Brantner, Lamers und Binding starten erstmals Wettbewerb zur Europawahl
Heidelberger und ihre Stadtteile sollen gezielt angesprochen werden - Ziel: möglichst hohe Beteiligung

Erstmals tun sich nun die drei Heidelberger Bundestagsabgeordneten Franziska Brantner (Grüne), Lothar Binding (SPD, l.) und Karl A. Lamers (CDU) zusammen, um für eine möglichst hohe Wahlbeteiligung bei der Europawahl zu sorgen. Foto: Rothe
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Erstmals tun sich die drei Heidelberger Bundestagsabgeordneten zusammen, um die Werbetrommel für die Europawahl zu rühren: "Uns allen liegt Europa am Herzen". Und zwar unabhängig von den Parteien - was wiederum den berühmten Ausspruch Kaiser Wilhelms beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs nahelegt ("Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche") - wenn auch auf Europa gemünzt. Aber Franziska Brantner (Grüne). Karl A. Lamers (CDU) und Lothar Binding (SPD) wollen es nicht bei wohlfeilen Worten belassen, sie rufen einen Wettbewerb aus, mit dem die Heidelberger an die Urnen gelockt werden sollen.

Überparteilich wird für den Wettbewerb der Bürger und der Stadtteile geworben. Foto: privat
"Es tut weh zu sehen, dass die Wahlbeteiligung oft nicht so hoch ist", sagt die grüne Brantner, um hinterherzuschieben: "Heidelberg kann mehr!" Doch da dies der aktuelle Slogan der FDP für den Kommunalwahlkampf ist, verbessert ihr Kollege Lamers (CDU) fix: "Heidelberg kann es besser!" Die Not in und die Sorge um Europa ist momentan besonders groß, gibt auch Binding (SPD) zu - vor allem, was die Stärke der Rechtspopulisten angeht: "Die Steigerung in der Wahlbeteiligung soll der Demokratie helfen. Die Fanatiker gehen sowieso zwanghaft zur Wahl, jetzt wollen wir auch die Demokraten mobilisieren, um die radikalen Ränder zu marginalisieren."
Deswegen sollen gezielt die Heidelberger und ihre Stadtteile angesprochen werden: Wer am Wahltag (oder kurz davor) ein Selfie, also ein Handybild von sich selbst, mit einem Bezug zu Europa macht (am besten vor dem Wahllokal), dem winken etliche Preise wie Kinogutscheine, freier Eintritt fürs Theater oder in den Zoo oder gar Einkaufsgutscheine. Das Foto kann man dann in den Sozialen Medien Instagram, Facebook oder Twitter posten (#HDforEurope) oder, fast schon altmodisch, per E-Mail zuschicken: yes@HDforEurope.de.
Aber auch die Stadtteile werden zu einer freundschaftlichen Konkurrenz aufgestachelt: Denn wer die höchste Steigerung bei der Wahlbeteiligung aufweist, gewinnt ein Stadtteilfest. Tatsächlich unterscheidet sich die Wahlbeteiligung in den einzelnen Quartieren der Stadt sehr - am stärksten gehen die Neuenheimer wählen, am schwächsten die Emmertsgründer. Aber es geht ja nicht um die absolute Höhe der Wahlbeteiligung, sondern um die Steigerungsrate.
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Hintergrund
Die Beteiligung bei den Europawahlen nach Stadtteilen
Heidelberg: 54,8 % (2014) - 51,4 % (2009)
Altstadt: 57,7 % (2014) - 54,3 % (2009)
Bahnstadt: 60,8 % (2014) - 0,0 % (2009)
Bergheim: 53,3 %
Die Beteiligung bei den Europawahlen nach Stadtteilen
Heidelberg: 54,8 % (2014) - 51,4 % (2009)
Altstadt: 57,7 % (2014) - 54,3 % (2009)
Bahnstadt: 60,8 % (2014) - 0,0 % (2009)
Bergheim: 53,3 % (2014) - 47,9 % (2009)
Boxberg: 38,9 % (2014) - 35,1 % (2009)
Emmertsgrund: 35,1 % (2014) - 32,4 % (2009)
Handschuhsheim: 60,8 % (2014) - 57,2 % (2009)
Kirchheim: 48,1 % (2014) - 44,7 % (2009)
Neuenheim: 64,4 % (2014) - 60,6 % (2009)
Pfaffengrund: 44,9 % (2014) - 43,9 % (2009)
Rohrbach: 51,5 % (2014) - 48,0 % (2009)
Schlierbach: 59,3 % (2014) - 55,4 % (2009)
Südstadt: 61,8 % (2014) - 55,4 % (2009)
Weststadt: 62,4 % (2014) - 58,0 % (2009)
Wieblingen: 51,6 % (2014) - 49,1 % (2009)
Ziegelhausen: 59,0 % (2014) - 58,2 % (2009)
Die Idee hinter dem Wettbewerb ist, so sagt Brantner, eine Dynamik fürs Wählengehen aufzubauen. "Es ist doch so, dass vor allem sozialer Druck die Leute an die Urnen treibt." Und eine sanfte Variante solch eines sozialen Drucks will das Trio nun über den kleinen Wettbewerb aufbauen - und gemeinsam klarmachen, wie wichtig Europa auch und gerade für die Heidelberger ist.
Dass sich Brantner, Lamers und Binding erst jetzt zusammentun, hat natürlich mit der momentanen Stärke populistischer Bewegungen zu tun - und aus aktuellem Anlass fiel auch gestern, als die Drei ihre Kampagne vorstellten, ein besorgter Blick auf Österreich: "Es ist eine Schwäche der Demokratie, dass die, die sie zerstören wollen, durch sie an die Macht kommen", meint Binding und hofft auf den Mobilisierungseffekt der Europa- und Demokratiefreunde. "Not macht erfinderisch", sagt Lamers, und auch Brantner gibt zu: "Unsere Aktion ist der Situation geschuldet, vor zehn Jahren hätten wir es noch nicht gemacht." In den Parteien selbst war die "spontane Idee" (Lamers) völlig unumstritten, vielleicht wird draus sogar eine noch größere Aktion über Heidelberg hinaus.
Bisher ist der Wettbewerb eher langsam angelaufen: Stand gestern Nachmittag waren auf Facebook zehn, auf Instagram elf und auf Twitter nur ein Foto hochgeladen.



