Aggressive Gänse machen Senioren in Bammental Angst
Die Wildtiere sind derzeit gegenüber Passanten besonders aggressiv. Sie achten derzeit besonders darauf, ihren Nachwuchs zu schützten. Das sorgt für Konflikten mit Senioren.

Von Benjamin Miltner
Bammental. Atom- oder Windkraft, der FC Bayern oder Tomatensaft: Es gibt Dinge im Leben, zu denen jeder eine Meinung hat und die die Bevölkerung in Fans und Kritiker spalten können. Man liebt oder hasst sie – in Bammental sind das die Gänse.
Sie gehören schon länger zum Inventar der Elsenztalgemeinde, sorgen vor allem in der Ortsmitte rund um die Hauptstraße seit ein paar Jahren für langsame Autos, staunende Blicke, aber auch für die eine oder andere "Tretmine". Während die Gemeinde ihr – wenn auch inoffizielles – "Wappentier" zuletzt auch als Marketinginstrument entdeckt hat, meist humorvoll in Szene setzt und dafür auch viel Beifall erhält, hat der Ärger bei anderen Bürgern neue Dimensionen erreicht. Es ist von Missständen, aufdringlichem und aggressivem Verhalten sowie Konflikten zwischen Gänsen und Senioren die Rede.
"Die Spitze des Geduldeten ist überschritten", sagt Gustav Gattner. Der Ur-Bammentaler aus der Schulstraße ist einer von mehreren Bürgern, die sich über die verwilderten Hausgänse und ihr Gebaren beschweren. Der Auslöser: Zuletzt sei es mehrfach zu "Konfliktsituationen zwischen einer Gänsegruppe und Bewohnern des Anna-Scherer-Hauses" sowie des betreuten Wohnens der Seniorenanlage im Reilsheimer Mühlweg gekommen.
"Da werden alte Leute, die versuchen, sich mit dem Rollator fortzubewegen, von den Gänsen gehindert und beim Zunahekommen bedroht", berichtet Gattner. Seine 93-jährige Mutter konnte bisher mit dem Rollator – wenn auch beschwerlich – die Wege rund um das Pflegeheim alleine bewältigen. Dies werde ihr durch die Gänse immer mehr verwehrt: Fünf bis sieben Tiere würden sich auf Stellplätzen, kleinen Rasenflächen vor dem Haus oder der Fahrbahn niederlassen.
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Zwei der Gänse würden beim Annähern laut schnattern, sich aufrichten, mit den Flügeln schlagen und sich in Richtung Rollator aufbauen. "Meine Mutter hat nun große Angst, ihre Spaziergänge dort zu machen, weil sie befürchtet, dass die Gänse sie angreifen", so der 73-Jährige.
Diese Eindrücke bestätigt auch Michael Nicolaus, Leiter des Anna-Scherer-Hauses. "Die Gänse werden Bewohnern und Mitarbeitern gegenüber zunehmend aufdringlich und aggressiv", teilte er auf Nachfrage mit. Nach eine Bewohnerin der Anlage soll auch geschnappt worden sein. "Bewohner fühlen sich durch die Präsenz auf der Straße in ihrer Mobilität eingeschränkt", berichtet Nicolaus.
"Unsere Gänse zeigen Schutzverhalten", erklärt die Gemeinde als Reaktion auf die Vorkommnisse. Der Anlass: Sie haben Eier gelegt. "Dies ist ein natürlicher Instinkt, um ihren Nachwuchs zu verteidigen", erläutert die Verwaltung. Und weiter: "Wir sind uns bewusst, dass die aktuelle Situation nicht für alle angenehm ist."
Die Gemeinde bittet um Verständnis und gegenseitige Rücksichtnahme. Diese könne das Zusammenleben für alle – Mensch und Tier – angenehm gestalten. Die Gänse gehören "seit vielen Jahren zu unserem Ort" und seien ein vertrauter Anblick.
Und damit zurück auf Los. Denn egal sind die Tiere kaum einem Bammentaler. Bei den meisten ist es eine Hassliebe – oder wie es der viel zu früh verstorbene Friedbert Ohlheiser im Gemeinderat einmal formulierte: "Die Gänse sind schön, aber sie machen einfach zu viel Dreck."
Dem pflichtet Heimleiter Nicolaus heute bei: "Die Hinterlassenschaften der Gänse sind eklig, stellen eine Rutschgefahr dar und sind durch das Anhaften an Schuhen und Rollatoren wie auch Rollstühlen eine erhebliche hygienische Belastung."
Dieser Missstand sei der Gemeinde auch mitgeteilt worden. "Die Anzahl der Tiere und deren Verhalten hat ein Ausmaß angenommen, das nicht mehr toleriert werden kann", meint Gustav Gattner.
"Die Gänse zeigen ein ganz normales Verhalten", betont hingegen Bürgermeister Holger Karl. Ihre Zahl wachse auch nicht, widerspricht der Rathauschef. Man versuche immer, den Bestand einstellig zu halten. Aktuell seien es neun Tiere. "Wenn es Nachwuchs gibt und es darüber hinaus geht, reduzieren wir wieder", betont Karl. Nicht durch Jagd, sondern durch Weitergabe etwa an Kleintierparks oder Private in der Region oder, wie auch schon geschehen, bis nach Erfurt, erzählt der Rathauschef.
Karl nennt zudem auch die positiven Aspekte der Tiere: Sie verteidigen ihr Revier vor Eindringlingen wie etwa den Nilgänsen, die mittlerweile nicht nur rund um die Heidelberger Neckarwiese, sondern auch im Elsenztal als Plage gelten. Apropos Plage: Schnecken gehören zur Leibspeise der Gänse, was nicht nur die Kinder des Schulgartens der Elsenztalschule freut, die die zwischen ihrem Gemüse gesammelten Tierchen ab und an ihren "Nachbarn" übergeben. Und auf den Straßen rund ums Schulzentrum sowie in der Hauptstraße wird der Verkehr regelmäßig "entschleunigt", wenn die Tiere die Fahrbahn kreuzen.
Gustav Gattner hat einen anderen Blick auf die Wildgänse. Er führt vielmehr Gefährdungen des fließenden Verkehrs auf Neben- und Durchgangsstraßen an, Behinderungen auf Parkplätzen und Verkotungen der Gehwege und Hauszugänge. "Ich fordere hiermit die zuständigen Stellen auf, diese Gefahren in geeigneter Weise zu beenden", schreibt der Bammentaler in einem Brief ans Rathaus, ans Landratsamt und an den Seniorenbeirat Baden-Württemberg.
Er verweist darauf, dass das Land seit 2022 Gemeinden berechtigt, in Fragen des Wildtiermanagements einen Stadtjäger einzusetzen. "Ich bin kein Tierhasser", betont Gattner. "Aber für mich steht Menschenschutz vor Tierschutz."




