Bei der Infoveranstaltung blieben viele Fragen offen
Abrechnung des Sanierungsgebiets "Alter Stadtkern II": Bürger waren nicht zufrieden

Mit skeptischen Mienen verfolgten die betroffenen Bürger die Informationsveranstaltung über Ausgleichszahlungen für von der Stadtkernsanierung in Rauenberg verursachte Bodenwerterhöhungen. Ergebnis nach über drei Stunden: Siegfried Hellweg (STEG), Gabriele Koch (Dr. Koch Immobilienbewertung), Johann Schiefele (STEG) und Bürgermeister Peter Seithel (im rechten Bild v.li.) konnten die vielen offenen Fragen nicht zur Zufriedenheit der Bürger beantworten. Fotos: Pfeifer
Rauenberg. (rö) Die Veranstaltung sollte "Dinge aufklären" und "Lösungschancen" aufzeigen, hatte es Rauenbergs Bürgermeister Peter Seithel anfangs formuliert. Mehr als drei Stunden später musste er feststellen: "Es ist nicht gelungen, Ihre Fragen zu beantworten." Dass die Bürger "mit den Antworten nicht zufrieden waren", die ihnen Johann Schiefele (STEG Stadtentwicklung) und Gabriele Koch (Dr. Koch Immobilienbewertung) gaben, war offenkundig. "Wir haben drei Stunden unseres Lebens einfach verschenkt", stellte ein Bürger frustriert fest. Für Jürgen Bender, den Sprecher der "Bürgerinitiative gegen den Ausgleich der angeblichen Bodenwerterhöhung durch die Stadtkernsanierung", blieb nur das ironische Fazit, dass die Sicht der Bürgerinitiative bestätigt wurde: "Das Gutachten hat viele Angriffspunkte", im schlimmsten Fall müsse man diese vor dem Verwaltungsgericht klären.
Die Bürgerinitiative hatte sich gegründet, als nach dem Abschluss der Stadtkernsanierung ein Gutachten sanierungsbedingte Bodenwerterhöhungen feststellte, die von den Bürgern im Gebiet bezahlt werden sollen - auch von jenen, die sich nicht an der Sanierung beteiligt hatten. Dabei stehen Summen von mehreren tausend Euro im Raum, teilweise sogar über zehntausend. Kritisiert wird unter anderem, dass diese Ausgleichsbeiträge während der 2005 begonnnen Stadtkernsanierung nie thematisiert wurden, dass die im Gutachten zu findenden vier Wertzonen, die die Beiträge festlegen, für die Bürger nicht nachvollziehbar sind, aber auch, dass in Nachbargemeinden bei vergleichbaren Maßnahmen die Bürger nicht zur Kasse gebeten wurden.
Johann Schiefele benötigte knapp eine Stunde, bis er nach zahlreichen Folien, einem ausführlichen Blick in die Geschichte der Stadtkernsanierung und Erläuterungen zu Paragrafen und Definitionen auf die Fragen der Bürgerinitiative zu sprechen kam. Damit unterstrich er letztlich nur, was der Bürgermeister bereits in seiner Begrüßung gesagt hatte: "Das Verfahren ist formal korrekt", so Seithel, er habe aber Verständnis für den großen Unmut der Bürger, "weil der Informationsfluss über die Jahre wenig bis gar nicht vorhanden war".
Ein paar Informationen gab es dann doch: So bestätigte Schiefele auf Nachfrage, dass das von der STEG mit dem Gutachten beauftragte Büro Koch eine hundertprozentige Tochter der STEG ist, er selbst ist nicht nur erster Prokurist der Steg, sondern auch Geschäftsführer der Dr. Koch Immobilienbewertung GmbH - diese Nähe, zwischen dem Unternehmen, das die Sanierung durchführt, und dem Büro, das den Erfolg der Sanierung bewertet, wurde im Lauf des Abends mehrfach harsch kritisiert. Dass das Büro und nicht der örtliche Gutachterausschuss damit beauftragt worden war, nahm der Bürgermeister auf seine Kappe: Die Entscheidung habe an seinen ersten Arbeitstagen im neuen Amt angestanden und in seiner "Wertgrenze" gelegen, sodass er die Entscheidung ohne den Gemeinderat getroffen habe.
