St. Leon-Rot

Pfiffigere Ideen für eine neue Waldgeneration gesucht

Forstbewirtschaftungsplan war Thema im Gemeinderat - Robert Lang: "Wir stoßen an unsere Grenzen"

04.02.2019 UPDATE: 05.02.2019 06:00 Uhr 3 Minuten

Auf dieser Lichtung im Wald nahe dem St. Leoner See hatten die Forstarbeiter viel damit zu tun, um Neophyten wie Kermesbeere und Spätblühende Traubenkirsche zu bekämpfen und Jungpflanzen - die sich momentan noch in der Schutzhülle befinden - anzusiedeln. Foto: Lerche

St. Leon-Rot. (seb) In den letzten Jahren ist St. Leon-Rots Wald aus mehreren Gründen zum Sorgenkind geworden, der vergangene Rekordsommer hat ihm obendrein "sehr stark zugesetzt". Das berichtete Revierförster Robert Lang, als er in der jüngsten Gemeinderatssitzung den Forstbewirtschaftungsplan für dieses Jahr vorstellte.

Bei Einnahmen von 50.600 Euro und Ausgaben von 79.600 Euro liegt das Defizit bei 29.000 Euro. Dem Plan konnte der Rat einhellig zustimmen, die Priorität liege auf einem artenreichen Wald, in dem die Bürger Erholung finden, daher sei ein Zuschüssen für Pflege und Wiederaufforstung geschuldetes Defizit auch in dieser Höhe akzeptabel.

Den vorgesehenen Hieb habe man reduziert und rechne hier mit Einnahmen von 42.000 Euro. Robert Lang gab zu bedenken, dass der Einschlag nicht komplett planbar ist: Die Spuren des "historisch heißen Sommers" mit extremer Trockenheit sind ihm zufolge bereits jetzt sichtbar, Kiefern sterben ab, auch die Douglasie, die als robuster angesehen wurde, verliert Nadeln. Die Kronen einiger Laubbäume, etwa der Buche, werden schütter. Wenn diese Bäume sich nicht mehr erholen, müssen sie ihm zufolge ebenfalls geschlagen werden, das fällt unter "zufällige Nutzung".

Spätfolgen seien überdies nicht ausgeschlossen, so Lang, momentan sei gar nicht sichtbar, welche Bäume eventuell noch abgestorben seien, und auch in den kommenden Jahren könnten durchaus noch Bäume in Folge dieses einen Sommers eingehen. Ohne das Einschreiten der Förster sei fraglich, inwieweit sich der Wald erholen könne.

Wie er in der Vergangenheit schon mehrfach dargelegt hatte, steht der Wald nämlich bereits unter hohem Druck durch sogenannte Neophyten, Pflanzenarten wie Kermesbeere und Spätblühende Traubenkirsche, die hier nicht heimisch sind, sich aggressiv ausbreiten, teilweise giftig sind und keine Fressfeinde fürchten müssen. Auf Lichtungen breiten sie sich am schnellsten aus und verhindern, dass heimische Arten sich auf natürliche Weise dort vermehren.

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Auf Nachfrage aus dem Rat riet Lang dringend davon ab, in der Bekämpfung der Neophyten nachzulassen, auch wenn sie hohe Kosten verursache. Mit ihnen könne sich hier kein stabiles, artenreiches Ökosystem etablieren, betonte er, im Gegenteil: Die Kermesbeere beispielsweise hinterlasse eine Einöde ohne Gräser, Kräuter, Moose oder Blühpflanzen, das wirke sich auch auf die Insekten, deren Bestand ohnehin schon zurückgeht, und weitere Tierarten aus. Damit habe die Bekämpfung der Neophyten ebenso wie die natürliche Verjüngung des Walds und das Anpflanzen von neuen Kulturen durch den Menschen "eine große Bedeutung für den Naturschutz".

Weitere Stressfaktoren für den Wald sind Schadinsekten. Beim Borkenkäfer, dem geschwächte Bäume Lang zufolge wenig entgegenzusetzen haben, war eine "Massenvermehrung" festzustellen. Zudem ist es enorm schwierig geworden, Fachfirmen zu finden, die tote Bäume, in denen sich der Käfer wohlfühlt, schnell aus dem Wald holen. Erst wenn man im Sägewerk die Rinde thermisch verwertet, also verbrannt habe, sei die Gefahr gebannt. Den Jungpflanzen machen die Engerlinge des Maikäfers zu schaffen, die bevorzugt deren empfindliche Wurzeln befallen. "Das sind die beiden unsichtbaren und sichtbaren Feinde des Walds, die hochaktiv sind."

Weniger sichtbar, aber durchaus präsent sind Dam- und Schwarzwild, die Jungbäumen ebenfalls zu Leibe rücken. Der Bestand sei nicht etwa zurückgegangen, erklärte Lang auf eine Frage aus dem Rat, Wildschweine etwa reproduzierten sich mit einer von 300 auf 500 Prozent gestiegenen Rate - dank der heißen Sommer und milden Winter. Mit den Einschränkungen, denen die Jagd etwa an Ortsrändern, Straßen und Wegen unterliegt, habe man in der dichtbesiedelten Metropolregion "keine Chance, am Wildbestand etwas zu ändern".

Viel Mühe geben er und sein Team sich mit den Aufforstungsflächen, auf denen in erhöhter Zahl Setzlinge eingepflanzt werden. Das vor allem, weil die Jungbäume im letzten Jahr zu allen anderen Stressfaktoren auch unter einem Sturm im Frühjahr gelitten hatten. Sehr aufwendig sei auch, für Sicherheit zu sorgen, so Lang: Auf und entlang der Waldwege und auch der Straßen, etwa der Landesstraße L628 Richtung Wiesloch, war man vermehrt im Einsatz, um herabgefallene Nadeln und Laub wegzuräumen und Bäume, die herabzustürzen drohen, zu entfernen.

"Die Bäume werden weiter unsere Hilfe brauchen", blickte Lang auf die kommenden Jahre. Der Wald werde in dieser Form auch nicht zu erhalten sein, vielmehr sei man intensiv auf der Suche nach Arten, die besser mit Trockenheit und Hitze zurechtkommen. Leider hätten Forstdirektion und Freiburger Forschungsanstalt noch keine definitiven Empfehlungen, welche Arten ein für die Zukunft gut aufgestellter Mischwald hierzulande braucht: "Auf pfiffigere Ideen für eine neue Waldgeneration müssen wir noch warten." Aktuell wählt man für die Aufforstung ihm zufolge beispielsweise Baumhasel, Kirsche oder Roteiche.

Angesichts dieser Bedrohung des Walds schloss Lang: "Wir stoßen an unsere Grenzen." Er bedankte sich daher für die kontinuierliche Unterstützung durch die Gemeinde und gerade auch den Bürgermeister, der im vergangenen Jahr aus seinen persönlichen Verfügungsmitteln weitere Mittel zur Waldpflege gewährt hatte.

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