es zum Teil ganz schön in sich: Verkehr, Wohnen, Wärme- und Stromversorgung, Ernährung, ja sogar die Feste in der Stadt – das alles soll in den nächsten Jahren zum Teil umgekrempelt werden, damit Heidelberg seine Klimaziele erreicht.
Wie sich die Stadt dadurch verändern wird, will die RNZ nun in einer neuen Serie erklären– auch wenn vieles noch unklar ist. Denn einige der 30 Punkte sind eher vage Zielsetzungen als tatsächliche Maßnahmen, etwa der Wunsch, die Fahrgastzahlen in Bussen und Bahnen bis 2025 um 20 Prozent zu steigern. Von anderen werden die Heidelberger direkt nicht viel merken – zum Beispiel von der Einführung eines Umweltfachausschusses.
Und wiederum andere Punkte aus dem Katalog wirken, als wollten die Gemeinderäte einfach nur eine runde Zahl hinbekommen. So heißt es bei Punkt 30: "Die Verwaltung wird beauftragt, die verschiedenen Maßnahmen den einzelnen Sektoren zuzuteilen." Dennoch finden sich auch Vorhaben in dem Plan, die ziemlich konkret sind oder relativ bald konkret werden. Größtenteils werden sie in den nächsten Monaten durch neue Beschlüsse des Gemeinderates umgesetzt. Bei den meisten davon arbeitet die Verwaltung bereits an Vorlagen.
Und – da sind sich Kommunalpolitik und Wissenschaft einig – will Heidelberg seine Klimaziele erreichen, wird es tief greifende Veränderungen geben müssen. "Das Thema Klima wird so oder so jemandem wehtun. Wenn es uns heute nicht weh tut, dann wird es unseren Kindern und Enkelkindern wehtun", sagte etwa der Wissenschaftler Mario Schmidt der RNZ.
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Einige Maßnahmen werden tatsächlich schmerzhaft, etwa für Autobesitzer, andere werden hohe Kosten für Stadt und Bürger mit sich bringen. Aber viele Punkte werden für Heidelberger, Pendler und Gäste auch eine höhere Lebensqualität bedeuten, etwa wenn der Nahverkehr besser wird, wenn man mit dem Fahrrad schneller in die Stadt kommt, Häuser besser gedämmt sind und große Bäume jeden Stadtteil aufwerten.
ÖFFENTLICHER NAHVERKEHR
Was den CO2-Ausstoß angeht, ist der Verkehr eines der größten Probleme Heidelbergs. Der Sektor ist für etwa ein Drittel der Emissionen verantwortlich. Dabei wird der größte Teil nicht von Heidelbergerinnen und Heidelbergern erzeugt, sondern von Einpendlern.
Kein Wunder, dass der Klimaschutz-Aktionsplan der Stadt vor allem beim öffentlichen Nahverkehr ansetzt – nur durch ihn sieht man eine Möglichkeit, die Zahl der Autos, die sich täglich durch Heidelberg quetschen zu reduzieren. Fünf der 30 Punkte zielen deshalb auf Busse und Bahnen und auch darüber hinaus gibt es in der Verwaltung Pläne für den ÖPNV.
Allen ist gemein, dass sie die Fahrgastzahlen steigern sollen. Und dazu gibt es eigentlich nur zwei Hebel: Attraktivität und Preis. Im ersten Teil zum Klimaschutz-Aktionsplan schauen wir uns an, wie dieser die Preise und die Ticketstruktur im ÖPNV verändern könnte. Dazu werden derzeit fünf Ansätze geprüft:
> Nahverkehr ohne Ticket: Der wohl radikalste Ansatz bei den Preisen wäre der Verzicht auf Fahrscheine. Statt über Tickets würde der Nahverkehr über eine Abgabe aller Bürger finanziert, weshalb Alexander Thewalt, Leiter des Amtes für Verkehrsmanagement, nicht von "kostenlosem Nahverkehr" spricht. Für diese Option habe sich Heidelberg als Modellstadt beim Land beworben, auch der Aktionsplan fordert sie ein. "Da werden gerade im Auftrag des Landes Modelle gerechnet", so der Amtsleiter.
Möglich wäre etwa, dass jeder Einwohner künftig einen Euro pro Tag für den Nahverkehr zahlen muss – ganz unabhängig davon, ob er ihn nutzt. "Damit könnten wir Menschen dazu bringen umzusteigen", ist Thewalt überzeugt. Jedoch sei noch vieles unklar – erst im Frühling liegen Ergebnisse vor, die dann dem Gemeinderat vorgelegt werden sollen.
