Mordprozess gegen 27-Jährigen

Geburtstag endete mit Bluttat an Bushaltestelle in Neckargemünd

Der 27-Jährige soll seinen Freund mit einer Cognacflasche beinahe totgeschlagen haben. Das Opfer überlebte nur dank einer Not-OP.

04.01.2023 UPDATE: 04.01.2023 19:45 Uhr 3 Minuten, 2 Sekunden
Die Bushaltestelle Stadttor in der Julius-Menzer-Straße: Hier sollen am frühen Morgen des 1. Juli ein 25-Jähriger sowie ein 27-Jähriger einen Mann angegriffen haben. Der ältere Angeklagte soll das Opfer mit einer Cognacflasche lebensgefährlich verletzt haben. Foto: Alex

Von Benjamin Miltner

Neckargemünd/Heidelberg. Im Ausklang seiner eigenen Geburtstagsfeier soll ein 27-Jähriger versucht haben, einen Menschen zu töten, ohne Mörder zu sein. Dies sagte Oberstaatsanwältin Christiane Vierneisel am Dienstag vor dem Landgericht Heidelberg zum Prozessauftakt sechs Monate nach einer Bluttat nahe des Neckargemünder Stadttors.

An der dortigen Bushaltestelle in der Julius-Menzer-Straße soll er zusammen mit einem zweiten Angeklagten, einem 25-Jährigen, eine gefährliche Körperverletzung begangen. Beide sollen ihr Opfer grundlos angegriffen sowie mit Schlägen und Tritten attackiert haben.

Beim anschließenden Angriff des 27-Jährigen mit einer Cognacflasche habe der Geschädigte lebensgefährliche Verletzungen erlitten, die er nur durch eine zeitnahe Not-Operation überlebt hat.

Neben der Verlesung der Anklage ging es am ersten Verhandlungstag um den Werdegang der beiden Angeklagten; zudem wurden drei Zeugen vernommen.

Auch interessant
Bluttat Kümmelbacher Hof: Gericht sieht in der Tat einen Mordversuch (Update)

Rückblende: Neckargemünd im Hochsommer 2022. Seinen Geburtstag am 30. Juni verbringt der im Rhein-Neckar-Kreis wohnende 27-Jährige am Neckar mit einem Freund – und reichlich Alkohol.

Im Verlauf lernen sie eine junge Frau und zwei mit ihr befreundete weitere Männer kennen. Die Fünfer-Gruppe verbringt den Abend gemeinsam, ehe sie sich gegen Mitternacht an die nahegelegene Bushaltestelle aufmacht.

War das Verhältnis zwischen den Männern zuvor angespannt, aber weitgehend friedlich, eskaliert es am Stadttor: Es kommt zwischen dem 25-Jährigen und dem späteren Opfer zum Schlagabtausch. Zunächst verbal über Belanglosigkeiten, dann mit Fäusten, wie der jüngere der beiden Angeklagten aussagt.

Plötzlich mischt sich sein 27-jähriger Kumpel aus dem Hintergrund in den Konflikt ein. Er schlägt laut Anklage mindestens dreimal mit einer flugs hinter dem Rücken vorgeholten Cognacflasche auf den Geschädigten ein. Dann geht der 25-Jährige dazwischen, schubst seinen Kumpel auf die Straße. Der 27-Jährige stürzt, die Flasche als Tatwerkzeug geht zu Bruch.

Der ältere Angeklagte flüchtet vom Tatort, während der jüngere beim Opfer und der Frau verbleibt, bis die herbeigerufene Polizei und Rettungskräfte eintreffen.

Das Opfer erlitt neben einer Platzwunde einen Schädelbruch, ein offenes Schädel-Hirn-Trauma mit Verletzung der Hirnhaut und Gehirnblutungen. Es wurde in der Heidelberger Kopfklinik notoperiert.

"Ich bereue zutiefst, was geschehen ist, auch wenn ich mich nicht daran erinnern kann", bat der wegen versuchten Totschlags – und nicht wegen versuchten Mordes wie im Prozessvorfeld vom Landgericht genannt – angeklagte 27-Jährige in einer von seinem Verteidiger vorgelesenen Erklärung um Entschuldigung. Er habe bei seiner Attacke mit der Flasche die Lebensgefährlichkeit seines Handelns erkannt und den Tod eines Menschen in Kauf genommen, wie Oberstaatsanwältin Vierneisel sagte. Auch der 25-Jährige zeigte Reue.

Knapp zwei Wochen nach der Tatnacht wird der 27-Jährige festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft. Nicht zum ersten Mal. Er ist – wie sein Mitangeklagter – mehrfach vorbestraft, wurde unter anderem wegen räuberischer Erpressung, Nötigung und Körperverletzung verurteilt.

"Ich bin sehr früh auf die schiefe Bahn geraten und habe viel Mist gebaut", erklärte der in Heidelberg geborene Deutsche.

Er wurde als jüngstes von sechs Kindern in eine aus dem Kosovo vor dem Krieg geflüchtete Familie geboren und verlor mit sieben Jahren seine Mutter. Er nimmt nach eigenen Angaben schon als Jugendlicher Alkohol, Cannabis und Kokain zu sich, fliegt mehrfach von der Schule, holt seinen Hauptschulabschluss im Gefängnis nach und bricht später zwei Ausbildungen ab.

Der 27-Jährige beschrieb sich als stark drogen- sowie alkoholabhängig, stand auch in der Tatnacht unter entsprechendem Einfluss – und deutete bei einer erneuten Verurteilung die Hoffnung auf eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Sein älterer Bruder bestätigte als Zeuge seinen exzessiven Drogenkonsum von täglich mehreren Gramm Kokain und Alkoholflaschen. Er habe alles versucht, ihn von seiner Sucht zu befreien, aber diese aus Mitleid auch mitfinanziert, wie der 35-Jährige betonte.

Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgeführt. Dann sollen an zwei Verhandlungstagen das Opfer und weitere Zeugen gehört werden.

Update: Mittwoch, 4. Januar 2023, 19.53 Uhr


Mordprozess gegen 27-Jährigen beginnt

Neckargemünd/Heidelberg. (bmi) Dem Vorwurf des versuchten Mordes muss sich ein 27-Jähriger ab dem Mittwoch vor der großen Strafkammer des Landgerichts erwehren. Er soll laut Mitteilung des Landgerichts am frühen Morgen des 1. Juli vergangenen Jahres kurz nach Mitternacht an der Bushaltestelle Stadttor einen 25-Jährigen "grundlos mit Fäusten gegen Brust und Gesicht geschlagen und ihm anschließend gegen die Beine und das Becken getreten zu haben." Zudem habe der Angeklagte sein Opfer mit einer leeren Cognacflasche "mindestens dreimal gegen den Kopf geschlagen".

Die Folge: eine Schädelfraktur, eine Kopfplatzwunde und ein offenes Schädel-Hirn-Trauma mit Verletzung der Hirnhaut und Gehirnblutungen. "Nur durch eine zeitnahe Notoperation soll das Leben des Geschädigten gerettet worden sein", heißt es weiter.

Ort des Geschehens

Der Angeklagte und das 25-jährige Opfer sollen sich vor dem Angriff nicht gekannt, aber gemeinsame Bekannte haben, wie ein Sprecher des Landgerichts auf Nachfrage mitteilte. Die Kammer hat zur Durchführung der Beweisaufnahme acht Zeugen und eine Sachverständige geladen. Nach dem Auftakt sind drei weitere Prozesstage geplant, das Urteil soll am 17. Januar fallen.

Dieser Artikel wurde geschrieben von:
(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.