Volk spart nicht mit Kritik an Bundes- und Landespolitik
Der Bürgermeister zeigte beim Neujahrsempfang die riesigen Herausforderungen für die Kommunen auf.

Von Christoph Moll
Neckargemünd. Ein Neujahrsempfang am 10. Februar? Neckargemünd war wohl die letzte Stadt weit und breit, die am Freitagabend mit einer großen Veranstaltung das neue Jahr begrüßte. "Vielleicht der letzte Empfang, aber dafür auch der Wichtigste", meinte Bürgermeister Frank Volk mit einem Augenzwinkern. Man habe einfach keinen früheren Termin gefunden. Das Warten hatte sich für die mehreren Hundert Besucher aber gelohnt. Sie waren am Ende voll des Lobes für die mehrstündige Veranstaltung mit Reden des Bürgermeisters und Ralph Dreher vom Gewerbeverein. Volk nahm kein Blatt vor den Mund und kritisierte auch aktuelle Entwicklungen in der Politik.
Schon vor Beginn mussten weitere Stühle in der Aula des Schulzentrums aufgestellt werden – so groß war der Andrang. Und die Besucher erlebten mit dem Einmarsch der Dilsberger Nachtwächter samt Hellebarden und Laternen einen stimmungsvollen Auftakt. Diese taten – 41 Tage nach Silvester – erneut ihren Neujahrsgruß kund: "Hört ihr Leut’ und lasst euch sagen, unsere Glock’ hat Zwölf geschlagen, das alte Jahr ist vergangen, das neue hat angefangen." Es war an Volks Erstem Stellvertreter Jürgen Rehberger, die zahlreichen Besucher und Ehrengäste zum ersten Neujahrsempfang seit drei Jahren zu begrüßen.

Ganz oben auf seiner Liste stand Stefan Hildebrandt als Erster Landesbeamter und somit Stellvertreter von Landrat Stefan Dallinger, der – wie Rehberger verriet – in Neckargemünd zu Hause ist. Dies gilt auch für den CDU-Bundestagsabgeordneten Moritz Oppelt und den Grünen-Landtagsabgeordneten Hermino Katzenstein. Aus den Nachbarorten waren Bammentals Bürgermeister Holger Karl und seine Gaiberger Amtskollegin Petra Müller-Vogel sowie deren Vorgänger Klaus Gärtner gekommen. Rehbergers lange Liste beinhaltete Vertreter von Schulen, Volkshochschule, SRH, Hilfs- und Rettungsorganisationen, Kirchengemeinden, Banken, Vereinen, Gewerbe und Kommunalpolitik.
Bürgermeister Frank Volk warf in seiner Ansprache zunächst einen Blick zurück. Er erinnerte an die großen Herausforderungen der Pandemie für die Stadtverwaltung mit der Organisation von Notbetreuung, dem Besorgen von mehreren Tausend Tests für die Schulen und viel Nachtarbeit. Als "Glücksfall" haben sich die Investitionen in die Digitalisierung der Schulen erwiesen, sodass ihr Betrieb einigermaßen aufrecht gehalten werden konnte. Zahlreiche Änderungen von Corona-Verordnungen seien zur Tortur für die Verwaltung und die Gewerbetreibenden geworden.
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Volk hob hervor, dass die Stadt das erste kommunale Testzentrum in der Region innerhalb von drei Tagen organisiert habe. "Damit haben wir wahrlich Maßstäbe gesetzt", meinte er. Außerdem habe die Stadt mit Nachbarkommunen Impftermine organisiert und habe auch mal Kneipengästen Impfungen angeboten, als bereits aufgezogene Dosen zu verfallen drohten. "Durch die Disziplin der Einwohner ist Neckargemünd einigermaßen gut durch Pandemie gekommen", meinte Volk. "Wir haben aber auch den Tod vieler Mitbürger zu verschmerzen." Sorgen habe die Volkshochschule bereitet, die nur durch Sonderumlagen vor der Insolvenz bewahrt werden konnte.
Volk schlug den Bogen zum Ukraine-Krieg und zur Energiekrise, die die Kommunen vor weitere Herausforderungen stelle. "In Berlin wird zögerlich reagiert, in den Kommunen wird gehandelt", betonte er. Binnen acht Wochen hätten Neckargemünder rund 200 Geflüchteten ein Dach über dem Kopf geboten. Positiv für die Stadt sei auch die Auszeichnung als familienfreundlichste Kommune in Baden-Württemberg durch die Zeitschrift "Kommunal". Deutschlandweit liege man unter 876 Städten auf Platz zwei.

Mit Blick auf das nicht mehr allzu neue Jahr sprach Volk zunächst zahlreiche Jubiläen an – allen voran das 750-jährige Bestehen des Stadtteils Mückenloch. Hervor hob er die Reaktivierung der Villa Menzer nach 15 Jahren. Im Mai und Juni starte die Testphase für das Projekt "Freiräume" mit Trauungen, Gastronomie sowie "Räumen fürs Arbeiten und Treffen". Der Bürgermeister warb außerdem für den Glasfaserausbau. Damit dieser zustande kommt, müssten 40 Prozent aller Gebäude angeschlossen werden.
Der Haushalt 2023 sehe 1,5 Millionen Euro für den Klimaschutz vor mit mehreren Solaranlagen. Ziel sei es unter anderem, das Freibad energieautark betreiben zu können. Für eine große Photovoltaik-Anlage auf der ehemaligen Deponie in Mückenloch würden "die vom Naturschutz geforderten Untersuchungen" noch laufen. Die Stadt gehe außerdem mit Wiesenbach und Mauer eine kommunale Wärmeplanung an.
Volk sprach auch das Projekt "Innenstadtberater" an, das der Geschäftswelt in der Altstadt ein gutes Zeugnis ausgestellt habe. Die Sicherheit der Bevölkerung sei der Stadt viel Geld wert, sodass sie auch ohne ausreichende Bundesförderung in den Aufbau eines Sirenennetzes investiert.
Dies war das Stichwort für den Bürgermeister zur Kritik an Bundes- und Landespolitik. "Bürokratie und Förderdschungel nehmen trotz anderer Beteuerungen immer mehr zu", beklagte er. Allein beim Klimaschutz gebe es 80 Förderprogramme, die sich teilweise gegenseitig ausschließen würden. Die Reaktion der Stadt sei das Schaffen einer neuen Stelle, die sich ausschließlich dem Einwerben von Fördergeldern und Auftragsvergaben widme. "Diese wird sich schnell rentieren", meinte Volk und nannte als Beispiel den Wunsch nach überdachten Fahrradstellplätzen an Schulen. Diese müsse die Stadt alleine zahlen. Packe man Photovoltaikmodule drauf, sehe es anders aus.
Der Bürgermeister schloss mit Dank an die Preisträger von "Jugend musiziert" für die Umrahmung des Empfangs und an die Bürger: "Sie sind die Besten."