Waibstadt

Bei der Waldbegehung gab es viele Fragen zur Windkraft

Rund 100 Menschen interessierten sich für den möglichen Standort der Windräder in einem respektvollen Dialog.

05.10.2023 UPDATE: 05.10.2023 06:00 Uhr 4 Minuten, 53 Sekunden
Nicht nur Waibstadter waren bei der wohl am besten besuchten Waldbegehung vor Ort. Christiane Freitag (vorne Mitte) vom Forum Energiedialog Baden-Württemberg moderierte die Veranstaltung. Foto: Anjoulih Pawelka

Von Anjoulih Pawelka

Waibstadt. Das sei die mit Abstand beste und informativste Veranstaltung zum Thema Windkraft gewesen, und sie habe schon einige davon besucht, lobte eine Frau am Ende der Waldbegehung Bürgermeister Joachim Locher. Vor allem das gegenseitige Zuhören und den Dialog der Teilnehmenden fand sie "ganz arg toll".

Rund 100 Bürgerinnen und Bürger kamen zur Waldbegehung, zu der die Stadt eingeladen hatte, an den möglichen Windradstandort. Dort konnten die Interessierten Fragen zum Thema Windkraft an Experten stellen. Zu diesen gehörten zum einen die beiden Förster Philipp Schweigler und Thomas Glasbrenner, aber auch zwei Mitarbeiter der Firma Statkraft, die die Windräder im Gewann Saugrund und im Großen Wald bauen möchte.

So viel Platz wäre in der Bauphase für ein Windrad nötig. Foto: Anjoulih Pawelka

Und die Bürgerinnen und Bürger hatten viele Fragen, daher ging die Veranstaltung mehr als zwei Stunden. Zu Beginn betonte Bürgermeister Joachim Locher, dass dies keine "Werbeveranstaltung" für Windkraftanlagen sei. "Wir werden nur informieren." Die RNZ hat einen Überblick:

> Wie steht es um den Wald?

Schweigler erklärte, dass in dem Bereich, in dem die Windräder gebaut werden sollen, vor allem Buchen stehen. Sie sind zwischen 100 und 120 Jahre alt. Die Bäume seien bisher noch relativ gut mit der Hitze klargekommen. Doch mittelfristig werde es den Bäumen zu trocken. Er sagte: "Wir sehen schon, dass die Buche massiv gelitten hat." Pro Jahr würden zwischen 4000 und 5000 Festmeter Holz im Wald gefällt, dieses Jahr waren es sogar 6000 Festmeter. Diese Menge würden aber im gesamten Wald geschlagen, ergänzte Glasbrenner, der auch hinzufügte, dass der Wald zwischen Daisbach und Waibstadt der beste Wald sei, den die Stadt habe. "Wenn es überall so gut wäre, wären die Förster froh."

> Wie viel Hektar Fläche müsste insgesamt für die Windräder gerodet werden?

Zehn bis elf Hektar seien es, erklärte Andreas Wagner, der Projektmanager von Statkraft. Die Hälfte davon werde aber wieder direkt aufgeforstet. Dauerhaft blieben circa 0,6 Hektar Fläche pro Windrad frei. Für die Lagerflächen der Baustelle kämen noch einmal 0,2 bis 0,4 Hektar hinzu. Insgesamt würde von den rund 620 Hektar Waibstadter Wald ungefähr ein Prozent dauerhaft für die Windräder weichen müssen. Eine andere Frage bezog sich darauf, wie breit die Wege sein müssen, damit die Maschinen zur Baustelle durchkommen. Wagner erklärte, man plane mit einer Wegbreite von insgesamt sechs Metern, in der Höhe sind es fünf Meter. Die Wege seien aber schon recht breit. Man bräuchte "kaum Eingriffe für die Zuwegung". Statkraft habe sich schon zusammen mit dem Förster Gedanken gemacht, wie das am besten funktioniert. Im Kurvenbereich müsste man aber etwas wegschneiden.

> Wie läuft die Aufforstung ab?

"Wie genau die Aufforstung ablaufen wird, können wir jetzt noch nicht sagen", erklärte Wagner. Sie würde aber in "enger Zusammenarbeit mit dem Forst und den Naturschutzbehörden" gemacht werden. "Statkraft wird sich da nicht querstellen." Die Firma wolle möglichst regional und am besten in Waibstadt aufforsten. Man möchte "zukunftsfähigen Mischwald" anpflanzen und wäre auch bereit, die doppelte Menge an Bäumen anpflanzen zu lassen. Bezüglich des Zeitraumes sagte Glasbrenner: "Es ist ein Generationenprojekt, wie alles im Wald."

> Was passiert mit dem Fundament der Windräder beim Rückbau?

