Wohnprojekt Hagebutze ist in der Südstadt angekommen
Das Wohnprojekt "Hagebutze" im Mark-Twain-Village feierte offiziell Einweihung – "Hier entsteht das, was wir Gemeinschaft nennen"

Lisa Lephold (links) und Florian Lephold (Mitte) wohnen gemeinsam mit ihren drei Töchtern in der "Hagebutze". Als sie einzogen, gab es weder Heizung noch Warmwasser. Heute, eineinhalb Jahre später, fühlt sich die Familie pudelwohl. Foto: Rothe
Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Mehr als sechs Jahre haben sie gesucht, gekämpft, geplant und gewerkelt - jetzt feierten die Bewohner der "Hagebutze" offiziell Einweihung. 70 Menschen, vom Kleinkind bis zum Senior, vom Handwerker bis zur Ärztin, haben im Mark-Twain-Village drei Wohnhälften bezogen - und leben hier ab sofort in solidarischer Gemeinschaft zusammen.
"Wir können es noch gar nicht richtig glauben, aber jetzt ist die Hagebutze endlich voll", freut sich Florian Lephold. Der 34-Jährige wohnt bereits seit Februar auf dem ehemaligen US-Kasernengelände - und war gemeinsam mit seinen drei Töchtern und Ehefrau Lisa einer der ersten, die sich im Mark-Twain-Village einquartierten. "Als wir hier eingezogen sind, waren wir noch recht alleine. Es gab keine Heizung und kein Warmwasser. Heute haben wir eine schöne Wohnung mit vielen tollen Nachbarn", sagt Lisa Lephold. Es ist das Konzept des gemeinschaftlichen, solidarischen Wohnens, weswegen sie sich schon früh für die Hagebutze interessierte. Auch ihren Kindern zuliebe. "Ich wollte nicht, dass meine Töchter nur mit den klassischen Lebensentwürfen groß werden, sondern lernen, dass es auch alternative Möglichkeiten und Formen gibt."
Hintergrund
Die Geschichte der "Hagebutze" beginnt im Frühjahr 2012, als sich einige Interessierte zusammenfinden, um künftig gemeinsam zu wohnen. Wenige Wochen später gründen sie den Hausverein "Gemeinsam Wohnen" und kontaktieren das Mietshäuser-Syndikat, einen deutschlandweiten Verbund
Die Geschichte der "Hagebutze" beginnt im Frühjahr 2012, als sich einige Interessierte zusammenfinden, um künftig gemeinsam zu wohnen. Wenige Wochen später gründen sie den Hausverein "Gemeinsam Wohnen" und kontaktieren das Mietshäuser-Syndikat, einen deutschlandweiten Verbund von 113 Wohnprojekten und 20 Projektinitiativen. Zwei Monate später folgt die Gründung der "HageButze GmbH". Weil die Stadt die ursprünglich vorgesehene Fläche für das Wohnprojekt in Kirchheim anderweitig vergibt, erstellen die Mitglieder der "Hagebutze" im Herbst 2013 erstmalig ein Nutzungskonzept für ein Gebäude in Mark-Twain-Village. Im Dezember 2014 kommt die Zusage der Stadt, im Juni 2016 wird der Kaufvertrag unterzeichnet. Noch im gleichen Monat starten die Sanierungsarbeiten.
Heute bewohnen rund 70 Menschen zwischen null und 68 Jahren 24 Mietwohnungen in eineinhalb Haushälften. Die Wohnungen umfassen bis zu acht Zimmer. Jeder Person stehen durchschnittlich 31 Quadratmeter zur Verfügung, hinzu kommt eine Gemeinschaftsfläche von 257 Quadratmetern.
Finanziert wird das Wohnprojekt durch ein Syndikatsmodell, vor allem über sogenannte Nachrangdarlehen. Mehr als 130 Menschen haben der "Hagebutze" auf diesem Weg rund 1,1 Million Euro geliehen. (pne)
Aber nicht nur bei den Lebensentwürfen, auch sonst ist in der "Butze" alles ein bisschen anders. Irgendwie hat das Ganze etwas von einer großen Villa Kunterbunt: In der Hagebutze machen sie sich die Welt, wie sie ihnen gefällt. Im Keller haben sie sich einen Kunstraum eingerichtet, einen Sportraum, Werkstattraum und einen "Freiraum für Kultur, Politik und Nachbarschaftsbegegnung". Einmal in der Woche treffen sie sich im Plenum, um über Fragen zu entscheiden, die alle Bewohner betreffen - egal, ob es dabei um eine neue Kinderschaukel im Garten oder um gemeinsame Feste geht.
Anders sind in der Hagebutze auch die Mietpreise. Weniger als sechs Euro kalt zahlen sie hier pro Quadratmeter. "Mit bescheidenen Mitteln und großer Fantasie haben wir hier günstigen Wohnraum geschaffen", zeigte sich Architekt Johannes Gerstner stolz. Die Hagebutze sei gleichzeitig ein gelungenes Beispiel dafür, wie bunt gemischtes Wohnen in der Stadt funktionieren könne. "Jung, Alt, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, mit und ohne Handicap - hier wurde ein Beispiel für gelungene Integration gesetzt", so Gerstner. Auch Hagebutze-Bewohnerin Mareike Janßen findet: "Es sind die Menschen, die unser Projekt ausmachen. Denn wir stehen für eine lebendige, offene Nachbarschaft, unterstützen uns im Alltag."
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Für ihr Konzept ernteten die Bewohner auch von Oberbürgermeister Eckart Würzner Lob: "Hier entsteht das, was wir Gemeinschaft nennen." Im Gegensatz zu vielen anderen Projekten habe sich die Energie, die hier hineingesteckt wurde, ausgezahlt. Wohnformen wie die Hagebutze seien zudem wichtig für die Stabilität von Städten, meinte Würzner - und forderte: "Wir brauchen mehr davon!"



