Heiligkreuzsteinach

Der Steinkrebs kämpft ums Überleben

200 Tiere leben zurzeit noch im Heubach – Dieser gilt als letzter Rückzugsort in der Region – Schuld sind Signalkrebs und Mensch

28.09.2018 UPDATE: 29.09.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden

Früher war der Steinkrebs im Land weit verbreitet. Heute gilt er als stark gefährdet, vor allem wegen der von eingeführten Signalkrebsen übertragenen Krebspest. Foto: Frank Rumpenhorst

Von Benjamin Miltner

Heiligkreuzsteinach. Der Heubach ist nicht mehr als ein Rinnsal. Gerade einmal 1,6 Kilometer lang, keinen Meter breit. Und doch trägt das kleine Gewässer im Steinachtal die Hoffnung einer ganzen Tierart auf ihr Überleben in der Region rund um Heidelberg. Denn im Heubach gibt es zurzeit noch 200 Steinkrebse. Die wohl allerletzten Exemplare, nicht nur im Steinachtal, sondern im ganzen Rhein-Neckar-Kreis. "Wir liegen hier an der Untergrenze zu einem kleinen Bestand", sagt Geertje Binder. Sie ist im Regierungspräsidium in Karlsruhe im Referat für Naturschutz und Landschaftspflege tätig und erklärt: "50 Tiere sind das Minimum, damit die Population existieren kann."

Diese Sperre soll die Ausbreitung des Signalkrebses am Heubach stoppen. Foto: privat

Damit nicht auch noch diese Zahl unterschritten wird, wurde nun im Heubach eine zweite Krebssperre errichtet. Ja richtig gelesen, eine Krebssperre - klingt komisch, ist aber so. Denn damit der Steinkrebs eine Chance zum Überleben haben soll, darf ihm auf keinen Fall ein anderer Krebs zu nahe kommen: der nordamerikanische Signalkrebs. Er verdrängt heimische Krebsarten und überträgt eine für heimische Flusskrebse tödliche Krankheit - die Krebspest.

Hintergrund

> Der Steinkrebs gehört zu den kleinsten Flusskrebsarten Europas. Er war historisch in Baden-Württemberg nahezu flächendeckend vertreten, steht aber mittlerweile auf der roten Liste des Landes und der EU für stark gefährdete Tiere. Eine der wichtigsten

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> Der Steinkrebs gehört zu den kleinsten Flusskrebsarten Europas. Er war historisch in Baden-Württemberg nahezu flächendeckend vertreten, steht aber mittlerweile auf der roten Liste des Landes und der EU für stark gefährdete Tiere. Eine der wichtigsten Gründe für den Rückgang der Population liegt in der Verbreitung des Signalkrebses. Er kommt ursprünglich aus Nordamerika, wurde um 1960 in Europa eingeführt, gilt als wesentlich konkurrenzstärker als heimische Arten und überträgt die Krebspest. Die Signalkrebse selbst sind gegen diese Pilzerkrankung immun - für die heimischen Steinkrebse ist eine Infektion dagegen der sicherere Tod.

> Das "Modellprojekt Krebssperren" zum Schutz von Dohlenkrebs- und Steinkrebsbeständen der Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg will diese Entwicklung stoppen. Das einzige derzeit bekannte Schutzmittel gegen den Signalkrebs ist, ihn auszusperren. Deswegen wurden seit dem Jahr 2014 30 Bäche untersucht und in neun Gewässern zehn Krebssperren errichtet. In den Regierungsgebieten Karlsruhe und Freiburg konnten gerade einmal an vier Stellen noch Vorkommen von Steinkrebsen nachgewiesen werden: in Oos und Murg bei Baden-Baden, im Nüstenbach bei Mosbach und im Heubach bei Heiligkreuzsteinach.

