Zweieinhalb Kilometer Schlepper an Schlepper in Sinsheim
Sternfahrt des Bauernverbands endete mit Protestkundgebung auf dem Stadionparkplatz. 800 bis 1000 Traktoren wurden gezählt.

Von Christian Beck und Tim Kegel
Sinsheim. Etwa 1000 Traktoren zählte der Kreisbauernverband bei der Kundgebung am Donnerstagnachmittag am Stadion, die Polizei sprach von 800. Erneut haben Landwirte unter anderem gegen die Streichung der Agrardiesel-Vergünstigung protestiert und sich für auskömmliche Preise für ihre Produkte starkgemacht. Einige kamen mit ihren Traktoren von weit her: In Weinheim sowie Hardheim waren die Kolonnen gestartet, auch aus dem Raum Ludwigsburg und dem Landkreis Karlsruhe waren Landwirte nach Sinsheim gekommen und hatten viele Stunden Anreise hinter sich. Unter anderem in Sinsheim sorgten die Schlepper für Verkehrsbeeinträchtigungen.
> Geplant war die Kundgebung bis ins Detail, wie schon zum Auftakt der bundesweiten Proteste am 8. Januar – viele Landwirte sind von Berufs wegen versierte Organisatoren. Bereits am späten Vormittag waren Helfer des Bauernverbands auf dem Parkplatz P9 an der PreZero-Arena zugange, organisiert wurde unter anderem die Versorgung mit Essen und Trinken, das Stadion stellte Toiletten zur Verfügung. Zur selben Zeit war auch die Polizei schon vor Ort.
> Hupen in den unterschiedlichsten Tonlagen und Tonfolgen waren ab 14.50 Uhr in Sinsheim den ganzen Nachmittag bis in den Abend hinein zu hören. So gut wie jeder in der Stadt dürfte die Aktion der Landwirte mitbekommen haben.
> Der Verkehr wurde von der Polizei mit zahlreichen Kräften geregelt. Die Strecken, auf denen die Landwirte anreisten, waren zuvor mitgeteilt worden, was die Verkehrsbeeinträchtigungen verringert haben dürfte. Die Polizei sorgte stellenweise dafür, dass der bis zu zweieinhalb Kilometer lange Tross auch über rote Ampeln fahren durfte. Stau gab es trotzdem: Gegen 16 Uhr leitete die Polizei zahlreiche Traktoren von der Jahnstraße über die Steinsberg- und Schwarzwaldstraße ans Stadion. Viele Autofahrer auf der Schwarzwaldstraße mussten deshalb lange warten, manche drehten um.
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> Vorwürfe an die Politik äußerten die Redner der Kundgebung, unter ihnen Jürgen Maurer, Vizepräsident des Landesbauernverbands. Er kritisierte unter anderem praxisferne Vorgaben im Betriebsablauf der Landwirte. Zudem distanzierte er sich klar von rechten und linken Positionen sowie jenen, die die Proteste der Landwirte unterwandern wollten.
Christian Coenen, Landesvorsitzender der Bewegung "Land schafft Verbindung", machte sich für drei Forderungen stark: Auskömmliche Preise, für Importware müssten die gleichen Gesetze gelten wie für heimische Ware sowie eine Herkunftskennzeichnung der Lebensmittel. "Alles andere ist Symptombekämpfung", sagte er. Wolfgang Guckert, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Rhein-Neckar, hatte betont: "Wir werden kämpfen!"
> Solidarität mit den Protesten war erneut vielfach zu sehen, einige Autofahrer reckten den Daumen nach oben, andere winkten am Straßenrand. Das berichtet auch Landwirt Tino Herkert aus Mudau, der mit dem Schlepper etwa fünf Stunden nach Sinsheim unterwegs war. "Manche haben uns auch Trinkflaschen und Brötchen auf den Traktor hochgereicht", berichtet er erfreut.
Auch unter den Landwirten herrscht ein Gemeinschaftsgefühl: "Dass so viele Kollegen zusammen an einem Strang ziehen, das ist sehr beeindruckend", findet Achim Mattern, Landwirt aus Helmstadt-Bargen und Vizevorsitzender des Bauernverbands Rhein-Neckar. Wie etliche andere aus der Region, will er am 15. Januar bei einer Großdemo in Berlin dabei sein.
> Arbeit und Zukunft: Dass auf dem Hof der Landwirte einiges an Arbeit liegenbleibt, wenn sie den ganzen Tag für eine Protestkundgebung unterwegs sind, erwähnte Philipp Henn aus Hettingen am Rande. Momentan wäre eigentlich eine gute Zeit zum Pflügen, Grubbern, oder etwas im Wald zu arbeiten. Oder die zahlreichen Formulare auszufüllen und Arbeiten zu dokumentieren.
Was das Alter anbelangt, waren die Teilnehmer der Demo breit gemischt. Einer der Jüngsten dürfte der 19-jährige Axel Ambiel aus Epfenbach gewesen sein, angehender Landwirt im dritten Lehrjahr. Sein Familienbetrieb möchte einen Stall bauen, doch die Vorgaben würden sich ständig ändern. Dabei gehe es gerade in der Landwirtschaft um längerfristige Planungssicherheit.
Er räumt ein, dass er manchmal zweifelt, ob das, was er lernt, Zukunft hat. Ein Indiz, dass mit den Protesten bereits etwas erreicht wurde, ist für Mattern, dass landwirtschaftliche Themen "in den großen Talkshows diskutiert werden".

