Ein neuer Standort ist vorerst vom Tisch
Die Stadt prüft eine Sanierung des Stadions detaillierter. Das sah auch die Mehrheit im Hauptausschuss des Gemeinderats so.

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Auf seine alten Tage als Oberbürgermeister bietet Peter Kurz tatsächlich noch eine Wette an. Zu 99,9 Prozent würde ein neues Fußballstadion niemals im Bösfeld gebaut, legt sich das scheidende Stadtoberhaupt in der Sitzung des Hauptausschusses des Gemeinderats fest. Dagegen sprächen nicht der politische Wille, sondern die Fakten.
Während Kurz den Standort in Nachbarschaft zur SAP-Arena wahlweise als "Wolkenkuckucksheim" bezeichnet oder mit dem "Siemens-Lufthaken" vergleicht, verweist Jürgen Hammer vom Umweltamt auf die klare Absage des Regierungspräsidiums Karlsruhe unter Bezug auf die streng geschützten Feldhamster, Mauereidechsen und Haubenlerchen in dem Gebiet. Und: Nach der kommunalen Klimaanalyse würde ein Stadion an dieser Stelle die Frischluftzufuhr beeinträchtigen. Also klares Nein zum Bösfeld.
Klar ist aber auch: Falls der SV Waldhof in die 2. und irgendwann sogar in die 1. Liga aufstiege, müssten Begegnungen im bestehenden, inzwischen 30 Jahre alten Carl-Benz-Stadion mit aktuell 24 300 Plätzen spätestens um 20.15 Uhr an- und um 22 Uhr abgepfiffen werden. Das legt die Sportanlagenlärmschutzverordnung fest. Das Problem: Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) legt den Clubs der beiden obersten Liga auf, dass Abendspiele auch noch um 20.30 Uhr beginnen können.
Und es gibt noch zwei weitere Argumente gegen das Carl-Benz-Stadion (CBS). Erstens will Waldhof-Präsident und Mäzen Bernd Beetz bislang nur in eine neue Heimspielstätte der "Buwe" an einem anderen Standort investieren. Zweitens bräuchte es im CBS aus Sicht des Clubs deutlich mehr VIP-Plätze. Die Stadt als Eigentümerin hat nach dem Drittliga-Aufstieg des SV Waldhof bereits 3,6 Millionen Euro in das Stadion gesteckt: für Rasenheizung, Licht und Akustik.
Auch interessant
Weitere sieben Millionen Euro sind im vergangenen Jahr an Soforthilfen bereitgestellt worden, zum Beispiel für eine bessere Stromversorgung und eine neue Flutlichtanlage. Trotz der Standortnachteile tendiert die Stadt zu einem Umbau des CBS statt zu einem Neubau. Der Hauptausschuss folgt mehrheitlich dem Vorschlag der Verwaltung, eine Machbarkeitsstudie erstellen zu lassen. Gutachter sollen ermitteln, was es kosten würde, das bisherige Stadion so zu modernisieren, dass es die Regelungen der Lärmschutzverordnung erfüllt, über ausreichend VIP-Plätze verfügt und bereits festgestellte Sicherheitsmängel zu beseitigen.
Nach der vorläufigen Einschätzung des Rathauses bräuchte es unter anderem ein neues Flachdach, damit der Schall "nach oben" und nicht – wie jetzt – in den benachbarten Stadtteil Neuostheim "abstrahlt", was laut Kurz eine große finanzielle Herausforderung ist. Die Investitionen kämen noch oben drauf zu denen, die ein Gutachter bereits errechnet hat: weitere 22 Millionen Euro beim Verbleib in der 3. Liga, 49 Millionen Euro sind es bei einem Aufstieg in die 2. Liga und 61 Millionen Euro in Liga eins. Vorab geprüft hat die Stadt zusammen mit den Waldhof-Verantwortlichen zwei Alternativstandorte.
Ein Stadion für 16.000 Zuschauer auf dem ehemaligen Gelände der Spiegelfabrik im Stadtteil Luzenberg würde ähnliche Lärmprobleme wie in Neuostheim aufwerfen. Viel mehr Besucher würden wohl nicht genehmigt. Noch ein gravierender Nachteil: Ein neues Wohnquartier, das Mannheim dringend braucht, könnte dann nicht mehr entstehen. Die Stadt hat auch keine Baugenehmigung für das Gelände, das sie noch erwerben müsste. Bis zu 600 Wohneinheiten könnten in der "Spiggl" entstehen.
Solche Dimensionen wären dort, wo das CBS steht, nicht möglich, sagt Kurz. Und erinnert an die umliegenden Stätten anderer Vereine. Der Traditions-Fußballclub VfR Mannheim spielt gleich nebenan im Rhein-Neckar-Stadion; der Reiterverein, die Hockeyspieler des TSV Mannheim sowie die Baseballer und Softballerinnen der Tornados sind weitere Nachbarn.
Zweiter möglicher Alternativstandort ist der Großparkplatz P 20. Dafür spricht: Lärmschutz ist kein Problem, und das Stadion könnte größer ausfallen als zum Beispiel auf dem Luzenberg. Der Parkplatz liegt allerdings direkt neben dem Flughafen. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung und das Regierungspräsidium lehnen ein neues Stadion hier ab. Dessen Volumen würde einerseits die Navigations- und Kommunikationseinrichtungen des Flughafens so beeinträchtigen, dass eine sichere Abwicklung des Flugverkehrs nicht mehr gewährleistet sei. Außerdem würde das Stadion zu Turbulenzen beim Abflug und der Landung der Maschinen und damit zu einem "nicht tolerablen" Risiko führen.
Dennoch kann sich Kurz vorstellen, dass die Stadt P 20 irgendwann vertiefter unter die Lupe nimmt, sollte man sich gegen eine Sanierung des CBS entscheiden. Das würde gleichermaßen das Aus für den Flughafen bedeuten – und für den Linienverkehr der Rhein-Neckar-Air. Die Fraktionen der Grünen und der Li.Par.Tie hatten das im vergangenen Jahr im Gemeinderat beantragt, jedoch keine Mehrheit dafür gefunden.




