"Wir lassen uns nicht abspeisen" (plus Video)
24-Stunden-Warnstreik der IG Metall in Wiesloch

"Wenn die Arbeitgeber mit dem Feuer spielen, brennt es in den Betrieben": Darüber herrschte Einigkeit unter den insgesamt bis zu 4000 Mitarbeitern von Heidelberger Druckmaschinen, die sich seit gestern früh am 24-Stunden-Warnstreik von IG Metall beteiligten. Foto: Pfeifer
Wiesloch/Walldorf. (seb) "Wer nicht hören will, muss fühlen": So lautet das Motto des 24-Stunden-Warnstreiks bei Heidelberger Druckmaschinen (HDM) im Werk Wiesloch-Walldorf, der gestern gegen 6 Uhr begann und bis zum heutigen Morgen andauern soll. Über den Tag hinweg beteiligten sich geschätzt 4000 Mitarbeiter vor Ort an der Protestaktion.
Nachdem die fünfte Verhandlungsrunde am vergangenen Wochenende keine Annäherung brachte, kämpfen die Arbeitnehmer nun mit härteren Bandagen - um eine Erhöhung der Entgelte und Ausbildungsvergütungen um sechs Prozent sowie die Möglichkeit, die Arbeitszeit befristet auf bis zu 28 Stunden zu reduzieren. Die Verantwortung verortete man klar auf Arbeitgeberseite.
Dies sei "ein historischer Tag", betonte Rainer Wagner, Betriebsratsvorsitzender bei HDM, da in insgesamt 20 Betrieben in Baden-Württemberg auch heute und morgen 24-Stunden-Warnstreiks geplant sind, heute unter anderem bei KS Gleitlager in St. Leon-Rot. Nun starte also ein "Warnstreik-Tsunami", nach dem die Arbeitgeber "hoffentlich zur Vernunft kommen", so Wagner. Und wenn am kommenden Wochenende keine Einigung erzielt werde, "geht es richtig los".
"Wenn die Arbeitgeber mit dem Feuer spielen, brennt es in den Betrieben": Stolz auf Entschlossenheit und Zusammenhalt der Metaller zeigte sich Martin Kunzmann, der baden-württembergische Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Die wirtschaftliche Situation sei hervorragend, ein Wachstum von 2,25 Prozent werde dieses Jahr erwartet, "dafür stehen die Arbeitnehmer und daran wollen wir unseren Anteil". Kunzmann betonte: "Wir wollen keine Almosen, es geht um das, was wir erarbeitet haben." Diese Warnstreiks "sind nur der Anfang": Kunzmann erinnerte daran, dass in den Achtzigern auch mal sieben Wochen gestreikt worden sei.
Harsche Kritik übte Kunzmann an der Einstellung des Arbeitgeberverbands, für die er zwei Beispiele fand: Siemens, mit der Werkschließung in Görlitz bei gleichzeitigem Versprechen an US-Präsident Trump, in Amerika eine neue Fertigung zu eröffnen, und Schlecker, als sich "eine Familie am Ruin des Konzerns bereicherte, während das Elend der Arbeitnehmer sozialisiert wurde". Vor einem Hintergrund wie diesem "müssen wir eine deutliche Sprache sprechen: Das lassen wir uns nicht gefallen".
Auch interessant
Neben der Forderung nach einer angemessenen Lohnerhöhung lautet die Frage Kunzmann zufolge: "Wer bestimmt über unsere Zeit?" Um Familie, nicht nur Kinder, sondern beispielsweise auch pflegebedürftige Eltern, und Beruf zu vereinbaren, verlangten die Arbeitnehmer mehr Mitbestimmung.
"Bei den Arbeitgebern hat der Geiz gesiegt", kritisierte Mirko Geiger, erster Bevollmächtigter von IG Metall bei HDM.
"Die wollen uns nicht adäquat am wirtschaftlichen Fortschritt beteiligen." Wer denke, die Arbeitnehmer wieder mit Einmalzahlungen oder "mageren 3,5 Prozent" abspeisen zu können, "wird mit entschiedenem Widerstand rechnen müssen". Sollte es am kommenden Wochenende keine Lösung geben, folge nächste Woche die Urabstimmung, ob es unbefristete Streiks geben solle.
Geiger erinnerte auch an harte Zeiten bei HDM, als etwa Kurzarbeit angeordnet werden musste. Das beweise: "Wir Arbeitnehmer sind bereit, unseren Teil beizutragen und Verantwortung zu übernehmen." Doch die Argumente habe man nun alle ausgetauscht, jetzt liege es am Willen zur Einigung. "Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Arbeitgeber nicht vergessen, dass wir in der Lage sind, ihre Betriebe stillzulegen."
Solidarische Grüße überbrachten Gaby Oppenheimer, Bezirksvorsitzende der Gewerkschaft Verdi, die von den Warnstreiks an der Uniklinik Heidelberg berichtete, und Volker Daiss von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten, der die IG Metall lobte: "Ihr habt bereits jetzt viel erreicht." Beide wünschten den Streikenden Durchhaltevermögen, schließlich sei man sich einig: "Die Arbeitszeit muss zum Leben passen."



