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Die wichtigsten Fragen und Antworten zur neuen Waffenverbotszone

Stadt und Polizei weisen in den Mannheimer Quadraten eine großflächige Verbotszone aus.

28.10.2023 UPDATE: 28.10.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 23 Sekunden
Dieses Schild macht am Hamburger Hauptbahnhof auf die dortige Waffenverbotszone aufmerksam. Foto: Fischer

Von Alexander Albrecht

Mannheim. Noch Anfang Mai haben Stadt und Polizei eine Waffenverbotszone abgelehnt, die sie nun für nötig halten und auf großer Fläche ausweisen. Die RNZ erklärt die Hintergründe.

Warum die überraschende Kehrtwende? Bei der Sitzung des Ausschusses für Sicherheit und Ordnung vor knapp einem halben Jahr hätten die Voraussetzungen für eine Waffenverbotszone laut einer "Gefahrenbewertung" der Polizei nicht ausgereicht, sagt der neue Fachdezernent Volker Proffen (CDU). Gleichzeitig habe man damals angekündigt, das Thema weiterhin "auf dem Schirm" zu haben. Inzwischen belege eine Sicherheitsbefragung eine steigende Kriminalitätsfurcht in der Innenstadt, im Jungbusch und der Neckarstadt-West. Dort haben Raub- und Körperverletzungsdelikte seit Frühjahr unter Androhung oder Einsatz eines Messers erheblich zugenommen. Polizeipräsident Siegfried Kollmar nennt konkrete Zahlen. Vor Mai kam es zu einem versuchten Tötungsdelikt, inzwischen sind es fünf. "Da hingen Leben am seidenen Faden", so Kollmar. Und er wolle nicht gefragt werden, warum die Polizei vorher nichts unternommen habe, wenn irgendwann ein Toter auf der Straße liege. Die Zahl der Metterattacken hat sich bis Ende September gegenüber dem Vorjahr in der Neckarstadt-West von vier auf zehn und in der Innenstadt gar von acht auf 23 erhöht. "Diese Tendenz wollen wir nicht weiter hinnehmen und rechtzeitig intervenieren", betont der Polizeipräsident. Ebenfalls deutlich ansteigend: Raubdelikte. Alleine in der Neckarstadt-West sind es in diesem Jahr schon 23, das sind 17 mehr als 2022.

Grafik: Stadt Mannheim

Darf die Stadt rechtlich überhaupt eine Waffenverbotszone ausweisen? Das hat der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete Boris Weirauch bereits Ende Februar beim Innenministerium in Stuttgart erfragt. Antwort: Verbotszonen können überall dort eingerichtet werden, wo es bereits mehrfach zu Straftaten mit Waffen gekommen ist und Wiederholungsgefahr droht. Und die Maßnahme muss zweitens der öffentlichen Sicherheit dienen. Beides ist hier aus Sicht von Polizei und Stadt nach einer gemeinsamen Lageanalyse der Fall.

Wo verläuft die Zone? Sie schließt neben dem Alten Messplatz in der Neckarstadt-West circa 80 Prozent der Innenstadt mit ein, aber auch die Kurpfalzbrücke, den Willy-Brandt-Platz vor dem Hauptbahnhof und den Friedrichplatz am Wasserturm. Unter www.rnz.de/mannheim gibt es eine Übersichtskarte.

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Welche Waffen sind verboten? Laut Waffengesetz ist das Mitführen von Schuss- und Schreckschusswaffen, Hieb-, Stoß- und Stichwaffen sowie Elektroschockern verboten. Die Rechtsverordnung der Stadt geht noch weiter und untersagt auch Messer mit einer mehr als vier Zentimeter langen Klinge.

Was ist das Ziel? Kollmar bringt es auf den Punkt: "Die Zahl schwerer Straftaten einzudämmen und das subjektive Sicherheitsgefühl zu erhöhen." Generell werde Mannheim von den meisten Menschen als sichere Stadt wahrgenommen, ergänzt Bürgermeister Proffen. Dass immer mehr Menschen eine Waffe bei sich hätten, sei ein bundesweites Problem.