Zum Vorwurf der Bürgerinitiative, die Stadt sei ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen, sagte Schiefele, zwar hätten weder die Veröffentlichung der Satzung noch die Eintragung des Sanierungsvermerks (beides im Jahr 2005) Hinweise auf mögliche Ausgleichsbeiträge enthalten, wohl aber die Verträge mit den privaten Eigentümern als auch die Ergebnisberichte über die vorbereitenden Untersuchungen 2005 und 2010, als das Sanierungsgebiet erweitert wurde. "Die Information war formal in Ordnung, hätte aber mit Sicherheit besser sein können", meinte er.
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Neu für viele Bürger war, dass die von der Stadt bereits im Juni verschickten Ablösevereinbarungen nicht der Weisheit letzter Schluss sein müssen. Deshalb riet Bürgermeister Seithel dringend, die angebotenen Einzelgespräche wahrzunehmen - einer Empfehlung, der sich später auch Jürgen Bender für die Bürgerinitiative anschloss, allerdings mit dem Zusatz: "Dann bitte nicht gleich unterzeichnen." Der Bürgermeister hatte zuvor dargelegt, das Gutachten sei "eine sehr pauschale Geschichte", die Ablösevereinbarungen seien eher "die obere Grenze", im Gespräch könne man einzelne Fälle durchgehen und es gebe "viele Dinge, die man abziehen kann". Seithel wörtlich: "Das Wertgutachten ist unheimlich grob." Auch dafür gab es verständliche Kritik: Im mit den Vereinbarungen verschickten Anschreiben habe nichts davon gestanden, dass die geforderten Beträge "Ver-handlungsbasis" seien, so Jürgen Bender süffisant.
Einen noch schwereren Stand hatte Gabriele Koch, die nach eigenen Worten "zufällig den gleichen Nachnamen" wie Dr. Jürgen Koch hat, mit dem zusammen sie die fachliche Leitung des Immobilienbewertungsbüros innehat. Ihr Versuch, die Festlegung der unterschiedlichen Wertzonen im Gutachten den Bürgern verständlich zu machen, scheiterte. Die "Multifaktorenanalyse", nach der Faktoren wie die "Verbesserung des Zustands der Umgebungsbebauung", des "öffentlichen Umfelds" - etwa durch eine "attraktive Platzgestaltung" - oder der "Lagequalität" mit Schulnoten bewertet werden und die Differenz zwischen Ausgangs- und Endwert dann die Bodenwerterhöhung ergibt, war für viele Bürger, wie aus den Wortmeldungen deutlich wurde, schon schwer zu schlucken. Die Abgrenzung der Wertzonen - hier acht Euro pro Quadratmeter, dort 16 Euro, direkt daneben aber null Euro - wollte dann niemand mehr verstehen. Wertzonen habe man nur bei einer "Bündelung von Maßnahmen" festgelegt, so Gabriele Koch, "an den Rändern wird es schwächer" und dazwischen - in der Zone, in der keine Bodenwerterhöhung abgeschöpft wird - spüre man "zu wenig" von der Sanierung. Auf die provokante Frage: "Ist es eine politische Entscheidung, weil es die Volksbank ist?", gab es an diesem Abend keine Antwort. Zum Landfried-Anwesen, in das zwar Sanierungsgelder geflossen sind, das aber ebenfalls außerhalb der Wertzonen liegt, war zu erfahren, man müsse das Grundstück "unbebaut betrachten", die Umgebung sei durch die Sanierung nicht so sehr verbessert worden, dass man eine Bodenwerterhöhung festgestellt habe.
Am Ende blieb viel Kritik und Unmut, die Ankündigung des Bürgermeisters, den Abend im Gemeinderat nachzubereiten und "das noch mal zu durchleuchten" sowie Jürgen Benders Ankündigung: "Wenn alle Einzelgespräche geführt sind, wird sich die Bürgerinitiative noch einmal treffen."



