Heidelberg

Das sind die Gesichter des Bürgerentscheids Ochsenkopf

Karin Weber und Rainer Zawatzky sind die "Ja"-Sager und gegen die Verlagerung des Betriebshofes

12.07.2019 UPDATE: 14.07.2019 06:00 Uhr 4 Minuten, 20 Sekunden

Karin Weber und Rainer Zawatzky kämpfen für den Erhalt der Ochsenkopf-Wiese und haben den Bürgerentscheid initiiert. Foto: Rothe

Von Timo Teufert

Heidelberg. Seit einem halben Jahr kämpfen Karin Weber und Rainer Zawatzky mit dem "Bündnis für den Bürgerentscheid Klimaschutz" für den Erhalt der Grünfläche am Großen Ochsenkopf. Die beiden sind die Vertrauensleute beim Bürgerbegehren und kämpfen zusammen mit ihren Mitstreitern dafür, dass am 21. Juli eine Mehrheit der Heidelberger mit "Ja" und damit gegen eine Verlagerung des Betriebshofs der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH auf den Großen Ochsenkopf stimmt.

Dass sie sich für den Erhalt der Wiese einsetzen, war für beide am Anfang der Diskussion klar: Weber hat mit ihrem Mann Wolfgang und ihrem Sohn elf Jahre in einer Wohnung an der Gneisenaustraße gelebt. "Früher haben wir dort zu Ostern die Eier versteckt", erinnert sie sich. Und was ihr Sohn ihr erst jetzt gestanden hat: "Er ist da oft rumgestromert. Aber das wusste ich gar nicht." Als Wieblinger kennt Zawatzky die Wiese vor allem vom Durchfahren mit dem Rad: "Ich frage mich immer, wie man so etwas opfern kann", so der Pharmazeut.

Er engagiert sich schon lange für die Umwelt und den Klimaschutz: Als 30-Jähriger hatte Zawatzky ein Forschungsstipendium in Orsay in Frankreich. "Dort hat man ,le Waldsterben’ nur belächelt." Als er 1984 nach Heidelberg zurückkehrt, steht fest: Er engagiert sich in Umweltgruppen, tritt Greenpeace genauso bei wie dem Verkehrsclub Deutschland und dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). "Damals hatte ich das gleiche Gefühl, dass ich heute der Jugend bei ,Fridays for Future’ attestiere", sagt Zawatzky. Bei seinem Engagement sei es ihm immer darum gegangen, zu schauen, wie man Politiker dazu bringen könne, sich zu bewegen.

Seit 1994 ist er stellvertretender Vorsitzender des Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in Heidelberg, gründete 1984 die Ortsgruppe in Wieblingen mit. "Es ist mir wichtig, lokal aktiv zu werden", so Zawatzky. Deshalb sammelten er und seine Mitstreiter ab 1985 Aluminiumdeckel von Joghurt-Bechern - zu einer Zeit, als an den "Grünen Punkt" noch nicht zu denken war. "Dafür haben wir in der ganzen Stadt Tonnen aufgestellt, sie alle paar Wochen geleert und den Müll mit Handschuhen sortiert. Das hat furchtbar gestunken", erinnert sich Zawatzky, der seit 45 Jahren mit seiner Frau Kristina verheiratet ist und drei Kinder und drei Enkel hat.

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Mit ihr zusammen kam Zawatzky nach Heidelberg, um hier Pharmazie zu studieren. Aufgewachsen ist er im 20.000-Einwohner-Ort Uetze bei Hannover. Für Pharmazie hatte er sich entschieden, weil ihn Arzneimittel schon immer faszinierten und er auch ein Interesse an biologischen Vorgängen im Körper hatte. Doch die Apotheke füllte ihn nach dem Studium nicht aus, er entschied sich für eine Promotion und forschte fortan zu Interferon, ein körpereigenes Hormon, das gegen Viren aktiv ist und Fieber auslöst. "Als ich angefangen habe, war das ein ganz kleines Feld, heute gibt es ganze wissenschaftliche Fachzeitschriften dazu", erklärt Zawatzky. Später arbeitete er am Deutschen Krebsforschungszentrum und baute dort eine Forschungsgruppe auf. 1991 habilitierte er und erhielt 2000 die Ernennung für eine außerplanmäßige Professur.

Seit seinem Forschungsaufenthalt in Orsay verbinden ihn noch immer enge Freundschaften mit Frankreich. "Damals ist Französisch meine zweite Muttersprache geworden", sagt Zawatzky. Noch heute ist er mehrere Male pro Jahr in Frankreich und Mitglied im Deutsch-Französischen Kulturkreis. "Mich interessiert nicht nur der Betriebshof", lacht der 68-Jährige, der in zwölf Vereinen Mitglied ist, der vor allem die Kommunikation und den Austausch schätzt. Außerdem hält er Vorträge über grüne Gentechnik und macht zum Thema auch Lehrerfortbildungen im Explo.

