Mathaisemarkt Schriesheim

Stadt übt nach Angriff auf Bürgermeister-Stellvertreter keine Kritik an Festzug-Teilnehmern

Michael Mittelstädt half am Sonntag dabei, den Festumzug nach der Bombendrohung aufzulösen. Es gab auch Beschwerden über massive Lärmbelästigung.

11.03.2023 UPDATE: 22.03.2023 20:04 Uhr 4 Minuten, 17 Sekunden
Während des Festzugs war Michael Mittelstädt noch in der Gruppe der Stadträte mitgelaufen (l.). Kurz danach wurde er körperlich attackiert. Die Attacke spielte sich rund um den Wagen der Sportschützen ab. Fotos: Dorn

Schriesheim. (hö) Auch wenn sich alle einig waren, dass der Mathaisemarkt-Festzug gerade besuchermäßig ein großer Erfolg war, so wurde er aber durch die anonyme Bombendrohung, aber auch durch die tätlichen Angriffe auf den Bürgermeisterstellvertreter Michael Mittelstädt sowie erhebliche Lärmbelästigungen überschattet. Danach hatte die Stadt angekündigt, mit den Vereinen auch über diese Vorfälle reden zu wollen; als Termin war der Dienstag angesetzt. Dabei handelte es sich allerdings um ein turnusmäßiges Treffen, das es immer direkt nach dem Mathaisemarkt gibt – und zwar nicht-öffentlich.

Wie die RNZ aus Teilnehmerkreisen erfuhr, wurden die Vorfälle nicht weiter thematisiert, die deutlichen Worte des Rathauses mit Vereinen, die unangenehm aufgefallen waren, blieb also aus. Lediglich auf den enormen Lärm, der von etlichen Lautsprechern auf den Festzugwagen ausging, kam man kurz zu sprechen, ansonsten ging es eher um eine effektive Organisation der Veranstaltung – wie zum Beispiel mehr Streckenposten, um Lücken beim Festzug zu vermeiden. Ansonsten sei dieses Treffen, das Ordnungsamtschefin Julia Geiss anstelle des erkrankten Bürgermeisters Christoph Oeldorf leitete, relativ unspektakulär und harmonisch gewesen.

Eine RNZ-Anfrage ans Rathaus, wie das Gespräch mit den Vereinen verlaufen ist, blieb bis zum gestrigen Redaktionsschluss unbeantwortet. 

Update: Mittwoch, 22. März 2023, 20.03 Uhr


Bürgermeister-Stellvertreter von Mann tätlich angegriffen

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Von Micha Hörnle

Schriesheim. Am Sonntagnachmittag wurde Bürgermeisterstellvertreter Michael Mittelstädt körperlich attackiert, als er mithalf, nach der Bombendrohung den Festumzug kontrolliert aufzulösen. Mittelstädt stand mit Bürgermeister Christoph Oeldorf an der Passein, als die Polizei die Meldung mit dem Drohanruf überbrachte.

Man besprach sich kurz, was in dieser Ausnahmesituation zu tun sei: Oeldorf eilte ins Rathaus, Mittelstädt ging die Wagen in der Heidelberger Straße ab, um den Fahrern zu sagen, sie sollten weiterfahren, die Zugteilnehmer sollten nach Hause gehen.

Allerdings wollte der Wagen des Sportschützenvereins dieser Aufforderung zunächst nicht Folge leisten. Es sollen sogar gerüchteweise vom Wagen Beleidigungen gegen Mittelstädt gerufen worden sein. Ein junger Mann, offenbar der Sohn eines Sportschützen, der oben auf dem Wagen stand, näherte sich Mittelstädt und versetzte ihm einen heftigen Kopfstoß.

Der Bürgermeisterstellvertreter ging aber weiter, um möglichst viele Wagenfahrer anzusprechen. Als er nach einiger Zeit zurückkam, traf er wieder auf den offenbar recht angetrunkenen Schläger, deutete auf seine geschwollene Nase und sagte: "Das hier ist Deine Anzeige."

Darauf versetzte der Mittelstädt einen heftigen Schlag mit der Hand oder der Faust. Die Verletzungen waren zum Glück eher leichter Natur, die Nase war nicht gebrochen, allerdings hat Mittelstädt jede Menge Blutergüsse.

Der junge Mann ist namentlich bekannt. Zum Zeitpunkt der Tätlichkeit trug er eine KSV-Jacke; Fotos beweisen, dass er bei der KSV-Zugnummer mitlief. Auf RNZ-Anfrage sagte KSV-Vorsitzender Herbert Graf, dass der mutmaßliche Schläger kein Mitglied seines Vereins ist. Der Vorsitzende des Sportschützenvereins, Georg Berg, teilte der RNZ mit: "Die Körperverletzung hat sich zwar in der Nähe unseres Wagens abgespielt, aber keiner von meinen Leuten war darin involviert!"

