Bei "Rettungsanker" schuften Deutsche und Spanier zusammen
Interkulturelles Projekt in Mark-Twain-Village: Die Projektteilnehmer entstammen allesamt schwierigen Verhältnissen

Beim Projekt "Rettungsanker" gestalten 30 Jugendliche aus Spanien und dem Raum Heidelberg gemeinsam mit der Werkstattschule die Außenanlage des Wohnprojektes "Hagebutze" im Mark Twain Village (MTV). Foto: Philipp Rothe
Von Sara Wess
Heidelberg. Ein letztes Mal bilden sie einen Kreis im Innenhof des Wohnprojekts "Hagebutze", dann heißt es Abschied nehmen. Zwei Wochen lang haben die 35 deutschen und spanischen Jugendlichen im Mark Twain Village geschuftet, mit einem Ergebnis, das sich sehen lassen kann. "Wir haben nicht nur diese Bühne gebaut, sondern auch einen Sandkasten angelegt und einen Weg gepflastert", sagt Paul Hessentaler und zeigt auf die fertigen Bauten.
Der 32-Jährige ist Projektleiter der Heidelberger Werkstattschule und einer der Leiter des interkulturellen Jugendprojekts "Rettungsanker". "Im letzten Jahr waren wir mit 15 Jugendlichen in Spanien und haben dort die Dachterrasse eines Kinderheims neu gestaltet", erzählt Hessentaler. "Das hier war jetzt quasi der Gegenbesuch." Für den Verein, der sonst überwiegend berufsorientierende Bauprojekte in Schulen durchführt, war dies das erste Auslandsprojekt, finanziert über Mittel des Europäischen Sozialfonds sowie verschiedene Stiftungen.
Die Projektteilnehmer beider Länder im Alter von 16 bis 27 Jahren entstammen allesamt schwierigen Verhältnissen. "Während die spanischen Jugendlichen meist in Kinderheimen und Wohngruppen leben, kommen die Deutschen über die Jugendagentur oder die Jugendgerichtshilfe zu uns", so Hessentaler. Im Rahmen des Projekts können so auch auferlegte Sozialstunden abgebaut werden. "Für manche ist es schwer bis unmöglich, in klassischen Einrichtungen wie Schwimmbädern oder Tierheimen unterzukommen. Diesen Jugendlichen bietet unser Projekt die Möglichkeit, ihre Stunden in einem pädagogischen Rahmen abzuleisten." Adam Bartwicki, ebenfalls Projektleiter der Werkstattschule, ergänzt: "Wir glauben, dass die Jugendlichen mehr mitnehmen, wenn sie eine sinnvolle Arbeit verrichten."
Bei der Planung werde deshalb besonders darauf geachtet, dass die fertigen Bauten einen Mehrwert böten. "Das ist wichtig für die Motivation der Jugendlichen. Außerdem brauchen wir einen geschützten Raum, um zu arbeiten. Nicht nur, weil wir schweres Gerät bewegen, sondern auch, um Emotionen abladen zu können", betont der 32-jährige Sozialarbeiter. Viele der Heranwachsende seien das Arbeiten in einer Gruppe nicht gewöhnt. "Das Wichtigste ist, Vertrauen zu schaffen." Die Sprachbarriere stelle hierbei sowohl die größte Herausforderung als auch eine Chance dar. "Unsere Ansprachen halten wir meist auf Spanisch, Englisch und Deutsch. Auch das ist für viele neu, einfach mal ruhig zu stehen und lange zuzuhören", weiß Bartwicki.
Die Kommunikation beim Bau erfolgt meist nonverbal. "Das funktioniert aber nur, weil sich die Aufgaben oft selbst erklären. Die Baumstämme dort hinten", zeigt Bartwicki zur Bühne, "wiegen beispielsweise fast 100 Kilo. Die kann ich einfach nicht alleine tragen." Er erhalte oft Rückmeldung von Projektteilnehmern, meist zum Abschied. "Wenn da dann Tränen fließen, ist das die beste Resonanz." Einer der Teilnehmer betonte, wie viel Spaß es ihm gemacht habe, "zusammen zu lachen, zu schwitzen und zu arbeiten".
Auch im nächsten Jahr soll das Projekt weitergehen. "Die Arbeit mit unserer Partnerorganisation Mundus hat super funktioniert, diese Strukturen wollen wir weiterhin nutzen", sagt Bartwicki. Nach der letzten Ansage löst sich der Kreis auf, die Jugendlichen verabschieden sich - und die Anwohner der "Hagebutze" sind um Sandkasten, Bühne und Gehweg reicher.



