"Barrierefreies Bauen muss Standard werden"
Runder Tisch will mehr Lebensqualität für Menschen mit Handicap schaffen - Keine Zahlen vorhanden

Ein Rollstuhl steht unter einer Treppe. Foto: Burgi/dpa
Von Stefan Kern
Schwetzingen. Im vergangenen Jahr beschäftigte sich der Runde Tisch "Inklusives Schwetzingen" mit dem Thema "Barrierefreie Stadtfeste". Vom Spargelfest über den Schwetzinger Herbst bis zum Weihnachtsmarkt war die Perspektive von Menschen mit Handicap auf die Stadtfeste zentraler Ausgangspunkt für Veränderungen. Im laufenden Jahr verschiebt sich der Fokus auf das Bauen: "Barrierefreies Bauen muss zum Standard werden", waren sich die beiden Moderatoren des Runden Tisches, Gerhard Rummel und Patrick Alberti, kommunaler Behindertenbeauftragter des Rhein-Neckar-Kreises, in der Volkshochschule einig.
Zunächst standen die Ergebnisse des vergangenen Jahres auf der Tagesordnung. Die positive Einschätzung der Geschäftsführerin des Stadtmarketings, Anne-Marie Ludwig, und der Leiterin der Touristeninformation, Christiane Drechsler, wurde allgemein geteilt. Gebärdendolmetscher, absenkbare Stehtische, Kabelbrücken und die Umstellung der Bühne auf dem Weihnachtsmarkt - viele Verbesserungen seien erreicht worden. Ludwig und Drechsler betonten, dass nicht nur Menschen mit Handicap von diesen Verbesserungen profitierten. Am Ende stellten die Maßnahmen mehr Aufenthalts- und Lebensqualität für alle sicher.
"Genauso verhält es sich beim barrierefreien Bauen": Der Soziologe Alberti machte eine einfache Rechnung auf: "Für zehn Prozent der Betroffenen ist barrierefreies Bauen unentbehrlich, für 40 Prozent ist es notwendig und für 100 Prozent ist es komfortabel." Deutschlandweit schätzt eine "Prognos-Studie" von 2013 den Bedarf an barrierefreien Wohneinheiten auf 2,7 Millionen. Dem stand damals ein Bestand von rund 700.000 barrierefreien Wohnungen gegenüber. Bis 2030 schätzt das Institut den Bedarf auf rund 3,6 Millionen solcher Wohnungen. "Die Zeit drängt, wenn verhindert werden soll, dass das Leben im Zuge des demografischen Wandels für viele Menschen zum Hindernislauf wird", mahnte Alberti.
Doch wie soll man planen, wenn es keine genauen Daten gibt? Das Problem war jüngst sogar im Landtag ein Thema, und es erschwert jedem Bauplaner die Arbeit: "Weder für Baden-Württemberg, noch für den Rhein-Neckar-Kreis gibt es definitive Zahlen", sagte Alberti.
Auch interessant
Man wisse lediglich, dass 68.000 Menschen im Kreis einen Behinderungsgrad (GdB) von mehr als 50 haben. Für Schwetzingen liegen der RNZ deshalb keine genauen Zahlen über Betroffene vor. Es bleibt einzig die bundesweite Schätzung der "Prognos-Studie". Zumindest mit einem Vorurteil räumte der Behindertenbeauftragte auf, nämlich dass barrierefreies Bauen teurer als konventionelles sei. "Barrierefreiheit macht nur gut ein Prozent der Gesamtbaukosten aus." Das Problem sei nicht das Geld, sondern das Bewusstsein und die Planung. Für Alberti und Rummel ging es letztlich auch um eine gesellschaftliche Grundsatzfrage: "Jeder wird im Alter spüren, dass nicht mehr alles geht". Einfache Stufen könnten zu erheblichen bis unüberwindbaren Hindernissen werden.
In der Folge erläuterte Alberti das Wort Inklusion als Begriff der politischen Theorie, der sich nicht nur auf Menschen mit Behinderung beziehe. "Inklusion heißt einfach eine Gesellschaft für alle Menschen." Die Mitglieder des Runden Tisches waren sich einig: Das beginnt mit barrierefreiem Bauen, da an der Wohnsituation entscheidende Aspekte der gesellschaftlichen Teilhabe hängen. Dieses Denken werde für Planer und Entscheider künftig immer wichtiger. "Der Wandel muss kommen, und zwar jetzt."
Info: Der nächste Runde Tisch "Inklusives Schwetzingen" ist für Mittwoch, 20. März, 17 bis 18.30 Uhr, in der VHS geplant.



