Vorstellung der OB-Kandidaten in Weinheim

Weinheimer Stadthalle platzte aus allen Nähten

"Make Weinheim schön again" – Fünf ernsthafte Beiträge, ein Satiriker und eine Dichterin

05.06.2018 UPDATE: 06.06.2018 06:00 Uhr 3 Minuten, 49 Sekunden

Manuel Just, Stella Kirgiane-Efremidou, Carsten Labudda und Simon Pflästerer (v.l.) saßen auf der linken Seite des Podiums. In der Mitte steht der Journalist und Moderator Gerhard Mandel. Die rechte Seite beginnt mit Björn Leuzinger (mit Kappe). Die - rein zeitlich betrachtet - letzten beiden Redner hießen Fridi Miller und Oliver Kümmerle. Foto: Dorn

Von Philipp Weber

Weinheim. Da sage noch einer, die Leute interessierten sich nicht mehr für Demokratie! Bei der vorgestrigen Vorstellung der Kandidaten für die OB-Wahl, die wiederum am Sonntag stattfindet, war die Stadthalle proppenvoll: Einem Teil des Publikums blieb nichts anderes übrig, als die Runde außerhalb des Saals (706 Plätze) per Livestream zu verfolgen. Gerhard Mandel führte durch die Vorstellung und moderierte die Fragerunde. Die RNZ hat die jeweils rund zehnminütigen Reden der Kandidaten zusammengefasst.

Manuel Just (39, parteilos) begründete seine Kandidatur "sachlich", aber auch "emotional". In der Sache verfüge er als Diplomverwaltungswirt und nach elf Jahren als Bürgermeister der Gemeinde Hirschberg über ein Wissen, das er gerne "auf einem anderen politischen Parkett" einbringen würde. Emotionale Faktoren seien Weinheims Größe, seine Wirtschaftskraft, seine Geschichte. Applaus brandete auf, als er seine Fachkompetenz unterstrich, die er auch an fünf erfolgreichen Jahren als Kämmerer in Rauenberg (2002-2007) festmacht.

Ein Bürgermeister müsse "Moderator, Gestalter, Ideengeber, Manager" sein - und objektiv. Herzstück seines Wahlkampfs sei die Gründung einer "Zukunftswerkstatt 2030" mit lokalen Akteuren und Bürgern - und eine Prioritätenliste. Wichtig sei ihm die Digitalisierung, in deren Zuge analoge Angebote nicht vergessen werden sollen. Er wolle helfen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen - und die Kinderbetreuung sowie das Betreute Wohnen ausbauen.

Stella Kirgiane-Efremidou (52, SPD) musste in einer von Humor und Leidenschaft geprägten Rede nicht zwischen Sache und Emotion trennen: "Seit 32 Jahren bin ich verheiratet, seit 33 Jahren in der SPD. Das sagt Ihnen, dass ich verlässlich und treu bin, wenn ich eine Entscheidung getroffen habe." Applaus. Sie unterstrich, früher als Journalistin gearbeitet, sich aber für die aktive Politik entschieden zu haben. Das Bundesverdienstkreuz, ihre Rolle als Ausbilderin im Familienbetrieb, das Kontaktstudium, der Vorsitz bei Pro Weststadt - all das sage: "Ich liebe Engagement."

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"Geht nicht, gibt’s nicht", laute ihr Motto in der Politik: Ein Beispiel sei die Einrichtung der zentralen Anmeldung für Kitas. Nächstes Ziel sei die gerechte Staffelung der Gebühren. Beim bezahlbaren Wohnen gebe sie Gas. Und beim Verkehr brauche es ein Konzept mit den Nachbargemeinden, "etwa mit Herrn Just", landete sie einen Treffer.

Carsten Labudda (42, "Die Linke") kümmert sich als Teamleiter im Pilgerhaus "um die Flüchtlingsbuben" und um deren Betreuer."Viele sagen: Der ist o.k., aber in der falschen Partei", so der Stadt-, Kreis- und GRN-Aufsichtsrat. Aber keiner nenne Alternativen. Dann war’s genug der Flapsigkeit: Es reiche eben nicht aus, zu sagen, dass Weinheim schön und interessant sei, forderte er Inhalte.

Ideen wie auf vermietungsunwillige Wohnungseigentümer zuzugehen und ein Integrationskonzept für Flüchtlinge zu erstellen, reklamierte er für sich. Ebenso die Forderung, den kinderärztlichen Notdienst nach Weinheim zurückzubringen. Bei der Digitalisierung kämpfe er fürs schnelle Netz - auch dort, wo es sich für die Telekom nicht lohnt. Er bedaure, dass Kommunen im Wettbewerb stehen. Aber angesichts geltenden Rechts komme man nicht um weitere Gewerbegebiete herum - aber nur in abgeschlossenen Arealen wie "Tiefgewann" oder "Hinterer Mult".

