Heidelberg

Würzner will bis 2030 die klimaneutrale Stadt

Experten halten das für Heidelberg für unrealistisch - OB Würzner im Interview: "Mein politisches Ziel, das zu schaffen"

21.10.2019 UPDATE: 22.10.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 11 Sekunden

Sie wollen Heidelbergs CO2-Ausstoß auf fast Null senken - und das schon deutlich schneller als ursprünglich geplant (v.l.): Umweltamtsleiterin Sabine Lachenicht, Oberbürgermeister Eckart Würzner und Ernst Baader, der Leiter des Landschafts- und Forstamtes. Fotos: Rothe

Von Denis Schnur

Heidelberg. Es passiert nicht oft, dass ein Politiker Pläne präsentiert und gleich dazu sagt, dass Experten sie eigentlich nicht für umsetzbar halten. Oberbürgermeister Eckart Würzner tat am Montag genau das: "Wir müssen alles dafür tun, dass Heidelberg bis 2030 klimaneutral ist", erklärte das Stadtoberhaupt beim Pressetermin - und schob hinterher: "Unsere Gutachter sagen, dass das mit den bisherigen Maßnahmen nicht möglich ist."

Damit meinte Würzner die Experten vom Institut für Umwelt- und Energieforschung, die der Stadt attestieren: "Angesicht der Erfahrungen aus den vergangenen drei Jahrzehnten, in denen zahlreiche Klimaschutzmaßnahmen durchgeführt wurden, ist bereits eine Klimaneutralität im Jahr 2050 als ambitioniert zu bezeichnen." Doch der OB beharrt darauf: "Es ist mein politisches Ziel, das bis 2030 zu schaffen."

Angesichts des Klimawandels und des Protestes der Jugend müsse die Stadt sich dieses hohe Ziel stecken. "Mit Urban Gardening und weniger Fleisch in der Kantine ist das nicht getan", so der OB. "Wir brauchen ein Maßnahmenpaket in allen Sektoren", bestätigte auch Sabine Lachenicht, Leiterin des Umweltamtes. Deshalb hat der OB seinen Klimaschutzaktionsplan - jene 18 Punkte, die die RNZ in der vergangenen Woche vorstellte - auf den Weg gebracht. Diese seien aber "nur ein erster Schritt", so Würzner. Zu diesen Zielsetzungen kämen weitere Maßnahmenpakete, die im Gemeinderat abgestimmt würden. Außerdem arbeiteten derzeit auch Uni und Industrie- und Handelskammer an Vorschlägen.

Hintergrund

Kritik der Bewegung "Fridays for Future"

Es ist auch ihr Verdienst, dass die Stadtverwaltung jetzt den Klimaschutzaktionsplan vorlegt. Das wissen die Aktivisten von "Fridays for Future": "Die Stadtverwaltung reagiert auf unseren Druck von der Straße."

[+] Lesen Sie mehr

Kritik der Bewegung "Fridays for Future"

Es ist auch ihr Verdienst, dass die Stadtverwaltung jetzt den Klimaschutzaktionsplan vorlegt. Das wissen die Aktivisten von "Fridays for Future": "Die Stadtverwaltung reagiert auf unseren Druck von der Straße." Doch mit dem Ergebnis sind sie nicht zufrieden: Der Plan sei "noch kein Meilenstein auf dem Weg zur sicheren Zukunft", schreiben sie in einer Stellungnahme. "Wir sehen viele kleine Ziele, die weder an konkrete Maßnahmen gekoppelt sind, noch genau klar ist, wie viel sie tatsächlich bringen." Sie gehen sogar noch weiter: "Die 18 Punkte des Aktionsplans ignorieren unsere Forderungen völlig, obwohl angeblich der ,Ruf der Jugend’ gehört wurde."

Auch deshalb will die Klima-Bewegung am Freitag wieder in Heidelberg und vielen anderen Städten auf die Straße gehen. Treffpunkt ist um 11 Uhr an der Stadtbücherei. (dns)

[-] Weniger anzeigen

Aber auch bei den städtischen Maßnahmen wurde Würzner am Montag konkreter. Beim Verkehr sollen kurzfristig vier Schnellbusse dafür sorgen, dass Pendler vom Auto auf den Nahverkehr umsteigen. Dazu will die Stadt nicht nur die Busse finanzieren, sondern im Umland vier "Dockingstations", wie Würzner sie nennt, einrichten: Parkplätze, wo Pendler vom Auto umsteigen können. Von dort sollen die Busse direkt zum Hauptbahnhof und ins Neuenheimer Feld fahren.

