Bambus-Fahrrad soll Ende April fertig sein
Im Jugendhaus "Go In" wird kräftig am neuen Lastenrad für die Stadtverwaltung gefeilt

Robin Scharfe, Daniel Vogel-Essex, Oswald Wieser und Wolf-Peter Rigling (v. l.) arbeiten mit Spaß am Rahmen des Fahrrads. Foto: Lenhardt
Von Harald Berlinghof
Schwetzingen. "Go In": Die Aufforderung und Einladung sich zu beteiligen, ist eindeutig. Drinnen wird gesägt, gefeilt und geklebt. Im Schwetzinger Jugendhaus "Go In" bauen einige Interessierte unter Anleitung des Experten Oswald Wieser an einem Fahrrad aus Bambus. Ungewöhnlich genug. Aber nicht für Oswald Wieser, der seit 2015 mit seiner Schwetzinger Firma "Smart Grass Bicycles" Intensiv-Workshops zum Bau von Fahrrädern aus Bambus anbietet. Beim gegenwärtigen Projekt im Jugendhaus sind alle willkommen, die sich beim Bau beteiligen wollen, oder die auch nur mal aus Interesse reinschnuppern wollen.
Interessant ist es allemal, wie aus Schwetzinger und Freiburger Bambus ein Lastenfahrrad für die Schwetzinger Stadtverwaltung entsteht. Hausmeister Manolito Dirker wird es sein, der mit dem Lasten-Pedelec aus nachwachsendem Rohstoff unterwegs sein wird, auch um damit Botendienste innerhalb der Stadt abzuwickeln. Seine Körpergröße, Schrittlänge, Armlänge und Rumpflänge wurden zuvor vermessen, um das Fahrrad in seiner Rahmengeometrie auf den späteren Nutzer anzupassen. Die von dem Berliner Experten Daniel Vogel-Essex entwickelten Rahmenlehren halten den Bambusrahmen passgenau fest, während Epoxid-Spachtelmasse als Verbindungsstücke aufgetragen wird. Es entsteht also ein Bambusfahrrad nach Maß, mit dem Dirker ab Mai in der Stadt unterwegs sein wird.
Bambus ist eine schnell wachsende Grasart, die allerdings Dimensionen erreicht, wie sie bei anderen Gräsern nicht vorkommt. Ursprünglich stammt der Bambus mit seinen zahlreichen Arten, Größen und Formen aus Asien. Längst nicht alle Arten sind frostfest, so dass die größten und gewaltigsten Bambusarten mit Durchmessern bis 15 Zentimeter und einer Weltrekordhöhe von 48 Metern in Deutschland nicht gedeihen. An Deutschlands "Hitzepol" Freiburg im Breisgau gibt es Bambusarten mit bis zu acht Zentimetern Durchmesser. Davon verwenden die Konstrukteure um Wieser im "Go In" Stücke für den Hauptholm der Fahrradkonstruktion. Für die anderen Fahrradteile aber wird Schwetzinger Bambus verwendet. Der wächst, seit ihn Hans-Dieter Proske von der Schlossverwaltung von einer Reise mitgebracht hat, und zwar in unmittelbarer Nähe des Arboretums im Schwetzinger Schlossgarten. Allerdings kann er maximal eine Dicke von gut sieben Zentimetern erreichen. Geerntet wurde der Bambus für den jetzigen Fahrradbau schon vor einem Vierteljahr, denn der Bambus muss vorbehandelt werden, bevor er verwendet werden kann. Gegen Schadinsekten und Pilze werden die Bambusstangen abgeflammt und dann trocken gelagert. Chemische Insektizide und Fungizide werden bewusst vermieden, weil der Bambus biologisch abbaubar ist und so große Teile des Bambusrades nachhaltig sind. Allerdings nicht alle. "Daran arbeiten wir noch", so Wieser.
Nach dem Trocknen der Epoxid-Masse feilt auch Wolf-Peter Rigling gemeinsam mit Ideengeber Wieser an den Verbindungsstücken. Mit Flachsgewebe wird die Struktur an den Verbindungsstellen umwickelt und erneut mit Kunstharz abgedeckt. Der Elektromotor wird in der Hinterachse untergebracht. Die Tragkraft des "Long John" genannten Fahrradtyps soll bei rund 160 Kilo liegen. Die zu befördernden Lasten werden in einem Behälter vor der Lenkstange im Gesichtsfeld des Fahrers transportiert. Trotz seiner Länge von knapp drei Metern soll der "Long John" gut zu steuern sein, betont Konstrukteur Wieser. Bambusfahrräder sind keine ganz neue Erfindung mehr. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts soll es in London einen Hersteller von Bambusrädern gegeben haben, so Wieser. Und insbesondere in den Herkunftsländern des Bambus ist die Grasart mit ihren harten, aber leichten Halmen, die eher Stämmen gleichen, ein beliebtes Baumaterial - für Häuser, Baustellengerüste, Brücken und eben auch Fahrräder. Selbst Stardesigner Luigi Colani hatte Bambus für seine Projekte verwendet.
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Seit vier Tagen haben sie jetzt im "Go In" an dem Fahrrad "geschraubt". An den nächsten vier Wochenenden, freitags von 17 bis 20 Uhr und samstags von 9 bis 18 Uhr, wird an dem Rad noch weiter gearbeitet. Ende April soll das Bambus-Pedelec fertig sein und an die Stadt Schwetzingen übergeben werden.