Simon Pflästerer (34, Weinheimer Liste) forderte Ehrlichkeit ein: "Versprechen will ich Ihnen nicht geben", so der Anwalt. Er lud die Bürger ein, einen "Masterplan" zu erstellen, und probierte, in Sachen Ehrlichkeit bei sich selbst anzufangen. Sein Leben habe "Rückschläge und Niederlagen" für ihn bereitgehalten. Er sei daran gewachsen.

"Es wird Zeit anzuerkennen, dass Weinheim vom Ackerbaustädtchen zum Wirtschaftsstandort und zur Wohnstadt geworden ist." Angesichts der landschaftlichen Attraktivität müsse der Tourismus Wirtschaftssektor werden. Daher gelte es, Zersiedelung zu verhindern. Aktuelle Sparzwänge täten weh. Dennoch müsse man mit Boden und Land haushalten - und in der Verwaltung sparen. "Wenn wir zehn Stellen durch Digitalisierung und Renteneintritte abbauen, gewinnen wir Millionen, ehe ein neues Gewerbegebiet Einnahmen abwirft." Applaus. Aber auch Buh-Rufe.

Björn Leuzinger (29, die "Partei") trat in Shorts und mit vollem Weißbier-Glas auf - und sprach zunächst Mitbewerber Labudda an: "Bei der Partei ist immer ein Platz für Sie frei." Es folgte ein achteinhalbminütiger Versuch in Politsatire. Der gelang dem Chemielaboranten und ehrenamtlichen Feuerwehrmann aus Heidelberg mal mehr ("In einem muss ich Herrn Labudda widersprechen: Inhalte haben in der Politik nichts zu suchen!"), mal weniger ("Ich spar’ mir mal das Geschleime der anderen und leg’ direkt los").

Das Publikum reagierte mal gelassen, mal amüsiert - und erstaunlich professionell: Bei der Bürger-Fragerunde ging Leuzinger ebenso leer aus wie seine Nachfolgerin am Rednerpult, Fridi Miller. Er werbe um junge Leute, die "Partei" wolle Erstwähler, "nicht Letztwähler wie die CDU", erzeugte er noch ein paar Lacher hinter vorgehaltener Hand. Ebenso als er forderte, in der Stadthalle Woinemer Bier auszuschenken, statt "Gesöff" aus Mannheim.

Fridi Miller (48, "Fridi, die Wählervereinigung") ist eigenen Angaben zufolge gelernte Bürogehilfin mit Ausbildung bei Daimler. Die Sindelfingerin, die parallel in mehreren Kommunen kandidiert und im Verlauf eines Strafprozesses als schuldunfähig eingestuft worden sein soll, trug ihre Bewerbungsrede in Reimen vor. "Ich würde gerne rappen, aber das kann ich nicht", sagte sie zu Beginn. Vermutlich hätte es in Sachen Sprachfluss wirklich nicht zur Profirapperin gereicht. Das mit dem "Dissen" (Diskreditieren) der Konkurrenz klappte aber schon ganz gut: Pflästerer, der "Anwalt ohne Herz", zerreiße ihre Plakate "ohne Schmerz", dichtete Miller - und die vorderen Reihen im Saal lachten kurz befreit auf.

Weniger witzig war, dass sie Gerüchte über die Weststadt in ihre Rede einbaute. Da ging es dann um "Gangs" und "Autorennen" in der Blumenstraße - und "Drogenkonsum" in der DBS.

Oliver Kümmerle (parteilos) ist 48 Jahre alt, Polizeihauptkommissar in Hessen und Leiter der TSG-Basketball-Abteilung in Weinheim. Er vermisse "Werte wie Respekt untereinander", nannte er ein Motiv, zu kandidieren. Auch er wolle bezahlbaren Wohnraum, digitalen Ausbau, Orte für Jugendliche, sinnvolle Gewerbeentwicklung - und auch eine gebundene Ganztagsschule. Er möchte den Verkehr entschleunigen, mit mehr Fußgängerüberwegen, Kreiseln, Radstrecken.

Die Stadt müsse die Polizei entlasten, indem sie den eigenen Ordnungsdienst ausbaue: "Auch das Verschwinden der Kriminalstelle aus Weinheim war das falsche Signal." Ungepflegte Bereiche schafften einen Nährboden für Kriminalität. "Make Weinheim schön again", lehnte er sich an den Slogan von US-Präsident Donald Trump an. Beim Sport dürfe die Stadt nicht nur verwalten oder Finanzspritzen verteilen: "Die Vereine wollen qualifizierte Zusammenarbeit."

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