Auch interessant
Heidelberg: Bürgerinitiative "Rettet den Odenwald" begrüßt Heidelberger Klimapläne
Heidelberg: Grüne fordern drastisches Programm für das Klima
OB Würzner bei Klima-Gipfel: "Müssen unseren Lebensstil überdenken"

Um die Ziele erreichen zu können, muss zudem der Energieverbrauch deutlich gesenkt werden. Dazu sollen unter anderem deutlich mehr Altbauten saniert werden. "Wir sind derzeit bei einem Prozent pro Jahr", so Würzner. "Ziel sollten drei Prozent sein." Aber auch die Energiegewinnung soll möglichst schnell CO2-neutral werden. Am meisten Potenzial gebe es in der Solarenergie. Ansonsten müsse man aber auch über Standorte für die Windkraft nochmal diskutieren, so der OB: "Da sind wir noch nicht da, wo wir hinwollen." Den Abstand von 1000 Metern zu Wohnhäusern, hält er für zu hoch. So könne er sich etwa am Rande von Patrick Henry Village Windanlagen vorstellen. Dennoch werde das nicht ausreichen, um den städtischen Energiebedarf klimaneutral zu decken: "Wir müssen das kompensieren durch Produktionsanlagen, die nicht auf unserer Gemarkung sind", schlägt Würzner vor.

Den auffälligsten Beitrag zum Klimaschutz werden aber bald wohl die Mitarbeiter von Ernst Baader leisten - weshalb der Pressetermin in der Stadtgärtnerei stattfand. Denn Baaders Landschafts- und Forstamt soll bis 2025 jährlich 500 Bäume im Stadtgebiet pflanzen. "Bäume sind die beste Art, der Atmosphäre CO2 zu entziehen", so der Amtsleiter. Und da sie auch Schatten spenden und die Umgebung kühlen, sei der innerstädtische Baumbestand "so wichtig wie nie". Zwar ist Baader nicht sicher, ob man tatsächlich in jedem Stadtteil ein "Klimawäldchen" anlegen könne, wie es der Plan des OBs vorsieht. "Aber jeder einzelne Baum lohnt sich."

Info: Der Bau- und Umweltausschuss befasst sich heute (17 Uhr, Neuer Sitzungssaal, Rathaus) mit den Plänen.


Oberbürgermeister Eckart Würzner im Interview

"Wir müssen regional denken"

Heidelberg. (dns) Was beim Klimaschutz jetzt anders laufen soll als bisher, erklärt Oberbürger Eckart Würzner im Interview.

Eckart Würzner

Herr Würzner, Heidelberg hat sich schon häufig Klima-Ziele gesteckt, diese aber nie erreicht. Warum soll das dieses Mal anders werden?

Wir gehören in Deutschland zu den Städten, die den Klimaschutz am ambitioniertesten umgesetzt haben. Wir haben vor allem da gehandelt, wo wir in einer Vorbildfunktion selbst aktiv werden konnten - etwa mit der Senkung des Energieverbrauchs in städtischen Gebäuden um über 50 Prozent. Jedoch müssen auch die Rahmenbedingungen durch EU, Bund und Land stimmen, damit wir unsere Ziele erreichen können.

Andere Städte sind deutlich weiter. Wurden in Heidelberg nicht auch Fehler gemacht?

Wir haben versäumt, die Region genügend einzubinden. Innerhalb der Stadt funktioniert vieles gut. Beim Verkehr sind vor allem die Pendler das Problem. Das müssen wir mit Investitionen im Umland angehen. Bisher ist es sehr ungewöhnlich, dass man in anderen Kommunen Umsteige-Parkplätze und Schnellbusse finanziert. Aber wir dürfen beim Klimaschutz nicht territorial denken, wir müssen regional denken.

Auch bei den Radwegen ins Umland?

Ja, auch da müssen wir neue Wege gehen. Heute dauert es vier bis sechs Jahre, bis ein Radweg umgesetzt wird. Diese Zeit haben wir nicht. Deshalb bauen wir jetzt Radwege, die unter einer bestimmten Normbreite bleiben. Damit greifen andere Genehmigungsverfahren und es geht viel schneller.

Wie könnte das alles einfacher werden?

Etwa, indem man Klimaschutz gesetzlich verortet - das habe ich gerade im Nachhaltigkeitsrat der Landesregierung dem Ministerpräsidenten gesagt. Der Immissionsschutz oder der Naturschutz sind sehr weitgehend geregelt, für das Klima gibt es keinen entsprechenden Schutzstatus. Deswegen kann gegen Klimaschutz-Maßnahmen zu leicht geklagt werden.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.