Das Fundament muss laut Wagner komplett entfernt werden. Das würde so dann auch im Nutzungsvertrag und dem Genehmigungsbescheid stehen. Außerdem gebe es eine Bürgschaft, die könnte man dann bei der Bank einlösen, falls Statkraft aus irgendeinem Grund nicht in der Lage wäre, die Kosten aufzubringen. Dafür zahlt die Firma der Bank eine monatliche Gebühr, und im Falle eines Bankrotts springt dann die Bank für Statkraft ein. Zum Thema Rückbau hatte ein anderer Bürger auch die Frage, ob dafür dann auch wieder Wald gerodet werden muss. Das verneinte Wagner, da die Anlagen zerlegt würden und man dann keine großen Transporter brauche.

> Können die Anlagen länger als die geplanten 25 Jahre genutzt werden?

Man könne den TÜV kommen lassen, der die Anlagen begutachtet. Falls noch alles in Ordnung sei, könnten die Windräder noch ein paar Jahre lang weiterlaufen. Dafür bekommt die Stadt dann weiterhin Pacht. Wenn die alten Anlagen abgebaut werden müssten, könnte es durchaus sein, dass Statkraft dort neue Anlagen baut. "Aber da reden wir jetzt vom Jahr 2055", meinte Wagner und sein Kollege ergänzte, dass es gut sein könne, dass es in 20 Jahren ein Ersatzteil gebe, um die Anlagen länger laufen zu lassen. Würden dort neue Anlagen gebaut, die dann auch größer seien, wäre das ein komplett neues Projekt. Das hieße, das alte Fundament müsse dann auf jeden Fall aus der Erde. Es könnte aber sein, dass dann leistungsstärkere Windräder in den Wald kämen, dafür aber weniger. "Wir haben natürlich kein Interesse daran, zu sagen, ,das ist ein Wegwerfprodukt" und dauernd neue Anlagen zu bauen.

> Warum kommen die Windräder in den Wald und nicht an den Waldrand oder auf freie Flächen?

"Wir planen nicht, weil wir gerne im Wald stehen und gerne Bäume roden", sagte Wagner. Der Bund habe das Ziel ausgegeben, dass in jedem Bundesland zwei Prozent der Fläche für Windkraft genutzt werden muss. Rund 40 Prozent der Fläche in Baden-Württemberg besteht aus Wald. Wenn man diese aus den Planungen ausklammere, blieben nur noch Siedlungs- und Verkehrsflächen übrig sowie landwirtschaftliche Flächen. Und diese seien meist relativ nahe an der Wohnbebauung. Da könnte man dann nicht die Mindestabstände der Windräder zu den Dörfern und Städten einhalten. "Sie kommen nicht drum herum, in Baden-Württemberg auch Waldprojekte zu machen", sagte Wagner. Die Flächen im Großen Wald seien schon vor seiner Zeit Potenzialflächen für Windräder gewesen, erklärte der Bürgermeister. Die Fläche sei von der Höhe gut, und es würde viel Wind wehen. Außerdem seien die Windräder dann so weit wie irgendwie möglich von den Häusern in Daisbach und Waibstadt entfernt. Außerdem habe die Stadt keine geeigneten Freiflächen. Von denen kämen auch nur sehr, sehr wenige in Betracht, die weit genug von den Siedlungen entfernt sind.

> Ist der Infraschall, den die Windräder erzeugen, gefährlich?

"Jedes elektrische Gerät, das sich dreht, erzeugt erst mal Infraschall", erklärte Wagner. Die größte Infraschallquelle sei das Meeresrauschen. "Davon ist bisher auch noch keiner krank geworden". Es gebe keine Studie, die zeige, dass Infraschall die Menschen gesundheitlich schädige. Ein Bürger erwähnte in diesem Zusammenhang auch, dass sich in der Studie, die das Gegenteil beweisen sollte, die Verfasser verrechnet haben – was beim Nachprüfen im Jahr 2021 rausgekommen wäre.

> Wie könnten die Bürger von den Anlagen profitieren?

Dazu verwies Locher auf die Infobroschüre der Stadt. Man könne sich finanziell an den Anlagen beteiligen. Aber auch eine mögliche Bürgergenossenschaft wäre denkbar. Das würde die Stadt dann gegebenenfalls organisieren. Der Bürgermeister sagte, dass man mit den drei bis vier Millionen Euro im Jahr, die die Stadt als Pacht bekommen würde, "Dinge machen kann, die man jetzt nicht machen kann", und nannte als Beispiel gleichbleibende Kindergartengebühren, eine Grundsteuerreform oder dass die Stadt Fotovoltaikanlagen auf Dächern fördern könnte. "Ich will nicht zu viel versprechen, aber ich weiß genau, dass wir das Geld, das wir einnehmen könnten, nicht auf ein Sparbuch legen."

Viel Applaus bekam auch ein Bürger zum Ende der Veranstaltung, als er in die Runde fragte, ob denn jedem klar sei, wenn beim Bürgerentscheid am 10. Oktober in der Stadthalle gegen die Windräder gestimmt würde, dass dann in ein paar Jahren jeder Privatmann und jeder Investor Windräder bauen könnte – ohne einen großen Bürgerdialog und ohne die berechtigten Bedenken ernst zu nehmen.

Dieser Artikel wurde geschrieben von:
(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.