Nach über 80 Jahren ist Schluss
"Bachmann und Götzinger" versorgte die Gemeinde mit allem Lebenswichtigen - "Amazon" war man um Jahre voraus

In diesem markanten Gebäude, das 1964 neu errichtet wurde, bot das Kaufhaus Bachmann und Götzinger seit jeher Lebensmittel sowie ein umfangreiches "Non-Food-Sortiment". Foto: privat
Von Uwe Köbler
Limbach. Wenn man sich in Limbach in der Ortsmitte verabredet, dann trifft man sich "vorm Götzinger". Jung und Alt in Limbach und Umgebung ist "de Götzinger" ein Begriff. Ein Begriff deshalb, weil es sich um das große Kaufhaus im Ortszentrum Limbachs handelt. Eigentlich heißt das Ganze ja "Bachmann und Götzinger", ein Name, der auch noch heute auf der Fassade des markanten Gebäudes prangt. Wie lange die Glastüren darunter allerdings noch von Kunden jeden Alters passiert werden, ist (leider) klar - denn Bachmann und Götzinger schließt zum Jahresende.
Ein Kaufhaus, das seit 1937 dafür gesorgt hat, dass die Bevölkerung Limbachs mit Lebensmitteln und einem "Non-Food-Sortiment" versorgt war. Und das war umfangreich, wie sich aus einer Gewerbeanmeldung ersehen lässt. Als Gewerbezweck war da vermerkt: Einzelhandel mit Textilien, Weiss- und Wollwaren, Schuh- und Eisenwaren, Hausrat, Pyrotechnik, Lebensmittel, Drogerie- und Feinkostwaren und und und. In Klammer war der Zusatz "kleines Kaufhaus" zu lesen, ein "kleines Kaufhaus" war der Ur-Limbacher Betrieb aber beileibe nicht.
Für viele Generationen war "de Götzinger" das Kaufhaus, in dem man einfach alles bekam. Für die Jugend verständlich erklärt, könnte man sagen, dass das Sortiment - zuletzt über 30 Jahre lang von Willi Götzinger ausgesucht - das "Amazon" früherer Jahre war. Allerdings ohne Bestellung und Paketversand. So erklärt Elke Götzinger-Johmann, die jetzt zusammen mit ihren Geschwistern Annette, Jörg und Patrick den Ausverkauf mit Nachlässen bis zu 75 Prozent abwickelt, dass es im Laden des Vaters alles gab, kurz gesagt "vom Tampon bis zum Rasenmäher". Und das ist wahr, denn wer neben der üblichen Discount-Produktpalette Außergewöhnliches suchte, ein ganz besonderes Ersatzteil benötigte, oder etwas brauchte, was eigentlich schon nicht mehr im Handel war, der lag bei Götzinger richtig.
Auch Saisonwaren gab’s ganzjährig und wenn etwas nicht mehr in den zwei Etagen des Ladens oder im Keller vorrätig war, dann machte sich der "Chef" höchstpersönlich auf den Weg in die Lagerräume, wo die Utensilien für Haus, Garten oder Winterdienst zu finden waren, die etwas mehr Platz benötigten. Ein "das hab ich leider nicht" hörte man selten, Willi Götzinger, der seit 1984 nahezu täglich in seinem Laden stand, fand immer das Richtige. Er stellte so viele Kunden zufrieden "und letztlich auch ein Stück weit sich selbst", wie die Kinder, die allesamt anderen Berufen nachgehen bzw. außerhalb des Odenwaldes ihren Lebensmittelpunkt haben, wissen.
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Zum Selbstverständnis des Kaufmannes gehörte auch, dass er immer wieder Lehrlinge ausbildete und sie in die Geheimnisse des Einzelhandels einführte. Man fand im Ladengeschäft also immer einen Ansprechpartner, zumal ja auch Willi Götzingers Ehefrau Irene, bis zu ihrem Tod vor einem Jahr das Rückgrat der Familie, tatkräftig mitarbeitete.

Willi Götzinger jun. ist Kaufmann mit Leib und Seele, war stets für die Kunden da. Foto: privat
Willi Götzinger jun., der kürzlich seinen 80. Geburtstag feierte und sein Handwerk im elterlichen Betrieb und als Volontär in Freiburg erlernt hat, ist Kaufmann mit Leib und Seele. Kein Wunder, denn die Familiengeschichte weist schon vor nahezu 200 Jahren einen Urahnen mit dem Namen Peter Lang als "Handelsmann" aus. Er führte neben der Landwirtschaft noch ein Ladengeschäft. Das Kuriose in der Familiengeschichte der Langs, Zimmermanns, Bachmanns und Götzingers: Bis ins Jahr 1984 wurden Haus und Anwesen immer an Töchter weiter gegeben. Willi Götzinger war der erste männliche Erbfolger.
Zum Zusammenschluss der Namen Bachmann und Götzinger kam es übrigens 1938, als Emma Bachmann den Kaufmann Willi Götzinger heiratete. Beide wagten 1964 einen großen Schritt, rissen die bisherigen Gebäude, darunter auch das zugekaufte Gasthaus "Ross", ab und bauten das heute noch für Limbach so markante Kaufhaus mit den vielen Fenstern. Auf alten Postkarten ist es sogar als Sehenswürdigkeit Limbachs abgebildet.
Was aus der Immobilie wird, ist noch unklar. Klar ist aber, dass mit dem Ausverkauf ein Stück Limbacher Geschichte zu Ende geht. Aufzuhalten, so die Meinung der Kinder, war das Ende letztlich nicht mehr. Der Internethandel koste den Einzelhandel zu viele Kunden, Willi Götzinger selbst kann den Laden gesundheitsbedingt nicht mehr führen. So bleibt für viele nur, noch einmal durch die Gänge im Laden zu gehen, bis zum Jahresende noch ein letztes Schnäppchen zu ergattern und sich mit Wehmut an die Geschichtchen rund um das große Limbacher Traditionskaufhaus zu erinnern.