Das Entscheidende an diesem Vorfall: Auch wenn Mittelstädt zum Zeitpunkt der Attacken nicht mehr seine Festzugsschärpe trug, die ihn als Mitglied des Gemeinderates "auswies", handelte er nach der Bombendrohung nicht als Privat-, sondern als Amtsperson. Das bestätigte das Rathaus auf RNZ-Anfrage: "Herr Mittelstädt war sowohl während des Umzugs als auch im Rahmen der Auflösung als ehrenamtlich tätiger Gemeinderat anwesend und hat unter anderem die hauptamtlich tätigen Bediensteten der Stadt unterstützt." Deswegen hat nicht nur Mittelstädt Anzeige gegen den jungen Mann erstattet, auch das Rathaus wird es tun. Auch mit den Sportschützen will die Stadtverwaltung ein Gespräch führen, wie sie gegenüber der RNZ ankündigte. Überhaupt wird es in den nächsten Tagen einen Pflichttermin für alle Vereine geben, die am Festumzug teilnahmen: Hier soll über die Vorfälle am letzten Sonntag gesprochen werden.

Denn es gab nicht nur diese Tätlichkeiten, sondern auch Beschwerden über den massiven Lärm, der von den Boxen auf dem Sportschützen-Wagen ausging. Die Vibrationen waren so stark, dass bei Jens Strietzels in zweiter Reihe in der Passein gelegenem Haus die Fenster wackelten und sein eineinhalbjähriger Sohn nur noch weinte. Hier stand die Zugnummer des Vereins "mindestens eine halbe Stunde", so Jens Strietzels Vater Ralf, der selbst unter einem Tinnitus leidet.

Man habe auch mehrfach versucht, die Sportschützen zu bitten, die Lautstärke herunterzudrehen. Aber eher ohne Erfolg, eher im Gegenteil: Es wurde noch lauter. Dann sprach er eine Ordnungsamtsmitarbeiterin an, die aber nicht einschritt. In seiner Not rief Strietzel dann beim Polizeirevier in Weinheim an – er wusste noch nichts von dem Bombenalarm –, erhielt aber dann die Auskunft, es seien gerade viele Beamte vor Ort, man werde sich auch um die Lärmbelästigung kümmern.

Zum Schluss ging dann Jens Strietzel zum Fahrer des Sportschützen-Wagens, der schließlich auch wegfuhr. In dieser Situation baute sich in aggressiver Manier ein junger Mann – vielleicht derjenige, der zuvor Mittelstädt geschlagen hatte, vor ihm auf, wurde aber schnell weggezogen. In diesem Jahr werde er von einer Anzeige absehen, sagt Jens Strietzel. Aber wenn sich beim nächsten Mal nichts ändere, wolle er das doch tun. Generell sei ihm in den letzten Jahren ein "Wettrüsten" bei den Lautsprechern auf den Festzug-Wagen aufgefallen. Deswegen fordert er eine Dezibel-Beschränkung bei den Zugteilnehmern.

Auch diese Lärmbelästigung bestätigte Sportschützen-Vorsitzender Berg: "Deswegen wir sind dann mit dem Wagen weiter gefahren." Die Stadt erklärte, weswegen man doch nicht trotz der Lautstärke eingeschritten habe mit der Bombendrohung: "Der Bewältigung dieser besonderen Lage wurde höchste Priorität beigemessen. Die Beseitigung von Störungen neben der krisenhaften Lage wurde entsprechend nachrangig behandelt. Infolge dessen kam es tatsächlich zu dem Umstand, dass zunächst keine einschneidenden Maßnahmen bezüglich der Ruhestörung verfolgt wurden, sondern lediglich an den betreffenden Verein appelliert wurde."

Generell sei es dem Rathaus "sehr wichtig, dass sich die Beeinträchtigungen, die sich aus der Durchführung des Umzugs ergeben, für die Anwohner so gering wie möglich halten". Deswegen bitte man "um Verständnis, dass aufgrund der außergewöhnlichen Umstände die Ahndung von Ruhestörung unmittelbar nach dem Umzug nur sehr eingeschränkt erfolgt ist". Das Thema "Lautstärke" sei auch Thema bei der anstehenden Sitzung der Stadtverwaltung mit allen Vereinen.

Und da schon der Tierschutz wegen des Ponykarussells gerade ein so großes Thema ist: Der Bitte der Hundefreunde, nicht hinter dem extrem lauten Wagen der Sportschützen laufen zu müssen, weil die Tiere unter dem Lärm litten, wurde seitens der Stadt nicht entsprochen: Das Festzugprogramm sei gedruckt, man könne an der Reihenfolge nichts mehr ändern.

Bei allem Frust: Jens Strietzel ist und bleibt ein Fan des Mathaisemarkts, und sein kleiner Sohn habe bei den Musikgruppen begeistert mitgeklatscht. Und auch Mittelstädt will sich trotz seiner Blessuren weder das Fest noch den Umzug nicht miesmachen lassen: "Ich habe den Festzug als sehr friedlich, stimmungsvoll und extrem gut besucht erlebt. Bis auf das harte Ende."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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