Alternatives Wohnen im Heidelberger Mark Twain Village
Sechs Euro Kaltmiete, wie geht das denn? Andreas Gißler vom Wohnprojekt "Hagebutze" erklärt’s - Keine Rendite, clevere Lösungen

Andreas Gißler.
Foto: privat
Von Sebastian Riemer
Vor einem Jahr hat das Wohnprojekt "Hagebutze" seine anderthalb Häuser im Mark Twain Village in der Südstadt gekauft. Jetzt wird saniert, dann können bis zu 70 Menschen einziehen - und zwar als Mieter zum Schnäppchenpreis. Eigenes Kapital einzubringen, ist keine Voraussetzung. Im Gespräch erklärt Andreas Gißler von "Hagebutze", warum solche Wohnprojekte viel nachhaltiger sind als geförderter, sozialer Wohnungsbau.
GGH-Chef Peter Bresinski sagte letzte Woche im RNZ-Gespräch, die Baugruppen müssten am Markt dieselben Preise bezahlen - und seien daher nicht per se günstiger. Was sagen Sie dazu?
Per se nicht, de facto aber häufig schon.
Wie hoch ist die Miete bei Ihnen denn?
Unter sechs Euro pro Quadratmeter kalt. Aber auch unsere Nebenkosten sind mit 2,50 Euro günstig - und da ist alles mit drin: Strom, Wasser, Wärme, Internet. Dazu bekommt jeder Bewohner noch gratis 250 Quadratmeter gemeinschaftlich genutzte Flächen obendrauf. Damit sind wir deutlich günstiger als die von Herrn Bresinski als Untergrenze aufgerufenen mindestens zehn Euro kalt. Allerdings sind wir auch kein Neubau, sondern ein sanierter Altbau.
Wie erreichen Sie solche Mieten?
Bei unserem Finanzierungsmodell, dem Mietshäusersyndikat, ist keiner auf Gewinn aus - das Ziel ist es ja gerade, dauerhaft günstigen Wohnraum zu schaf-fen. Zudem nutzen wir die Synergien des Zusammenwohnens viel besser. Bei uns wird es nicht 24 Internetverträge geben, sondern wir leisten uns gemeinsam einen Glasfaseranschluss. Und zahlen dafür höchstens 200 Euro im Monat - geteilt durch 60 bis 70 Bewohner. Und schließlich haben wir - auch das im Gegensatz zur GGH - den Vorteil der Kleinheit: So können wir unbürokratisch und schnell clevere Lösungen umsetzen.
Was für Lösungen meinen Sie genau?
Ein Beispiel: Bei uns wurde für die Fernwärmeleitung gegraben. Und da haben wir in den letzten Wochen ganz kurzfristig noch ein Kabel für eine Elektrotankstelle dazugelegt. Kosten: 150 Euro. Müsste man dafür in zwei Jahren extra graben, würde das ein Vielfaches kosten. Und wir haben übrigens noch einen Vorteil: Wir machen bei der Sanierung viel selbst - und die Unternehmen, die wir beauftragen, finden unser Konzept so sympathisch, dass wir häufig gute Preise bekommen.
Sind Ihre Mieten nicht auch günstiger, weil Sie deutlich geringere Wohnstandards anlegen?
Würde ich so nicht sagen, wir wohnen schon sehr schön. Wir brauchen aber nicht immer den höchsten - oft unnötigen - Standard. Wir haben zum Beispiel die Fliesen in Bad und Küche drin gelassen. Das sind ganz normale, weiße Standardfliesen in guter Qualität.
Wie können Stadt, Land und Bund solche Bauprojekte stärker fördern?
Indem sie Grundstücke und Gebäude anbieten. Aber Bauprojekt ist nicht gleich Bauprojekt. Wir sehen Eigentumsmodelle kritisch, weil über die Zeit dann doch Leute ans Ruder kommen können, die Gewinn machen wollen. Das ist auch nicht weiter verwerflich, hilft aber eben nicht dauerhaft dabei, günstige Mieten zu schaffen.
Wie stehen Sie zur Forderung nach mehr Förderung für sozialen Wohnungsbau?
Natürlich hilft das. Aber ich muss schon sagen: Auch da sind wir im Vergleich besser, weil nachhaltiger. Die Preisbindung bei geförderten Wohnungen läuft irgendwann aus. Und dann passiert, was etwa in Freiburg auf einer Konversionsfläche passiert ist: Nach 15 Jahren steigen die Mieten rasant und Bewohner, die sich das nicht leisten können, werden vertrieben.
Es könne eben nicht jeder wohnen, wo er will, heißt es oft, wenn über Mieten diskutiert wird. Sehen Sie das auch so?
Jeder, der in Heidelberg lebt und arbeitet, hat das Recht, sich seinen Wohnort auszusuchen. Die Stadt sollte wohnungspolitisch alles tun, dass das möglich ist.



