Vergeblich gestreckt
Der Fußballnachmittag in Sinsheim fühlte sich für alle Beteiligten unvollendet an
Von Nikolas Beck
Sinsheim. Die schreibende Zunft ließ nichts unversucht. Auf den Zehenspitzen bediente der Längste einen der Fernseher, die im Stadionbauch an den Wänden hängen. Dort, in der sogenannten Mixed Zone, stehen normalerweise die Fußballer Rede und Antwort. Benjamin Hübner hatte dafür am frühen Samstagabend keine Zeit. Eine Etage drüber, im VIP- und Businessbereich der Rhein-Neckar-Arena warteten andere Verpflichtungen auf ihn. Unter anderem ein klubinternes Interview mit dem Stadionsprecher. Und genau das war auf besagtem Monitor zu sehen - aber nicht zu hören. Egal, welche Knöpfe auch gedrückt wurden, das TV-Gerät blieb stumm. Es passte ins Gesamtbild dieses Fußballnachmittags, der für alle Beteiligten unvollendet blieb. Vergeblich gestreckt.
Benjamin Hübner hätte mit Sicherheit viel zu erzählen gehabt. Von der 48. Minute beispielsweise. Als er nach einer Ecke offenbar selbst überrascht war, wie frei er im gegnerischen Fünf-Meter-Raum per Direktabnahme zum Torabschluss kam - und verfehlte. Noch viel mehr aber von der 52. Minute. Da machte es der 1,93 Meter große Abwehrrecke besser, nahm nach einem misslungenen Augsburger Befreiungsschlag im Strafraumgetümmel Anlauf, schraubte sich höher als Freund und Feind und wuchtete das Leder mit der Stirn in die Maschen. Eine reine Willensleistung. Der 28-Jährige, vor der Saison zum stellvertretenden Mannschaftskapitän gewählt, ging voran. Für Hoffenheim war sein schnelles Tor nach dem Seitenwechsel der Dosenöffner. Hübner wusste das ganz genau. "In der zweiten Halbzeit haben wir uns mehr getraut, da hat natürlich auch das Tor geholfen", erklärte der gebürtige Wiesbadener noch am Spielfeldrand.
Wie Hübner hätte auch Mark Uth einer sein können, einer dieser Matchwinner. Denn auch er hatte sich in die Liste der Torschützen eingetragen. Und wie! "Flo (Grillitsch) legt ihn super ab, perfekte Position für einen Linksfuß, lange Ecke - 2:1", beschrieb der Offensivmann sein Sahnestück bemerkenswert nüchtern (85.). Auf den Rängen war die Begeisterung ungleich größer. "Uth, Uth, Uth", hallte durch die Arena, fünf Minuten vor Schluss war eigentlich alles angerichtet, für die große Drei-Punkte-Sause. Auch der Kunstschütze räumte ein, er habe gedacht, ihm sei der Siegtreffer gelungen. Uth: "Aber es ist eben erst zu Ende, wenn der Schiedsrichter pfeift."
Und das tat der Unparteiische Manuel Gräfe erst nach Kevin Vogts unglücklichem Eigentor, mit dem die Hausherren unterm Strich zwei Punkte verschenkten. Trotz überlegener zweiter Halbzeit, trotz deutlichem Chancenplus musste man sich bei der TSG ärgern. Manager Alexander Rosen brachte es auf den Punkt: "Wir stehen nach wie vor auf einem guten, hohen Niveau und trotzdem habe auch ich das Gefühl - es würde doch noch mehr gehen."