Eberbach

Bäderexperte empfiehlt neues und kleineres Hallenbad

Auf nur noch vier Bahnen sollen vor allem Schulen und Vereine schwimmen - Saisonkarten in der Diskussion, Sauna vor dem Aus

24.07.2018 UPDATE: 25.07.2018 06:00 Uhr 3 Minuten, 31 Sekunden

Der Eingang zum Eberbacher Hallenbad in der Au. Foto: Martina Birkelbach

Von Christofer Menges

Eberbach. Fast 40 Folien warf Bäderexperte und Unternehmensberater Dietmar Altenburg am Montag vor mehr als hundert Leuten bei der städtischen Infoveranstaltung zur Zukunft des Hallenbads in der Stadthalle an die Wand. Am Schluss bekam der Bürgermeister angesichts der Zahlen "ein bisschen Schnappatmung". Egal wie: Der Erhalt des Hallenbads kommt Eberbach richtig teuer.

Altenburg, der nach eigenen Angaben im Jahr 40 bis 50 Städte zu ihren Bädern berät, stellte fast alles auf den Prüfstand: Abriss, Sanierung, Neubau, Personalkosten, Belegung, Besucherzahlen, Sauna, Eintrittspreise und die Saisonkarten.

Sein Fazit: Eberbach muss, wenn es in Zukunft noch ein Hallenbad haben will, Abstriche machen. Sein Vorschlag geht in Richtung eines neuen Bads vor allem für Schulen und Vereine mit dann nur noch vier statt fünf Bahnen.

"Machen Sie kein Wünsch-dir-was draus", sagt Bäderexperte Dietmar Altenburg von der gleichnamigen Unternehmensberatung aus Düsseldorf in der Stadthalle. Foto: Christofer Menges

Die Ausgangsbasis: Nur noch 30.000 Besucher kamen 2017 ins mehr als 40 Jahre alte Hallenbad. Davon waren nur 13.000 Schwimmer aus der allgemeinen Öffentlichkeit, also nicht aus Schulen oder Vereinen. Das sind zehn pro Öffnungsstunde. Der Branchensollwert liegt laut Altenburg bei 19 pro Stunde. Aber auch bei Schülern und Vereinsschwimmern liegt die Auslastung der Bahnen unter dem für Bäder üblichen Durchschnitt. Das Defizit von Hallen- und Freibad zusammen lag 2016 bei fast 850.000 Euro. Würde das Hallenbad unverändert weitergeführt, läge das Minus auf Grundlage angenommener Kostensteigerungen, so hat es Altenburg errechnet, 2021 schon bei 1,3 Millionen Euro.

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Vier Varianten für die Zukunft des Hallenbads stellte Altenburg am Montag vor, alle angelegt auf eine Nutzungsdauer von 20 Jahren: Abriss, Sanierung, Neubau eines vergleichbaren Bads und eine Variante, die er angesichts der Finanzlage der Stadt und der geringen Nutzung durch die Öffentlichkeit selbst ins Spiel gebracht hat: die des abgespeckten Bads vor allem für Schulen und Vereine.

Die ersatzlose Schließung des Hallenbads (Variante 1) schätzt Altenburg schon auf drei Millionen Euro. Der Abriss allein käme auf rund 750.000 Euro. Doch weil die Technik von Hallen- und Freibad zusammenhängt, müsste sie fürs Freibad erneuert werden. Kostenpunkt: geschätzt 1,8 Millionen. Außerdem müssen die Freibadumkleiden saniert und die Gastronomie, die derzeit im Hallenbad untergebracht ist, verlagert werden. Vorteil: Das jährliche Bäderdefizit sänke bis 2021 auf rund 650.000 Euro. Nachteil: Eberbach hätte kein Hallenbad mehr.

Von der Sanierung des bestehenden Hallenbads (Variante 2) rät Altenburg ab. Die Kostenermittlung des Ingenieurbüros Richter und Rausenberger von 2016 über 2,7 Millionen hält er für veraltet und auf Kante genäht. Wahrscheinlich seien inklusive eines Sicherheitspuffers eher sechs Millionen Euro. Er habe hunderte solcher Projekte gesehen, davon sei kein einziges günstiger geworden, aber fast alle richtig teuer. "Rechnen Sie es sich nicht schön", sagte Altenburg. Das jährliche Defizit der Bäder läge in der Folge bei 1,3 Millionen Euro.