> ÖPNV für einen Euro am Tag: Wien hat es vorgemacht: Dort kostet die Jahreskarte für Busse und Bahnen einen Euro pro Tag. Das ist günstig und übersichtlich und soll Menschen zum Umstieg bewegen. Offenbar arbeitet die Bundesregierung an einem Modellprogramm, durch das zehn Kommunen in Deutschland bei der Einführung dieses Tickets unterstützt werden. Dafür soll sich auch Heidelberg bewerben, fordern die Gemeinderäte. Doch: "Uns sind noch keine Aufrufe bekannt", so Thewalt.
Dennoch prüfe sein Amt diese Ticketvariante derzeit und wolle das Ergebnis im Frühling vorstellen. Oberbürgermeister Eckart Würzner ließ jedoch im Interview mit der RNZ bereits durchblicken, was er von den Plänen hält: "Das 365-Euro-Ticket hat nirgendwo zu einem großen Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn geführt. Da nehme ich lieber das Geld für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs." Und auch der Heidelberger Klimaforscher Prof. Mario Schmidt sieht in günstigeren Tickets nicht den wichtigsten Ansatzpunkt: "Der ÖPNV hat hier kein finanzielles Problem."
> Am Wochenende gratis: Diese Änderung soll definitiv kommen. Sobald die Planungen abgeschlossen sind und der Gemeinderat die erforderliche Kostenübernahme bestätigt, soll man an Samstagen und Sonntag ohne Fahrschein fahren dürfen – also kostenlos. Die Verwaltung hatte das für Samstage ohnehin vorgesehen, die Gemeinderäte haben auch den Sonntag zum Aktionsplan hinzugefügt. "Damit können wir Leute animieren, den Nahverkehr am Wochenende zu testen", so Thewalt. Zudem könne man so den Verkehr an Samstagen entzerren, wenn viele Menschen mit dem Auto in die Innenstadt kommen.
Gleichzeitig bliebe der Einfluss auf die Finanzen gering, da niemand deshalb auf seine Monats- oder Jahreskarte verzichten werde. Städte wie Tübingen haben bereits vorgemacht, dass das funktionieren kann, andere – wie Karlsruhe – haben die Idee lediglich für das Weihnachtsgeschäft umgesetzt. "Das haben wir nicht geschafft", gibt Thewalt im Nachhinein zu. Denn es gebe bei dem Thema noch viele Unwägbarkeiten: "Gilt das nur in Heidelberg selbst? Oder auch im Umland? Nur für RNV-Fahrzeuge oder auch für die S-Bahn?" Das müsse man noch klären, denn: "Wir wollen hier keinen Schnellschuss."
> Jobticket für alle: Viele Heidelberger Unternehmen bieten es bereits an: Ihre Mitarbeiter können für 43,90 Euro pro Monat mit Bussen und Bahnen fahren. Die Firma zahlt dafür einen Grundbeitrag für alle Mitarbeiter. Dadurch wird der ÖPNV für Arbeitnehmer deutlich attraktiver. Deshalb soll der Anteil der Firmen, die dieses Ticket anbieten, bis 2025 auf 50 Prozent steigen – so sieht es der 30-Punkte-Plan vor. Das Problem: In Heidelberg sind viele Forschungsinstitutionen angesiedelt, die der Bund finanziert – diese dürfen ihren Mitarbeiter das Jobticket derzeit nicht in der beschriebenen Form anbieten.
"Wir hoffen natürlich, dass sich das ändert", so Thewalt. Zudem soll eine Arbeitsgruppe aus IHK, Gewerkschaften, Stadt und Verkehrsverbund Firmen direkt ansprechen und dazu bewegen, das Ticket im Rahmen des betrieblichen Mobilitätsmanagements anzubieten. "So können wir etwas erreichen", ist Thewalt sicher.
> ÖPNV-Abgabe für Touristen: In anderen Teilen Baden-Württembergs gibt es das schon: Wer als Tourist etwa in Konstanz übernachtet, zahlt 2,50 Euro Kurtaxe pro Nacht – und darf dafür kostenlos mit Bussen und Bahnen fahren.
Dieses Vorhaben steht zwar nicht im Aktionsplan, dafür jedoch im Maßnahmenteil des "Masterplans 100 % Klimaschutz" – und laut Amtsleiter Thewalt arbeite die Stadtverwaltung auch schon an seiner Umsetzung: "Das wollen wir auch." Denn die Maßnahme sorge nicht nur dafür, dass sich mehr Menschen an der Finanzierung des Nahverkehrs beteiligen, sondern bringe sicher auch Touristen dazu, das Auto öfter stehen zu lassen.