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SAP setzt Homeoffice-Neuregelung ohne Betriebsrats-Zustimmung um

Ab Juni sind drei Tage pro Woche im Büro vorgesehen. Das Thema wird sehr emotional diskutiert.

29.05.2024 UPDATE: 29.05.2024 19:28 Uhr 2 Minuten, 37 Sekunden
Die Unternehmenszentrale der SAP in Walldorf. Foto: dpa

Von Matthias Kros

Walldorf. Trotz monatelanger Verhandlungen haben sich Unternehmensleitung und Betriebsrat des Softwarekonzerns SAP in Deutschland noch immer nicht auf eine neue Betriebsvereinbarung für das künftige mobile Arbeiten verständigen können. Das geht aus einer am Mittwoch in der Belegschaft verbreiteten Mitteilung hervor.

Die Unternehmensleitung will mit der bereits Anfang des Jahres angekündigten Neuregelung dennoch nicht länger warten und geht deshalb im Alleingang vor. "Gemäß der neuen globalen Richtlinie der SAP sind zwei Tage Mobilarbeit pro Woche möglich", schreibt sie in der Mitteilung an die Mitarbeiter. Das gelte nun auch für Deutschland, "da die grundsätzliche Bemessung des Kontingents an mobiler Arbeit nicht der Mitbestimmung unterliegt".

Die Ausgestaltung der mobilen Arbeit erfolge allerdings wie bisher zwischen den Beschäftigten und ihrer jeweiligen Führungskraft, heißt es weiter. Diese mitbestimmungspflichtigen Teile der von Arbeitgeberseite fristgerecht gekündigten Betriebsvereinbarung würden nach wie vor in Kraft bleiben. Gleiches gelte für Ausnahmen über die zwei Tage Mobilarbeit hinaus. 

Die Neuregelung soll für die Beschäftigten der SAP Deutschland SE & Co. KG und SAP SE vom 1. Juni an gelten. Parallel soll mit den Betriebsräten weiter an einer einvernehmlichen Lösung gearbeitet werden. Eigentlich hätten die neuen Vorgaben schon am 1. Mai in Kraft treten sollen. Wegen der schwierigen Verhandlungen war die Frist aber um einen Monat verlängert worden. 

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Das Thema Homeoffice wird beim Softwarekonzern – der seinen Beschäftigten traditionell große Freiheiten gewährt – sehr emotional diskutiert. Die inzwischen gekündigte Betriebsvereinbarung sieht vor, dass die Beschäftigten des Softwarekonzerns – in Absprache mit ihren Vorgesetzten – bis zu vier Tage pro Woche mobil arbeiten können.

In Ausnahmefällen waren Kollegen auf dieser Basis sogar vollständig ins Homeoffice gewechselt. Im Januar dieses Jahres aber schrieb SAP-Konzernchef Christian Klein in einer E-Mail an die rund 107.000 Beschäftigten weltweit: Künftig seien drei Tage pro Woche im Büro oder bei Kunden beziehungsweise Partnern vorgesehen.

"Wir wissen, wie wichtig und bereichernd es ist, persönlich zusammenzuarbeiten", erklärte Klein damals. Deshalb werde das hybride Arbeitsmodell "Pledge to Flex" des Konzerns weiterentwickelt – und sehe künftig eben drei Tage Büro pro Woche vor, vorbehaltlich des lokalen Arbeitsrechts und der Einbeziehung der Sozialpartner. Um "eine reibungslose Umstellung zu ermöglichen", kündigte Klein eine "Übergangsphase bis Ende April" an.

Gegen diese Pläne des Managements regte sich Widerstand in Teilen der Belegschaft. Tausende SAP-Beschäftigte unterzeichneten ein offenes Protestschreiben aus den Reihen des Europäischen Betriebsrats der SAP. "Wir fühlen uns von einem Unternehmen betrogen, das uns bis vor Kurzem ermutigt hat, von zu Hause aus zu arbeiten, nur um dann einen radikalen Richtungswechsel zu fordern", hieß es in dem Brief. Offen drohten die Unterzeichner damit, sich lieber einen anderen Job zu suchen, als ins Büro zurückzukehren.

Auch Eberhard Schick, Vorsitzender des Betriebsrats der SAP SE, hatte gesagt, man erwarte, dass der Vorstand die Ankündigung zur Office-Pflicht noch einmal überdenke. Der Betriebsrat, der SAP SE wolle sich dafür einsetzen, "dass die Kolleginnen und Kollegen auch weiterhin autonom und flexibel arbeiten können". Viele Mitarbeitende hätten auf das vom Vorstand gegebene Versprechen des flexiblen Arbeitens ihre Lebensplanung aufgebaut und seien teilweise sogar umgezogen.

Die Neuausrichtung begründete Klein dann Anfang dieses Jahres damit, dass ein dauerhaftes Arbeiten im Homeoffice die Kultur und die Zusammenarbeit bei SAP gefährde. Die Rückkehr ins Büro sei auch deshalb nötig, weil auch in diesem Jahr mehrere Tausend Menschen einen neuen Job bei SAP anfingen. Dazu brauche es eine Einführung und Coaching. "Wenn niemand in den Büros arbeitet, funktioniert das nicht", sagte er bei der Bilanzpressekonferenz im Januar.

Außerdem sei der Austausch im Büro auch für die eigene Karriere förderlich. "Wir müssen die richtige Balance finden", erklärte Klein der RNZ. Der Vorstandsvorsitzende betonte allerdings auch, dass es keine Anwesenheitskontrollen geben werde. Müssten sich etwa Eltern um kranke Kinder kümmern, ließe sich eine Lösung mit der direkten Führungskraft finden.

Auch jetzt ist der Unternehmensleitung die Problematik offenbar bewusst: "Auch wenn die Übergangsphase bereits dazu genutzt werden konnte, sich auf die absehbaren neuen Regelungen einzustellen, wissen wir, dass es eine gewisse Zeit erfordert, diese Veränderungen in Euren Teams gemeinsam auszugestalten und zu leben", schreibt sie in der Mitteilung an die Beschäftigten.

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