St. Leon-Rot: "Der Wald löst sich hier sukzessive auf"

Zwar im Großen und Ganzen intakt und enorm artenreich, stehen St. Leon-Rots Wälder derzeit unter großem Stress

29.10.2015 UPDATE: 30.10.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden

Revierförster Robert Lang und sein Team bekämpfen hier invasive Pflanzenarten wie die Kermesbeere. Foto: Lerche

St. Leon-Rot. (seb) Wetterextreme, Schadinsekten und invasive Pflanzenarten: St. Leon-Rots Wald sieht sich vielfältigen Stressfaktoren ausgesetzt. Der Schutz des Waldes wird im kommenden Jahr enorm aufwendig. Und so hat Revierförster Robert Lang in der jüngsten Gemeinderatssitzung erstmals ein Defizit im Waldbewirtschaftungsplan vermelden müssen. Mit 35 000 Euro fällt es auch vergleichsweise hoch aus, die gesamten Ernteerträge (28 000 Euro) können die Kosten für Waldschutz und neue Kulturen nicht decken. 2016 sollen auch nur 660 Festmeter Holz entnommen werden, "keine lebenden Bäume, nur abgestorbene". Einhellig stimmte der Rat dem Plan zu und betonte, dass der Schutz des Waldes und seine Erholungsfunktion für die Bürger Vorrang haben.

Robert Lang zählte im Gemeinderat die aktuellen Entwicklungen in der Natur auf, die jetzt entschiedene Reaktionen verlangen: der trockene, heiße Sommer und starke Populationen von Borkenkäfer und Maikäfer-Engerlingen im dritten Entwicklungsstadium (sodass 2016 mit dem Massen-Ausschwärmen zu rechnen ist); außerdem die Konkurrenz sich aggressiv vermehrender eingeschleppter Arten, sogenannter "Neophyten", insbesondere Kermesbeere und Spätblühende Traubenkirsche. "Das alles hat dem Wald massiv zugesetzt."

Bei einer Waldbegehung mit der RNZ in Rot machte Robert Lang die Probleme anschaulich. Auf einer Lichtung waren seine Mitarbeiter - fünf Schüler und Studenten unterstützen ihn aktuell regelmäßig - dabei, einen Bestand Kermesbeeren zu entfernen. Eigentlich sollten hier anstatt einer Lichtung Jungbäume dicht an dicht stehen. Aber der Neophyt gibt Botenstoffe ab, die das Wachstum anderer Pflanzen unterdrücken. Das Problem sind darüber hinaus die mit zirka 40 000 enorme Zahl an Samen, die jeweils ein Gewächs bildet, und die großen Wurzelrüben, aus denen neue Triebe sprießen, selbst wenn die Mutterpflanze gekappt wurde. An der Kermesbeeren-"Invasion" sei der Mensch selbst schuld, so Robert Lang: Ursprünglich wurde sie als schöne Gartenpflanze angesehen.

"Hektarweise" haben die Waldarbeiter schon Kermesbeeren ausgegraben. "In diesem Jahr ist die Größe der befallenen Flächen im gesamten Wald auf St. Leon-Roter Gemarkung von drei auf 15 Hektar angewachsen", so Robert Lang. "Das ist zehn Prozent der Waldfläche." Wenn der Oberboden mit Hacken umgegraben wird, hat das den zusätzlichen Vorteil, dass nährstoffreicheres Substrat an die Oberfläche gefördert wird, was das Nachkeimen der Bäume erleichtert. Buchen, Eichen, Kiefern oder andere heimische Bäume sollen hier aussamen. Förster Lang legt Wert auf Vielfalt: "Dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Art durchsetzt."

Auch die Spätblühende Traubenkirsche oder "Black Cherry" hat der Mensch hergeholt. Was in den USA an stattlichen Bäumen heranwächst, liefert eins der begehrtesten Hölzer der Welt, insofern lag das nahe. In jungen Jahren vermehrt sich die "Black Cherry" hierzulande auch schnell und verdrängt heimische Arten. Längerfristig kann sie bei uns aber nicht bestehen, Pilze befallen die Bäumchen und sie verkümmern - aber der Schaden ist schon angerichtet.

Nur wenige Schritte vom Kermesbeeren-Bestand mehren sich die Anzeichen auf Borkenkäfer: Die Rinde mehrerer Kiefern ist stark beschädigt, größere Bereiche sind abgeplatzt, selbst das "Kambium", die lebendige Schicht darunter, ist verschwunden. Davon wird sich der Baum kaum erholen können, selbst wenn die Krone noch vital wirkt. "Der Wald löst sich hier sukzessive auf", so Robert Lang. Denn wenn der Käfer den Altbestand lichtet und eigentlich Jungbäume nachwachsen könnten, machen sich die "Neophyten" breit.

An einer abgestorbenen jungen Buche macht Robert Lang deutlich, was die Maikäfer-Engerlinge anrichten: "Alle Feinwurzeln sind abgefressen." Damit hat der Jungbaum keine Chance. Damit werden auch die Engerlinge zur Bedrohung für die "Naturverjüngung" des Waldes, also die von den Forstarbeitern geförderte, selbstständige Vermehrung der heimischen Baumarten. Und ausgerechnet an die invasiven Arten gehen die Insekten nicht: Weder Kermesbeere noch Spätblühende Traubenkirsche werden von hier vorkommenden Tieren gefressen, keine der hiesigen Pflanzenarten kann sie verdrängen.

Die "chemische Keule" will der Waldbesitzer, in diesem Fall die Gemeinde St. Leon-Rot, nicht auspacken, man legt wert auf eine nachhaltige, naturnahe Waldpflege. Gegen "Waldgärtner" und dessen Artgenossen gibt es Lang zufolge derzeit auch keine schonenden Bekämpfungsmittel wie Lockstoffe. Befallene Bäume müssen also gefällt und entnommen werden.

Förster Lang setzt sich bereits seit gut zehn Jahren intensiv ein, um St. Leon-Rots Wälder in dieser Vielfalt, mit diesem Artenreichtum, zu erhalten. Langfristig aber könnte der Klimawandel das Gesicht des Waldes in der gesamten Rheinebene grundlegend verändern. Alle Gedanken des Försters drehen sich also um die Frage "Wie schaffen wir es, den Wald für die nächsten Generationen zu bewahren? Das ist nämlich unser Job."

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