Aber warum ist das eigentlich so? Kollmar kann sich das selbst nicht erklären. Die Kurpfälzer seien ein friedliches Völkchen, und er selbst fühle sich in der Mannheimer Innenstadt sehr wohl.

Darf die Polizei jeden kontrollieren? Nein. Sogenannte anlasslose Überprüfungen sind nach wie vor ausgeschlossen. Die Beamten hätten für mögliche Waffenträger einen geschulten Blick, so Kollmar. Es werde aber künftig definitiv stärker kontrolliert. Die Polizei hat ihre Präsenz auf den Straßen bereits erhöht, zu Fuß, auf dem Rad und mit dem Fahrzeug. Dank eines vor wenigen Wochen eingeführten Konzepts und der "Ermittlungsgruppe Quadrate" ist es gelungen, fünf Personen in Haft zu nehmen. Gegen neun weitere Beschuldigte wird noch ermittelt. Kollmar will auch Kollegen vom Präventionsreferat mit auf Streife schicken – mit dem Ziel, dafür zu sensibilisieren, dass Waffen erst gar nicht mitgeführt werden.

Gilt die Waffenverbotszone rund um die Uhr? Nein, kontrolliert wird die städtische Verordnung in den Nächten auf Samstage sowie Sonn- und Feiertage, jeweils von 20 bis 6 Uhr. Das sind aus Polizeisicht die "kritischen Zeiten". Die Verbotszone soll ein Jahr lang getestet werden, der Beginn ist für Ende November geplant. "Wir wollen Erfahrungen sammeln, vielleicht erweist sich der Versuch als stumpfes Schwert, oder es muss nachgebessert werden", sagt Kollmar. Er warnt vor überzogenen Erwartungen: Waffenverbotszonen seien kein Wunderwerkzeug, sondern lediglich ein Baustein von vielen. Kollmar wäre schon zufrieden, wenn die Beamten einige wenige Messer beschlagnahmten und dadurch möglicherweise Leben gerettet werden könnten.

Was droht jemandem, der mit einer Waffe erwischt wird? Die Person muss mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 10.000 Euro rechnen. Außerdem können die Beamten die Waffen dauerhaft sicherstellen und müssen sie nicht mehr zurückgeben, selbst wenn keine Gefahr in Verzug ist.

Wird die Verbotszone mit Hinweistafeln gekennzeichnet? Das ist laut Proffen noch nicht klar, rechtlich verpflichtet sei die Stadt dazu nicht.

Welche Erfahrungen haben andere Städte gemacht? Unterschiedliche. Nach Angaben der Mannheimer Stadtverwaltung und der Polizei ist ein Großteil der gefundenen Waffen zufällig bei Kontrollmaßnahmen entdeckt worden. Hamburg und Köln werten ihre Zonen als Erfolg, das subjektive Sicherheitsempfinden habe sich dort erhöht. Das ist in Leipzig nicht gelungen, es blieb nach drei Jahren vielmehr unverändert. Deshalb hat die Stadt die Zone wieder abgeschafft.

Wie geht es jetzt weiter? Zwei Fachausschüsse des Gemeinderats sollen am 7. November über die Rechtsverordnung beraten und eine Empfehlung abgeben. Die Entscheidung trifft dann der Gemeinderat eine Woche später.

Warum so eilig? Proffen sagt, Bürger und Gäste sollen sich schon zu Beginn der Weihnachtsmärkte sicher fühlen. Opfer eines Angriffs kann theoretisch jeder werden, sagt Kollmar. In einem Fall sei ein Mann in einer Kneipe bedroht und aufgefordert worden, sein Handy herauszurücken. Als er sich weigerte, sei er verfolgt und mit einem Messer verletzt worden.

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