Plus Eberbach

Smokin' Guitars Festival am Wochenende

Gitarren in die Koffer und Bühne frei für die 6. Auflage in Pleutersbach vom 16. bis 17. September.

14.09.2023 UPDATE: 15.09.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 49 Sekunden
Friedel Geratsch. Foto: CBG-Friends ​

Von Wolf H. Goldschmitt

Eberbach. Als "Cigarbox Gery" kennt man ihn heute, den ehemaligen Frontmann von "Geier Sturzflug". Mit "Bruttosozialprodukt" hat die Band Popgeschichte geschrieben. Momentan probt Friedel Geratsch, der 71-Jährige mit dem Hut und der Sonnenbrille, für sein letztes Livekonzert auf einem außergewöhnlichen Instrument mit vier Saiten. "Woodstock, Wacken, Pleutersbach" gilt als die inoffizielle Hymne jenes Events, auf dem er Abschied von der Bühne nimmt: das "Smokin‘ Guitars Cigarboxguitar Festival" in Pleutersbach.

"Ich trete als One-Man-Band auf – mit Cigarboxgitarre und Schlagzeug wie ein Straßenmusiker. Eine dreiviertel Stunde geht die Post mit eigenen Titeln ab", sagt der Künstler im Gespräch. Länger soll das Konzert nicht dauern. "Ich habe Arthrose und seit über vier Jahren nicht mehr öffentlich gespielt", erklärt er.

Steve 
Arvey. Foto: CBG-Friends ​

Der "eigentlich handwerklich unbegabte" Künstler hat vor Jahrzehnten sein Faible für die Cigarbox entdeckt und seither unzählige Instrumente aus Abfall selbst zusammengebaut. Kreativität ist ihm also nicht abzusprechen, zumal er auch ausrangierte Samsonitekoffer in Lautsprecherboxen oder Basstrommeln verwandeln kann. Obwohl er nicht mehr auf Tour geht, arbeitet der frühere Pionier der "Neuen Deutschen Welle" im Studio. Drei verschiedene Alben hat er in diesem Jahr mit unterschiedlichen Kunstlern produziert. "Neulich habe ich in zwei Wochen 49 Songs komponiert", erzählt er und erläutert augenzwinkernd den Aktionismus: "In meinem Alter bleibt einem eben nicht mehr so viel Zeit".

Mit der Wahl von Pleutersbach als Abschluss seiner Bühnenkarriere zieht Friedel Geratsch symbolisch den Hut vor dem renommierten Festival der Saitenakrobaten.

Festivalgründer Fabian Fahr alias "Captn Catfish" lässt sogar aus Übersee einen Akteur einfliegen: Steve Arvey aus Chicago kennt Pleutersbach bereits. Dort war er im Rahmen seiner Europatour vor einem Jahr zu Gast. Als "Zuckerl" für die Fans der Cigarbox veranstaltet der Musiker auch Workshops für Anfänger und Fortgeschrittene. Neben weiteren internationalen und deutschen Größen der Szene wird natürlich auch Gastgeber Captn Catfish auf seiner Heimatbühne in die Saiten greifen und seinen neuen Sommersong "Thin Ice" anstimmen.

Ein Blick auf die Händlerliste beim kommenden "Guitar Summit" im Mannheimer Rosengarten zeigt, dass es heute nahezu für jedes Budget einen Sechssaiter gibt. Ob ein Starterset für unter 100 Euro, mit dem man die Nachbarschaft quälen kann oder ein Custom-Shop-Instrument im vierstelligen Bereich, das nach eigenen Vorgaben gebaut wird? Kein Problem. Doch wer Geld sparen, geschickt die Muskeln und den Einfallsreichtum aktiviert und sein Instrument selbst bauen möchte, kann Material und Ausrüstung einfacher denn je bekommen. Das Ergebnis heißt dann Cigar Box Guitar mit ein bis vier Saiten – Kenner sprechen von einer "CBG" und die klingt viel exotischer als die "schnöde" Gitarre.

Ein Blick in die Geschichte der Box, die ihre Renaissance erlebt: Der Ursprung der ungewöhnlichen Musikinstrumente lässt sich bis ins Jahr 1840 zurückverfolgen und, was vielleicht nicht überraschend ist, mit der Entstehung der kleinen, tragbaren Zigarrenkiste. Aufgrund ihrer geringen Größe und weiten Verbreitung eignete sie sich perfekt für ein kostengünstiges Instrument.

Im Jahr 1876 wurde der erste illustrierte Beweis für seine Existenz in Frank Leslies Newspaper veröffentlicht: Eine Radierung des Künstlers Edwin Forbes, die zwei Bürgerkriegssoldaten auf einem Campingplatz zeigt, von denen einer eine Zigarrenkistengeige spielt. In den 30er Jahren erlebte die Zigarrenschachtelgitarre einen Aufschwung, nicht zuletzt aufgrund der Weltwirtschaftskrise.

 Da Musikinstrumente für viele unbezahlbar warem, nahm man einfach eine alte Zigarrenkiste, einen Besenstiel, Drähte und eine Fliegengittertür, um die praktikable Alternative zu schaffen für dringend benötigte Quelle der Unterhaltung in harten Zeiten. Nach dem Krieg und mit dem Aufschwung der Wirtschaft schien es, als würde die CBG in die Geschichte eingehen.

Doch im letzten Jahrzehnt begann die Erneuerung. Zum Teil liegt es an den bekannten Musikern, die ihre ersten Erfahrungen mit einem selbstgebauten Instrument gemacht haben. Jimi Hendrix, Roy Clark und Carl Perkins begannen so. Sie sind auch die Verbindung zur Delta-Blues-Szene. Friedel Geratsch sieht zwei Kernkomponenten für die Wiederentdeckung seines Lieblingsinstrumentes. Zum einen dessen Spaßfaktor und die Eigenartigkeit, denn es wirkt von Anfang an irgendwie "kaputt" und sieht einfach nicht so aus, als ob es überhaupt Musik machen könnte.

Captn Catfish. Foto: CBG-Friends ​

Als anderen Grund nennt der Experte die kreative Freiheit, die CBGs ihren Besitzern geben. Es gibt keine Regeln für den Aufbau oder das Spielen. Während der Rest der Welt die Tabulatur von Eric Clapton oder Pink Floyd wieder und wieder aufwärmt, beschreiten die Protagonisten der Cigar Box Guitar neue Wege und schreiben wie beim kommenden Festival in Pleutersbach inzwischen selbst Geschichte.

Info: Eberbach-Pleutersbach, Samstag, 16., September, 15 Uhr, Sonntag, 17. September, 16 Uhr, Ersheimer Straße. Weitere Infos auf www.cbg-friends-germany.de. Eintritt frei.