Das Dorf bangt um seinen Einkaufsmarkt
Betreiber will zum Jahresende aufhören - Gemeinde kämpft um Fortführung

Sieglinde Pfahl (2.v.l.) sowie die Gemeinderäte Oliver Teich (links) und Karl Beckenbach (3.v.l.) besuchten Klaus Schmitt (rechts) und dessen Mitarbeiterinnen im Markt. Foto: Alex
Heiligkreuzsteinach. (cm) Bäcker, Metzger, Einkaufsmarkt, Hausarzt: Für ein Dorf mit 2700 Einwohnern ist diese Ausstattung nicht mehr selbstverständlich. Heiligkreuzsteinach hat sie - noch. Doch die Infrastruktur wackelt. Der Betreiber des "Nah-und-gut"-Marktes in der Ortsmitte hört zum Jahresende auf. Ein Nachfolger ist bisher nicht in Sicht, die Schließung droht. "Das wäre eine Katastrophe", sagt Bürgermeisterin Sieglinde Pfahl. "Der Markt ist existenziell für das Dorf und die anderen Geschäfte." Pfahl befürchtet eine "Sogwirkung auf Bäckerei und Metzgerei". Und deshalb wird nun alles getan, um den Markt zu erhalten.
Klaus Schmitt hat den rund 400 Quadratmeter großen Edeka-aktiv-Markt im Jahr 2002 übernommen. "Der Markt schrieb damals tiefrote Zahlen und stand kurz vor der Schließung", erzählt der 55-Jährige aus Wilhelmsfeld. Dort hatte er zuvor mit seinem Bruder einen Einkaufsmarkt betrieben, den es heute auch noch gibt. 1991 hatten die Brüder hierzu die "Wilka GmbH" gegründet, wobei "Wilka" für "Wilhelmsfelder Kaufhaus" steht. "Ich bin damals das Risiko in Heiligkreuzsteinach eingegangen", erzählt der gelernte Drogist. "Dank der Unterstützung der Heiligkreuzsteinacher ist der Markt bis heute rentabel, obwohl leider viele örtliche Vereine für ihre Veranstaltungen ohne ersichtlichen Grund lieber in Schönau einkaufen." Das Gebäude war damals im Familieneigentum und ist es bis heute.
Zuletzt kam es allerdings zu einem Kunden- und Umsatzrückgang. "Wir haben gemerkt, dass mehr Kunden außerhalb von Heiligkreuzsteinach einkaufen gehen", sagt Schmitt. Der Betreiber reagierte und bot Frischeprodukte direkt vom Großmarkt an. Das Aus kommt nun aus gesundheitlichen Gründen. Der 55-Jährige ist Diabetiker. "Die Ärzte haben mir geraten, aufzuhören", erzählt er. "Ich arbeite zwischen 70 und 80 Stunden in der Woche und komme an meine körperlichen Grenzen."
Vor wenigen Wochen informierte Klaus Schmitt seine sechs Teilzeitangestellten und die Gemeinde. Große Chancen, dass der Markt in seiner bisherigen Form - auch als Teil einer anderen Kette - betrieben werden kann, sieht Schmitt nicht. "Ein genossenschaftlich organisierter Dorfladen hätte jedoch Chancen und wäre in dieser Größe einmalig in Deutschland." Das Personal sei vorhanden, es brauche jedoch eine Führungskraft und Ehrenamtliche. "Am Ende kommt es auf die Bürger an", so Schmitt, der die Idee des Dorfladens mit Rat und Tat unterstützen will.
Für Sieglinde Pfahl kommt die Schließung des Marktes unerwartet. Die Bürgermeisterin kann die Beweggründe aber nachvollziehen und hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass der Markt in seiner bisherigen Form weitergeführt werden kann. "Das wäre die beste Lösung", meint sie. Pfahl telefoniert sich seit einigen Wochen die Finger wund, sprach mit möglichen Betreibern und Lieferanten und schaltete die Wirtschaftsförderung des Rhein-Neckar-Kreises ein. "Unser Ziel ist es, einen geeigneten Nachfolger zu finden - gerne können sich Interessierte bei uns im Rathaus melden." Eine weitere Idee wäre ein Inklusionsmarkt, in dem behinderte und nicht behinderte Menschen arbeiten können. Parallel dazu macht sich die Gemeinde schlau über alternative Konzepte. "Wir planen und denken in alle Richtungen", so die Rathauschefin.
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Die Gemeinde hat eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus dem Gemeinderat gebildet, die schon mehrmals getagt hat. Vor Kurzem fand eine Besichtigung eines genossenschaftlichen Bürgermarktes in Neunkirchen im Neckar-Odenwald-Kreis statt. "Die Arbeitsgruppe konnte sich einen guten Überblick verschaffen und neue Erkenntnisse gewinnen", sagt Pfahl. Derzeit wird eine Umfrage vorbereitet, mit der das derzeitige Kaufverhalten der Bürger und das Interesse an einem Markt abgeklärt werden soll.
Die Zukunft des Einkaufsmarktes sei ein "heißes Thema" im Dorf, so Pfahl. Als Gemeinde mit dem zweithöchsten Altersdurchschnitt im Rhein-Neckar-Kreis habe man viele Senioren, die nicht in den Nachbarort zum Einkaufen fahren könnten. Außerdem sei der Markt ein Treffpunkt für die Einwohner. Und zudem gehe es um sechs Arbeitsplätze, die im ländlichen Raum rar sind. "Ich gehe derzeit mit dem Thema ins Bett und stehe wieder damit auf", sagt Pfahl.