Den Neubau eines vergleichbaren Hallenbads mit fünf Bahnen (Variante 3) taxiert der Bäderfachmann auf 7,8 Millionen Euro, das daraus resultierende jährliche Defizit auf wiederum fast 1,3 Millionen Euro. Machbar sei das - wenn es finanzierbar sei.

Den Neubau eines funktionalen Schul, Vereins- und Gruppenbads (Variante 4) mit vier Bahnen sieht Altenburg als günstigste Variante. Auf Grundlage von Erfahrungswerten geschätzte Neubaukosten: 6,8 Millionen Euro. Ein derartiges Bad sei im Betrieb günstiger, unter anderem weil Schulen und Vereine die Aufsicht selbst stellen und dadurch die Personalkosten geringer seien. Der Öffentlichkeit stehe das Bad immer noch zur Verfügung, allerdings nur noch zu noch eingeschränkteren Zeiten. Das jährliche Bäderdefizit läge bei etwas mehr als einer Million.

Der Anbau eines Multifunktionsbeckens mit zehn auf zehn Metern und 30 Grad Wassertemperatur sei zusätzlich möglich. "Jeder will das haben", sagt Altenburg, rät aber gleichfalls davon ab. Solch ein Becken bringe vielleicht 20.000 Besucher mehr im Jahr, koste aber bis zu 2,5 Millionen extra und führe zu zusätzlichen Folgekosten von mehr als 100.000 Euro im Jahr.

"Ein Konzept mit Attraktionen gibt die Situation nicht her", so der Experte, "es geht eher um die Frage ,Sein oder nicht sein’". Und: "Denken Sie nicht in Richtung Freizeitbad mit Rutsche, Sole und Welle". Dafür fehle es sowohl an Geld als auch an der Nachfrage. Zumal es in der Nachbarschaft mit der Katzenbuckel-Therme in Waldbrunn ein entsprechendes Angebot gebe, mit der Altenburg eine engere Kooperation empfiehlt. Sollte ein zusätzliches Becken wirklich gewünscht werden, könne es bei intelligenter Planung aber noch nachgerüstet werden.

Dabei stehen noch ganz andere Dinge zur Debatte. Ganz vor dem Aus sieht der Bäderexperte die Sauna: Nur noch 3000 Besucher zählte das Schwitzbad 2017, 13 pro Öffnungstag im Winter, neun im Sommer. Der Branchensollwert liegt bei 20 bis 40. Der Neubau einer modernen, attraktiven Saunalandschaft käme auf bis zu eine Million extra und erhöhte das Defizit um weitere fast 90.000 Euro. "Ich darf nicht für neun Nutzer am Tag eine solche Sauna betreiben. Das geht nicht", sagte Altenburg. Die Sauna sei keine kommunale Aufgabe und könne auch privat betrieben werden.

Auch die Abschaffung der Saisonkarten empfiehlt Altenburg. Die drücken auf den durchschnittlichen Erlös pro Besucher. Andere Kommunen gäben bereits keine Saisonkarten mehr heraus. Bei den Schul- und Vereinsschwimmern seien zudem die Verrechnungssätze zu gering. Auch würden Bahnen, die bereit gestellt, aber nicht genutzt würden, nicht in Rechnung gestellt. Gleichzeitig könne sich etwa die DLRG überlegen, ob sie zur Abgeltung ihrer Nutzungszeiten mehr Aufsichtspersonal stelle.

Bürgermeister Peter Reichert will die umfangreichen Informationen nach der Sommerpause noch einmal in den Ausschüssen und im Gemeinderat beraten. Auch ein Bürgerentscheid zu dem Thema ist noch nicht vom Tisch. Wenn es zu einer Lösung kommen soll, müssen laut Altenburg aber schnellstmöglich die Weichen gestellt werden: Der Vorlauf für so ein Projekt liege bei drei bis acht Jahren, die reine Bauzeit bei anderthalb bis zwei Jahren. "Sie müssen jetzt Druck machen. Dieses Bad werden Sie auf Dauer nicht weiterführen können", so der Experte.

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