Wer soll beim Bürokratiemonster Windenergie noch durchblicken?
Die Freien Demokraten fordern die Einhaltung der Planungsregelungen und sorgen damit für Verwirrung.

Von Harald Berlinghof
Rhein-Neckar. Flächennutzungsplan, Regionalplan, Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim, Verband Region Rhein-Neckar (VRRN), die Kommunen, das Land, der Bund und nicht zuletzt die Grundstücksbesitzer. Bei der Ansiedlung von Windenergie haben viele Akteure ein Wörtchen mitzureden. Aber wie sieht die Reihenfolge in der Hierarchie der Beteiligten aus? Wer soll das noch durchschauen, wenn selbst Experten gegenwärtig von einer Übergangszeit sprechen, bis der Regionalplan Windenergie Ende 2025 Rechtskraft erlangt? Danach wird alles anders. Vielleicht.
Beispielhaft vor Augen geführt wird im Moment das Dilemma am Streit um den Windenergieaufbau am Lammerskopf. Wer ist da zuständig? Die Stadt Neckargemünd, die Flächen im südlichen Teil des Gebiets Lammerskopf besitzt, Forst BW, der Eigentümer des größten Anteils der Fläche ist oder der Verband Region Rhein-Neckar? Auch die Stadt Heidelberg ist am Lammerskopf mit einem kleinen Anteil der Flächen mit im Spiel. Und nur für diese Flächen kann auch der Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim und sein Flächennutzungsplan eine Rolle spielen, weil sowohl Neckargemünd als auch Schönau/Odenwald nicht mehr zum Nachbarschaftsverband dazu gehören.
Zu diesem Thema hat sich jetzt die FDP Rhein-Neckar geäußert und ihren Unmut darüber kundgetan, dass Forst BW eine Ausschreibung quasi am Verband vorbei auf den Weg gebracht hat. "Es gibt aktuell kein Baurecht für Windräder am Lammerskopf, da es dort kein Vorranggebiet gibt", sagt Claudia Felden, Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Kreistag des Rhein-Neckar-Kreises und FDP-Vertreterin im VRRN.
"Zuständig ist nach derzeitiger Rechtslage der Verband Region Rhein-Neckar und sonst niemand. Meiner Meinung nach muss man von Forst BW erwarten können, dass sich die dort zuständigen Personen an die vom Landesgesetzgeber vorgegebene Reihenfolge halten", fährt sie schweres Geschütz auf. Doch die Experten bremsen den Überschwang der Regionalpolitikerin.
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Gegenwärtig gibt es Diskussionen darüber, ab wann eine Priorität des Regionalplans gültig wird. Auch Stefan Hildebrandt, Erster Landesbeamter im Rhein-Neckar-Kreis und ständiger Vertreter des Landrats, bestätigt, dass bis zum Erreichen des Ziels, 1,8 Prozent der Fläche der Metropolregion für Windkraftanlagen zur Verfügung zu stellen, andere Regeln gelten als danach. Man könnte von einer Übergangsfrist sprechen.
Grundstücksbesitzer haben bis dahin im Außenbereich, also außerhalb des bebauten Bereichs, die Möglichkeit, potenziellen Investoren die Ansiedlung von Windrädern anzubieten, wenn die sich an allgemeine Auflagen wie Abstandsgebote oder Naturschutzbelange halten. Dazu wird ein emissionsrechtliches Genehmigungsverfahren nötig. Das Risiko, dass Windräder nicht genehmigt werden, liegt letztlich beim Investor.
Insofern habe Forst BW mit seiner Ausschreibung nur getan, was rechtlich möglich ist. Ob der Lammerskopf als Vorranggebiet ausgewiesen ist oder nicht, spielt gegenwärtig für eine Genehmigung nämlich keine Rolle. Und wenn der VRRN die Landesvorgabe von 1,8 Prozent Fläche für die Windkraft bis 2025 verfehlen sollte, wird sich daran auch nichts ändern. Die gegenwärtige Übergangszeit würde dann zum Normalfall.
Ein Problem bei gegenwärtigen Ausschreibungen für Windparks besteht vor allem auf Seiten der Investoren. Zum jetzigen Zeitpunkt, also zwei Jahre vor dem Datum, ab dem die prozentuale Vorgabe von 1,8 Prozent der Fläche erreicht werden muss, enorme Summen für solche Anlagen in Bereichen ohne Vorrangstatus zu investieren, ist ein finanzielles Risiko, weil man nicht wissen kann, ob die Fläche nach 2025 noch zur Verfügung steht.
Denn schafft der Verband das 1,8-Prozent-Ziel, dann erhält der Regionalplan Rechtskraft und Windanlagen sind nur noch auf Flächen zulässig, die dort oder in Bauleitplänen für Windenergie ausgewiesen sind. Deshalb schauen mögliche Investoren ganz genau hin, was zumindest im Entwurf der Fortschreibung des Regionalplans Windenergie, der Ende des Jahres vorgelegt werden soll, enthalten ist. "Investoren brauchen Planungssicherheit, sonst riskieren sie, dass die Anfangsinvestitionen verbrannt sind", sagt Hildebrandt. In der jüngsten Sitzung des VRRN-Planungsausschusses hatte Verbandsdirektor Ralph Schlusche betont, dass man im baden-württembergischen Teilbereich der Region auf einem guten Weg sei und das Ziel voraussichtlich erreichen werde.
In einem Punkt haben die Freien Demokraten allerdings unzweifelhaft recht. "Die Energiewende ist eine gemeinsame Aufgabe, die nur erfolgreich bewältigt werden kann, wenn die Verfahren zur Genehmigung von Windenergieprojekten transparent, nachvollziehbar und demokratisch gestaltet sind", betonen sie. Diese Aussage duldet keinen Widerspruch...