Die meisten Gemeinderäte sind für den Lebensmittelmarkt
Die RNZ fragte bei den vier Fraktionen nach, was sie vom Bebauungsplan "Ortseingang Nord - Steinäcker" halten.

Von Lukas Werthenbach
Nußloch. Sollen auf der Wiese im Norden der Gemeinde ein Lebensmittelmarkt sowie 40 Miet- und Eigentumswohnungen entstehen? Darüber stimmen die wahlberechtigten Nußlocher am Sonntag bekanntlich in einem Bürgerentscheid ab.
Während die Diskussionen in der Bevölkerung auf Hochtouren laufen, hat die RNZ bei den Vorsitzenden der vier Gemeinderatsfraktionen nach deren Meinungen zum vorgesehenen Bebauungsplan "Ortseingang Nord – Steinäcker" gefragt:
>>> Siehe auch weiterer Artikel zum Thema<<<
Rouven Röser (CDU)
Auch interessant
"Durch die Realisierung eines Nahversorgers am nördlichen Ortseingang wird eine weitere Einkaufsmöglichkeit geschaffen, in deren Einzugsgebiet Besorgungen fußläufig erledigt werden können.
Für Nußloch gibt es aktuell nur diesen Standort, der mit einem Lebensmittelmarkt belegt werden kann. Es ist die politische Einschätzung der CDU-Fraktion, dass Nußloch kaum noch andere, neue Flächen zugesprochen bekommen wird, die dann einer Bebauung zugeführt werden können, schon gar nicht mit der Möglichkeit, einen Lebensmittelmarkt zu errichten.
Gerade wegen knapper werdender, bebaubarer Flächen und der Begrenzung von Flächenversiegelung ist es richtig, eine Kombination aus Lebensmittelmarkt und Wohnen anzustreben.
Vor diesem Hintergrund gilt es auch zu berücksichtigen, dass die Fläche, auf der das Projekt entstehen soll, eine geringere ökologische Wertigkeit aufweist als die östlich angrenzende Fläche in Richtung Wald, um die es ausdrücklich nicht geht.
Letztlich ist es auch so, dass im Gemeindeentwicklungskonzept die Ansiedelung eines Marktes enthalten ist. Darin heißt es: ,Mit der Realisierung eines Nahversorgers am nördlichen Ortseingang wird die Ausweitung des Nahversorgungsangebots angestrebt.’"
Uwe Kleinert (Grüne)
"Die Fraktion von Bündnis ‘90/Die Grünen hat dem Projekt von Anfang an die Zustimmung verweigert. Wir sind nicht der Meinung, dass Nußloch unterversorgt ist. Es gibt keinen Bedarf an einem weiteren Lebensmittelmarkt.
Im Umkreis von fünf Kilometern gibt es 25 Supermärkte – und die vielen Geschäfte im Ort. Wir arbeiten daran, den Ortskern und das Versorgungszentrum beim Penny zu stärken – eines der Ankerprojekte im Gemeindeentwicklungskonzept. Das ist auch ohne einen weiteren Supermarkt am Ortsrand herausfordernd genug.
Wir wollen den Autoverkehr im Ort bis 2030 um ein Drittel reduzieren. So steht es in unserem Mobilitätskonzept. Durch den Lieferverkehr und die zusätzlichen Einkaufsfahrten durch Nußloch würden wir dieses Ziel untergraben.
Wir müssen den Flächenverbrauch reduzieren. Nur noch 3 statt bisher 5,4 Hektar sollen im Land 2030 überbaut werden. Deshalb muss auch in Nußloch gelten: Vorrang für Innenentwicklung!
Potenziale dafür gibt es. Die Wiese am Ortseingang sorgt für Temperaturausgleich und dient als Wasserspeicher, sie wird landwirtschaftlich genutzt und bietet vielen Pflanzen- und Tierarten Lebensraum – und sie ist schlicht schöner als Beton, Parkplätze und Leuchtreklame."
Ralf Baumeister (FDP/BfN)
"Chance statt Stillstand, oder gar Vermeidung von Rückschritt? Durch die Ansiedlung eines neuen Lebensmittelmarktes am Standort Nord mit zusätzlicher Wohnbebauung können wir zweierlei erreichen.
Ein weiterer Markt würde die Versorgung im Nord- und Ostbereich sichern und gleichzeitig auch die vorhandenen Geschäfte im Ort stärken, dies jeweils fußläufig.
Die Bindung der Kaufkraft im Ort würde erhöht, da durch ein besseres Angebot weniger in die umliegenden Orte gefahren wird.
Wenn Mitbürger und Mitbürgerinnen in Nußloch für ihre Einkäufe bleiben, stärkt dies auch die Nußlocher Geschäftswelt. Es kommt zu weniger Verkehr, auch zu den Umlandkommunen, und letztlich weniger CO2-Ausstoß.
Der Standort Nord bietet eine gute Anbindung an den ÖPNV in Nord-Süd-Richtung des ganzen Ortes, ist somit attraktiv erreichbar.
Gleichzeitig kann mit der vorgesehenen begleitenden Wohnbebauung eine Lücke im stark angespannten Wohnungsmarkt zumindest teilweise geschlossen werden. Der Standort ist seit langem im Flächennutzungsplan verankert, mehrfach zuletzt 2020 auch unter ökologischen Gesichtspunkten bestätigt. Wir sehen hier die letzte realistische Chance für Nußloch, einen zeitgemäßen Markt anzusiedeln."
