Rauenbergs Stadtkernsanierung

Bürgerinitiative sammelt Unterschriften gegen Zahlungsplan

"Bürgerinitiative gegen den Ausgleich der angeblichen Bodenwerterhöhung durch die Stadtkernsanierung" sammelt Unterschriften

13.07.2017 UPDATE: 14.07.2017 06:00 Uhr 3 Minuten, 18 Sekunden

Nach der Stadtkernsanierung in Rauenberg fordert die Stadt von den Anwohnern Ausgleichsbeträge für die Wertsteigerung ihrer Grundstücke. Im Alten Kino fand jetzt die Gründungsversammlung einer Bürgerinitiative statt, die sich dagegen zur Wehr setzt. Fotos: Helmut und Jan A. Pfeifer

Rauenberg. (rö) "So etwas wie heute habe ich noch nicht erlebt", zeigte sich Rauenbergs Pfarrer Joachim Viedt beeindruckt von der Gründungsversammlung der "Bürgerinitiative gegen den Ausgleich der angeblichen Bodenwerterhöhung durch die Stadtkernsanierung" und bot spontan seine Unterstützung an. Das Alte Kino platzte aus allen Nähten, so viele Bürger waren am Mittwochabend gekommen, um ihrer Empörung Luft zu machen, sich aber auch zu informieren, was sie gegen die städtischen Bescheide von durchschnittlich 5000, in Einzelfällen aber auch 20.000 Euro, tun können. Insgesamt sind 167 Anlieger betroffen.

Mit einer Unterschriftenaktion will man jetzt zunächst einmal "politischen Druck auf Bürgermeister und Gemeinderat aufbauen", wie es Jürgen Bender, der ehemalige Geschäftsführer des Winzerkellers und Sprecher der Initiative, formulierte, "aber immer mit der Bereitschaft einer ausgestreckten Hand". Man fordere die Verantwortlichen dazu auf, das erstellte Gutachten und das damit verbundene Berechnungsverfahren zu hinterfragen, und hoffe auf "konstruktive Gespräche". Bis dahin ist es das Ziel der Initiative, "Druck in den Kessel zu bekommen, bis es pfeift", so Bender. Der Anfang ist aus Sicht der Betroffenen vielversprechend: Gleich am Abend der Versammlung kamen die ersten rund 150 Unterschriften zusammen, viele Bürger nahmen Blankolisten mit, weitere liegen im Schreibwarengeschäft/Poststelle Köhnlein aus und können dort auch wieder abgegeben werden. Eine offizielle Übergabe der Unterschriften ist binnen zwei Wochen geplant.

Auslöser der Initiative sind die Schreiben der Stadt, die nach der jüngsten Sitzung des Gemeinderats verschickt wurden und, nachdem ein Gutachten sanierungsbedingte Bodenwerterhöhungen im Gebiet festgestellt hatte, eine "Vereinbarung über die Ablösung des Ausgleichsbetrags" enthalten. Bescheide, die auch an Bürger gingen, die sich überhaupt nicht an der Sanierung beteiligt und keinerlei öffentliche Mittel in Anspruch genommen haben. Im Fall von Jürgen Bender ist seine Mutter betroffen: "Sie soll eine große Rechnung begleichen, obwohl sie nichts bestellt hat." Auch in anderen Fällen müssten "Leute, die von einer kleinen Rente leben, jetzt plötzlich Beträge von 10.000 bis 15.000 Euro zahlen". Das sei "eine Ungerechtigkeit, die zum Himmel stinkt, dagegen muss man etwas tun". Und es seien nicht nur die Anwohner der Rauenberger Stadtkernsanierung betroffen: Auch die Rotenberger (wo ebenfalls eine Ortskernsanierung angelaufen ist) und Malschenberger (wo der Kirchplatz mit Zuschussmitteln neu gestaltet wurde) "sollten hellhörig werden".