Als Ausgleich geht Zawatzky schwimmen - normalerweise drei Mal pro Woche. Doch wegen des bevorstehenden Bürgerentscheids schafft er es im Moment nur noch einmal. So geht es auch Karin Weber, die sonst zwei Mal pro Woche das "Fitropolis" der TSG Rohrbach besucht. Denn der bevorstehende Bürgerentscheid raubt viel Zeit - etwa für Organisationstreffen, Öffentlichkeitsarbeit oder das Verteilen von Flyern: "Wir wurden zwar gewarnt, dass man jeden Tag für den Entscheid aktiv sein muss, aber in dem Umfang habe ich das nicht gedacht", gibt Zawatzky zu.

Und Weber und Zawatzky investieren nicht nur viel Zeit, auch finanziell engagieren sie sich für ihr Anliegen. Denn die Werbung für das "Ja" beim Bürgerentscheid finanzieren die Beteiligten selbst: "Jeder schießt etwas dazu. Da tut es schon weh, zu sehen, wie viel Geld die Stadt aus Steuermitteln für die Werbung ausgibt", sagt Zawatzky.

Webers Freizeitbeschäftigungen - Radeln, Wandern und ins Theater gehen - kommen derzeit ebenfalls "etwas zu kurz". Sie engagierte sich schon beim Bürgerentscheid gegen den Ausbau der Stadthalle, gehört zum Kreis der Stuttgart 21-Gegner und fährt deshalb regelmäßig zu Demonstrationen nach Stuttgart und sitzt auch für die "Bunte Linke" im Bezirksbeirat Rohrbach und kam über die Bürgerinitiative "Ökologische Mobilität" zum Bündnis.

Das Duo hat eine klare Aufgabenteilung: Während sich Zawatzky um den ökologischen Bereich kümmert, ist Weber, die aus dem Meißnerland stammt, für die Verkehrsaspekte zuständig. Sie ist studierte Verkehrsingenieurin und arbeitete lange bei der Deutschen Bahn. Während ihrer Ausbildung, die sie parallel zum Abitur absolvieren musste, um studieren zu können, arbeitete sie im Stellwerk, in der Kursbuchauskunft und im Fahrkartenverkauf.

Im Studium ging es dann um das Erstellen von Fahrplänen, Infrastrukturplanung und den Eisenbahnbetrieb. Anschließend arbeitete sie am Forschungsinstitut für Verkehrswesen. Auch deshalb sagt sie: "Die Ochsenkopfwiese ist nicht ungeeignet für den Betriebshof - zumindest, was die Lage anbelangt." Aber bei der Wirtschaftlichkeit und bei der Zukunftsfähigkeit sieht sie "dicke Fragezeichen".

1979 kam Weber schließlich aus privaten Gründen nach Heidelberg: Ihr Mann fand als Ingenieur für Kraftwerke schnell eine Anstellung bei den Kraftanlagen, für sie war die Arbeitssuche eher schwierig. Für die Beamtenlaufbahn bei der Bahn passte ihr Studium nicht ins Schema. "Ich kam zehn Jahre zu früh", sagt Weber heute.

Sie stand so vor der Wahl: Etwas ganz anderes machen oder eine Ausbildung bei der Bundesbahn - bei der "großen Bahn" wie Weber sagt. Sie entschied sich für die dreijährige Ausbildung für den gehobenen nichttechnischen Dienst, der bis dahin eine reine Männerdomäne war. "Damals gab es einige Vorbehalte: Eine Frau mit Kind, die ihren Sohn in die Ganztagsschule schickte, war damals die Ausnahme."

Sie wurde Erste Betriebsbeamtin in Heidelberg und damit bis 1990 dafür zuständig, den Fahrplan auf örtlicher Ebene umzusetzen. An eine besondere Herausforderung erinnert sie sich noch heute: Als 1986 die neue Czernybrücke zusammenbrach, war sie gerade verreist und besuchte alte Kollegen in Leipzig.

Nach dem Unglück kam sie zurück und musste den Schienenverkehr so regeln, dass es zu möglichst wenigen Beeinflussungen kam. Später entwickelte sie die Fahrpläne für das ICE-Netz mit, war für Infrastrukturplanung mit verantwortlich und plante den S-Bahn-Bau mit. "Ich bin überzeugt von dem System Bahn", sagt die 67-Jährige.

Deshalb tut ihr besonders ein Vorwurf im Wahlkampf weh: "Wenn man uns vorwirft, gegen den Ausbau des Nahverkehrs zu sein. Das stimmt nicht." Auch Zawatzky macht das betroffen: "Ich bin totaler ÖPNV-Freak und besitze seit 15 Jahren kein Auto mehr", sagt er.

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