Michael Molitor (SPD)
"Wir begrüßen den Weg des Bürgerentscheids, das ist gelebte Bürgerbeteiligung. Kernthema der SPD ist bezahlbarer Wohnraum. Möglichkeiten zu schaffen, haben wir stets eingefordert. Ein unabhängiges Gutachten hat ergeben, dass wir grundsätzlich 300 Wohneinheiten benötigen.
Wenn wir uns mit der Altersstruktur beschäftigen, haben wir in den vergangenen Jahren bei jungen Familien mit einem Starthaushalt nur einen Zuwachs von 1,5 Prozent zu verbuchen und bei Familien – 35 bis 50 Jahre – sogar 15,3 Prozent verloren. Wir sehen klaren Handlungsbedarf, um Familien zu stärken und diese bei uns zu halten.
Weiter muss altersgerechter Wohnraum leistbar zur Verfügung gestellt werden. In der Vergangenheit haben wir alle Vorhaben zur Nach- und Innenverdichtung unterstützt. Auf Leerstand besteht kein Einfluss.
Mit den aktuellen Projekten wird Wohnraum geschaffen, dieser reicht jedoch nicht aus. Wir sehen hier eine Chance, um gemeindeweit zu entlasten und bieten die Möglichkeit, Wohnen und Einkaufen gut zu verbinden.
Das Areal ist größtenteils in Besitz der Gemeinde. Somit legen wir das Regelwerk fest. Es geht darum, wie wir das Areal ökologisch und ökonomisch gestalten, wie wir für moderne Wohnformen sorgen und dem Bedarf gerecht werden."
Alle Nußlocher ab 16 dürfen abstimmen
Eine der wenigen Wahlen 2023 in der Region Heidelberg findet am Sonntag in Nußloch statt: In einem Bürgerentscheid wird über den möglichen Bebauungsplan "Ortseingang Nord – Steinäcker" abgestimmt. Die RNZ beantwortet die organisatorischen Fragen:
Wer darf abstimmen? Berechtigt sind alle Bürger der Gemeinde, die mindestens 16 Jahre alt sind und seit drei Monaten ununterbrochen in Nußloch wohnen beziehungsweise von der sogenannten "Rückkehrregelung" erfasst ist: Diese gilt für Menschen, die weggezogen und innerhalb von drei Jahren wieder in Nußloch zugezogen sind. Zudem ist die deutsche Staatsangehörigkeit oder die eines anderen EU-Mitgliedsstaats Voraussetzung. Nach Auskunft aus dem Rathaus sind 8728 Menschen dazu berechtigt, am Sonntag abzustimmen.
Wo und wie wird abgestimmt? Es gibt elf Wahllokale im Gemeindegebiet, die am Sonntag von 8 bis 18 Uhr geöffnet sind: Rathaus, Bücherei, zwei Räume in der Lindenschule, drei verschiedene Räume der Schillerschule, Friedrich-Fröbel-Kindergarten, zwei Räume im Feuerwehrhaus und das Schulhaus Maisbach. Zudem wurden drei Briefabstimmungsbezirke gebildet, die in der Olympiahalle ausgezählt werden. Hauptamtsleiter Christian Laier zufolge sind rund 1500 Anträge auf Briefwahl eingegangen, was deutlich weniger sei als bei vorangegangenen Wahlen. Auf dem Wahlzettel wird folgende Frage zu lesen sein: "Sind Sie für die Aufstellung des Bebauungsplans ,Ortseingang Nord – Steinäcker’ zum Bau eines Lebensmittelmarktes mit ergänzender Wohnbebauung?" Dazu wird Ja oder Nein anzukreuzen sein.
In welchen Fällen ist der Bürgerentscheid erfolgreich? Mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten müssen für eine der beiden Antworten abstimmen, wie Laier erklärt. Dies bedeutet unter Berücksichtigung der genannten Zahl der Wahlberechtigten, dass 1746 Bürger für Ja oder für Nein stimmen müssen. Wenn dabei die Mehrheit auf Nein fällt, darf das Bebauungsplanverfahren mindestens drei Jahre lang nicht weiter verfolgt werden. Wird das Quorum nicht erreicht, muss der Gemeinderat über das weitere Vorgehen entscheiden.
Wann ist am Sonntag mit einem Ergebnis zu rechnen? Mit einer allzu langen "Wahlnacht" ist nicht zu rechnen: Da es sich im Gegensatz zu Bundestags- oder Kommunalwahlen nur um eine Stimme handelt, geht man im Rathaus von einer recht schnellen Auszählung aus. Demnach hofft man, vor 20 Uhr das Ergebnis bekannt geben zu können. Das soll durch Bürgermeister Joachim Förster in der Festhalle geschehen, der auch Vorsitzender des sechsköpfigen Gemeindewahlausschusses ist. Laut Hauptamtsleiter Laier werden keine Zwischenergebnisse genannt. Zur Auszählung eingesetzt werden sechs Personen pro Wahlbezirk: insgesamt also 84 Menschen. Im Wahlausschuss sitzen neben Förster jeweils ein Vertreter der vier Ratsfraktionen sowie Laier als Schriftführer.