Um zu bestehen, muss der Wald sich wandeln
Begehung zur kommenden Forsteinrichtung - Ziel: "Breite Palette klimastabiler Bäume"

Mit den zahlreichen Herausforderungen für den St. Leon-Roter Wald beschäftigten sich Bürger, Gemeinderäte und Vertreter der Verwaltung jetzt gemeinsam mit Revierförster Robert Lang (im Bild rechts mit einer ausgerissenen Kermesbeere). Foto: Lerche
St. Leon-Rot. (seb) Die Wälder der Region stehen vor großen Herausforderungen. Allen voran ist da der Klimawandel, hinzu kommen jedoch beispielsweise Schädlinge und fremde, sich aggressiv ausbreitende Arten. Sich selbst überlassen, können sie nicht bestehen - zumindest nicht so, wie wir sie kennen und schätzen.
Bei einer Begehung eines Waldstücks nahe dem St. Leoner See machten Forstdirektor Sebastian Eick und Forstrevierleiter Robert Lang anschaulich, wie sie den Wald für die Zukunft aufstellen möchten: als vielfältige Heimstatt für viele Tier- und Pflanzenarten und als Erholungsraum für Menschen.
Sie skizzierten das empfehlenswerte Forsteinrichtungswerk, den sogenannten Zehnjahresplan, der jetzt für den Zeitraum bis 2029 Ziele und Maßnahmen beschreibt. Während eine 22-köpfige Gruppe aus Gemeinderäten, Verwaltungsmitarbeitern und Interessierten lauschte, wurde deutlich, wie sehr die Bürger "ihren" Wald schätzen: Wanderer, Jogger, Hundehalter, Radler, Reiter und Jagdpächter begegneten der Gruppe.
Damit kamen auch keine Zweifel daran auf, was Eick, Lang und auch Bürgermeister Dr. Alexander Eger und Kämmerer Harry Zorn betonten: Finanzielle Interessen stehen bei der Waldnutzung nicht im Vordergrund, im Gegenteil, der Gemeinderat stimmte in der Vergangenheit regelmäßig dem Ausgleich des Defizits zu, das durch Schutz-, Pflege- und Aufforstungsmaßnahmen entstand.
Die Tradition einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung geht in St. Leon und Rot übrigens weit zurück, wie Sebastian Eick recherchiert hat: Aus dem Jahr 1837 stammt die erste Urkunde einer Forsteinrichtung, "das ist ein uraltes Instrument", das es weltweit auch nur in Deutschland gebe.
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Zwar sei der St. Leon-Roter Gemeindewald mit gut 160 Hektar "überschaubar", so der Bürgermeister, doch stelle er einen "wesentlichen Teil des Gemeindelebens" dar. Angesichts der "hohen Erwartung der Bevölkerung" schütze die Gemeinde ihn natürlich gerne, etwa auch, indem sie das dortige Wegenetz instand halte und weitere Sitzgelegenheiten und Papierkörbe anbringe. Eger sprach kurz das laufende Kartell-Verfahren an, das zum Juli 2019 eine Trennung der Bewirtschaftung von Staats- und Gemeindewald (die hier zusammen 650 Hektar ausmachen) verlangt. Auch St. Leon-Rot müsse reagieren und sich wahrscheinlich mit anderen Kommunen zusammenschließen.
Schließlich ist auch künftig einiges zu tun. So machte Sebastian Eick deutlich, dass nicht jede Baumart mit Klimawandel und einhergehenden Hitze- und Trockenperioden zurechtkomme, zumal der sandige Boden in St. Leon-Rot wenig Wasser speichern könne. Die Kiefer beispielsweise leide hier besonders, so Eick: "Einen 60-prozentigen Nadelbaumanteil, wie in früheren Forsteinrichtungen beabsichtigt, halte ich nicht mehr für ein Ziel, das man heute noch verfolgen kann."
Letztlich bestimme da die Gemeinde, so Eick. Der Forst könne in bestimmten Grenzen reagieren, aktuelle Forschungen beschäftigten sich unter anderem mit Zedern, Zypressen und anderen Baumarten aus dem Mittelmeerraum, die besser mit Trockenstress zurechtkommen. Bereits hier vorkommende Bäume wie Buche, Eiche und Roteiche, aber auch Douglasie, könnten für die Zukunft gewappnet sein, ebenso Eschen - wenn man den Pilz, der das Eschentriebsterben verursacht, in den Griff bekommt. "Wir wollen mit der Natur arbeiten", so Eick, "wir müssen aber auch Arten wählen, die selber nie hier vorkämen." Man brauche "eine breite Palette klimastabiler Bäume". Damit würde der hiesige Wald aber sein Gesicht auf Dauer verändern.
Das tut er bereits, sehr zum Ärger nicht nur der Förster: Neophyten wie Kermesbeere und Spätblühende Traubenkirsche machen sich Robert Lang zufolge aggressiv breit, verdrängen heimische Arten, verhindern, dass die sich auf natürliche Art vermehren, und machen auch Tieren wie Wildschwein und Reh das Leben schwer, weil sie schwer verdaulich oder sogar giftig sind. Anstatt Teil einer vitalen Waldgesellschaft zu werden, sorgen sie für Einöden. Mit viel Personaleinsatz müssen die Eindringlinge also entfernt werden. Ehe die Auswirkungen durch überhandnehmende Vorkommen von Mai-, Borken-, Eichenprachtkäfer und anderen Schädlingen zu groß werden, sind laut dem Förster ebenfalls aufwendige Maßnahmen nötig.
Wie auf Lichtungen oder etwa nach Sturmschäden neuer Wald entstehen kann, zeigte Lang anhand einer Aufforstungsfläche, auf der der Mensch neue Arten pflanzt, und einem Areal, auf dem er die "Naturverjüngung" erleichtert, wenn die Saat von Buche und Co. von selbst aufgeht. Die neuen Kandidaten für den künftigen "Waldbau" müssten gut überlegt werden, so Lang: "Wir wollen einen Wald formen, der lange erhalten bleibt. Einen Erholungswald, der gesund, vielfältig und qualitativ gut ist."
Ein Alt- und Totholzkonzept legt Robert Lang der Gemeinde zudem ans Herz: Er hat verschiedene "Habitatbäume" im Auge, die verschiedenen Vogel-, Fledermaus und Insektenarten eine Heimat bieten können, obwohl sie nicht mehr so vital wie in jungen Jahren oder auch beschädigt sind. Wenn man ganz abgestorbene Bäume im Wald lasse, könnten sie ebenfalls vielen Arten als Nahrung oder Unterschlupf dienen.