Jürgen Bender hat sich umgehört. So hat er die Auskunft erhalten, dass beispielsweise in Dielheim in keinem einzigen Fall eine Rechnung an einen Bürger verschickt wurde und auch in Mühlhausen seien keine Ausgleichsbeträge gefordert worden. "Gibt es dort andere Gesetze oder sind die Verwaltungen pfiffiger, diese Gesetze für ihre Bürger auszulegen?", fragte er rhetorisch. Auf Nachfrage hatte ihm der ehemalige Bürgermeister Mühlhausens, der Landtagsabgeordnete Karl Klein, die dortige Vorgehensweise geschildert: Mögliche Bodenwertsteigerungen habe man direkt im Sanierungsvertrag festgehalten. So wurden zum Beispiel bei einem Zuschuss von 10.000 Euro gleich 500 Euro einbehalten, das habe jeder Beteiligte verstanden. Wer bei der Sanierung nicht mitgemacht habe, musste durch "ein sorgfältig gestaltetes Gutachten" keinerlei Ausgleichsbeträge bezahlen. Klein wies auf RNZ-Nachfrage darauf hin, dass diese Vorgehensweise sowohl von der Gemeindeprüfungsanstalt als auch vom Rechnungshof des Landes anerkannt wurde.

Für Bender ist der Fall klar: Die Stadt habe den Spielraum, den Bürger vor Zahlungen zu bewahren - "wenn sie es will". Im Gutachten sind die Bewertungskriterien und Multiplikationsfaktoren seiner Ansicht nach "nicht transparent, das ist nicht messbar, das ist gewürfelt". Auch die "parzellenscharfe Abgrenzung" - der eine Bürger zahlt 16 Euro pro Quadratmeter, sein unmittelbarer Nachbar gar nichts - sei "nicht nachvollziehbar". Nicht einberechnet seien zudem die Unannehmlichkeiten während der Sanierung, Dreck, Lärm, teilweise nicht anfahrbare Grundstücke, die Umsatzverluste der Gewerbetreibenden. Auch lasse sich darüber streiten, wer mehr von der Sanierung und den neu gestalteten Plätzen profitiere: die Stadt, deren Neubaugebiete stark nachgefragt seien, oder die Anwohner im ausblutenden Ortskern. Ohnehin, so Bender, könne das Gutachten nicht akzeptiert werden, sei es doch von einer 100-prozentigen Tochter der STEG, die die Sanierung durchgeführt hatte, erstellt worden. "Dieses Gutachten ist nicht einmal das Papier wert, auf dem es steht", sagte Bender. Mit Walter Kloé zeigte sich ein ehemaliger Gemeinderat verwundert, warum das nicht wie in anderen Fällen der Gutachterausschuss des Gemeindeverwaltungsverbands übernommen hat. "Es war ein Fehler, die STEG mit dem Gutachten zu beauftragen", sagte er und: "Bei früheren Sanierungen gab es keine Zahlungen der Bürger."

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Jürgen Bender appellierte an alle Betroffenen: "Ich würde Sie bitten, die Ablösevereinbarung nicht zu unterschreiben, das ist ein böser Vertrag, Sie verkaufen Ihre Seele." Die aktuellen Vereinbarungen beinhalten für Zahlungen bis Ende September einen 20-prozentigen Nachlass. Unterschreiben die Bürger nicht, gehen dann 167 Bescheide raus, gegen die Widerspruch eingelegt werden könnte. "Dann müssten Einzelgutachten für alle Grundstücke erstellt werden", so Bender, in diesem Rahmen sei auch jeweils der Eigentümer zu hören. Vielleicht könne man angesichts dieses gewaltigen Aufwands "dem Gemeinderat eine Brücke bauen". Bender denkt, "dass der Gemeinderat schlecht informiert war und die Vorlage durchgewinkt hat". Als ehemaliges Mitglied des Sanierungsausschusses erklärte Gemeinderat Theo Hess, der bei der jüngsten Entscheidung befangen war und selbst einen Bescheid über 5500 Euro erhalten hat: "Es hieß von Anfang an, es kommen keine Kosten auf die Bürger zu." Und: "Die Entscheidung war eine Fehlentscheidung." Am Ende gab es viel Applaus, Bender freute sich über eine "ernst zu nehmende, starke Gemeinschaft" - die jetzt etwas bewegen will.

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