> Das Steinachtal ist dabei der letzte Rückzugsort im Rhein-Neckar-Kreis. Hier leben noch etwa 200 Steinkrebse im Heubach. In der Steinach selbst wurde die heimische Flusskrebsart zuletzt 1997, in ihren Zuflüssen Eiterbach und Lenzbach 2011 nachgewiesen. Im Eiterbach wurden ebenfalls 2011 und 2014 Vorkommen von Signalkrebsen festgestellt. Um die kleine Population im Heubach zu schützen, wurden zwei Krebssperren errichtet. Weitere sind für die Steinach ebenso vorgesehen wie weiter bachaufwärts die Suche nach Steinkrebsen an den Zuflüssen Schafbach und Greinerbach in Schönau. bmi

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Signalkrebs und Krebspest haben längst auch die Steinach und ihre Zuflüsse erreicht und damit dort den zuvor schon gefährdeten Steinkrebs ausgerottet - zumindest fast. Nur im Heubach eben noch nicht. Der bietet als naturbelassenes Gewässer kühles Wasser, drumherum Wiesen, Steine und Totholz für mögliche Krebshöhlen. Mit anderen Worten: ein Königreich für einen Steinkrebs.

Der Heubach ist daher Teil des "Modellprojekts Krebssperren" der Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg. Es wurde 2014 initiiert, ein Jahr später fanden in Heiligkreuzsteinach Voruntersuchungen statt und 2016 wurde eine erste Krebssperre errichtet.

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Ein Rohr an der Grillhütte kurz vor der Einmündung in die Steinach erhielt eine Blechverkleidung - sozusagen eine Verlängerung aus Edelstahl. "Signalkrebse können auf glatten Flächen nicht wandern und rutschen so ab", erklärt Geertje Binder die Vorrichtung. "So konnten wir mit geringem Aufwand ganz schnell Wirkung erzielen." Die Absturzhöhe des Wassers von 40 Zentimetern tut ihr übriges. "Im Normalfall wollen wir solche unnatürlichen Stellen renaturieren - hier verstärken wir sie ausnahmsweise", erklärt Binder.

Die Sperre scheint zu wirken. Oberhalb sind auch bei der letzten Untersuchung im April weiter Steinkrebse gesichtet worden - und keine Spuren von Signalkrebsen. Die können aber sehr gut klettern. "Der Signalkrebs ist ein bisschen ein Opportunist", sagt Binder. Heißt: Wenn ihm ein Hindernis im Weg steht, müht er sich erst einmal nicht, dieses zu überwinden. Wird der Populationsdruck aber zu groß, sein Lebensraum zu eng, dann scheut er auch den Landweg nicht, um Sperren zu umwandern.

Daher wurde im Sommer nun 50 Meter unterhalb der ersten eine weitere Sperre an einer Bachtreppe installiert. Eine mehrere Meter lange Metallkonstruktion soll hier verhindern, dass der Signalkrebs über Land in höhere Bereiche des Heubachs einwandert. "Eine kleine, tolle Aktion mit weitreichenden Folgen", lobt Sieglinde Pfahl. Die Bürgermeisterin ist Fan des für sie einzigartigen Projekts. "Vielfalt in der Natur ist wichtig. Uns ist es nicht egal, wenn eine Pflanzenart alles überwuchert oder wie in diesem Fall eine Tierart ausstirbt."

Die Gemeinde steht auch mit in der Verantwortung. Sie ist ab sofort für die Wartung der beiden Sperren verantwortlich. Dreimal jährlich werden die Bachstellen nun großräumig von Algen, Moosen und Sträuchern befreit, um etwaige Kletterpartien der Signalkrebse zu unterbinden. So soll die Population der Steinkrebse erhalten und möglichst wieder ausgebaut werden.

"Wenn wir das am Heubach schaffen, dann sehe ich die Chance, den Steinkrebs auch wieder in andere Gewässer anzusiedeln", glaubt Pfahl, dass die Tierart im gesamten Flusssystem der Steinach wieder Fuß fassen könnte. Laut Geertje Binder sind weitere Krebssperren und mittelfristig auch Umsiedlungen von Steinkrebsen angedacht. So soll zumindest in den oberen Zuläufen der Steinach der Steinkrebs wieder einen Lebensraum finden.

Neben den Signalkrebsen gibt es aber in der Steinach auch noch ein zweites Problem: verschmutztes Wasser. So ist im Abschlussbericht des Regierungspräsidiums zu den Krebssperren von "eine unnatürlichen Schaumbildung" und "typischen Kläranlagengeruch" die Rede. Der Steinkrebs reagiert sehr empfindlich auf Umweltveränderungen und Schadstoffe. Es sei daher denkbar, dass auch Defizite bei der Wasserqualität für das Verschwinden der Art aus der Steinach ursächlich sind. Der größte Feind des Steinkrebs ist also immer noch der Mensch.

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