Miete für ein Zimmer im Wohnheim kostet 310 Euro warm
Weniger Quadratmeter für mehr Gemeinschaft: Im neuen Collegium Academicum wird nachhaltiges Wohnen erprobt.

Von Sabine Hebbelmann
Heidelberg/Rhein-Neckar. Sparsam mit Ressourcen umgehen und gut leben, das ist für Klara Müller kein Gegensatz. Die 24-Jährige engagiert sich seit einigen Jahren in einer ehrenamtlichen Projektgruppe, die erschwinglichen und nachhaltigen Wohnraum auf der Heidelberger Konversionsfläche "US Hospital" schafft.
Mit der demokratisch organisierten Selbstverwaltung steht das Collegium Academicum (CA) in der Tradition des alten CA in der Altstadt, das bis in die 1970er-Jahre ein lebendiger Ort studentischer Kultur war. In Eigenregie ist ein Wohnheim für 176 Studierende, Auszubildende und Promovierende entstanden, mit einer Aula für Versammlungen und Veranstaltungen, einer offenen Werkstatt und einem Café im ehemaligen Pförtnerhäuschen. Für die Studentin ist das Wohnprojekt ein willkommener Ausgleich. "Es ist ein Freiraum, in dem Begegnungen, Lernen und Experimentieren möglich sind", sagt sie. Der vierstöckige Holzständerbau ist nach dem Passivhausstandard gedämmt. "Wir werden die Heizung nach Berechnungen der Planer voraussichtlich nicht mehr als drei Wochen im Jahr brauchen", freut sie sich. Durch flexible Schiebewände lassen sich die Zimmer in den Wohngemeinschaften von 14 auf sieben Quadratmeter reduzieren und damit die WG-Fläche vergrößern.
Klara Müller schätzt die Verbindung von sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit. "Ich kann ausprobieren: Wie viel Raum brauche ich für mich? Ein großer Gemeinschaftswohnbereich kann auch ein Zugewinn an Lebensqualität sein", findet sie.
Der Faktor Wohnen hat einen großen Einfluss auf den ökologischen Fußabdruck. Der Wohnflächenverbrauch im neuen Wohnheim beträgt einschließlich Gemeinschaftsflächen 25 Quadratmeter pro Person. Ein sehr guter Wert, lag doch der durchschnittliche Wohnflächenverbrauch pro Kopf in Deutschland im Jahr 2020 bei 47,7 Quadratmetern, Tendenz steigend.
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"Es ist schön zu sehen, wie viele Leute sich engagieren und wie sich das Wohnprojekt immer mehr mit Leben füllt", bemerkt die junge Frau. Wiederholt hatte die "AG Eigenleistung" an Wochenenden zur "partizipativen Baustelle" eingeladen, Gemeinschaftsaktionen, bei denen unter anderem Wände eingezogen und mittels Fräse die passenden Möbel hergestellt wurden. Die aktuellen Herausforderungen im Bauwesen sowie der innovative Charakter brachten es mit sich, dass es beim Bau zu Verzögerungen kam. Voraussichtlich im Dezember können die Zimmer aber endlich bezogen werden. Einige Mitglieder der 2013 gegründeten Projektgruppe werden selbst nicht mehr einziehen können.
Zum Gebäudekomplex gehört auch das ehemalige Verwaltungsgebäude des Hospitals. Der Altbau wird umgebaut und saniert und soll rund 50 Personen Raum für ein vom CA entwickeltes Orientierungsjahr bieten. Teilnehmende können eigene Projekte umsetzen, dabei soll es zu Beginn mehr Struktur und mit der Zeit mehr selbstorganisierte Elemente geben. "Eine schöne Ergänzung zum Neubau und für beide Seiten ein spannender Austausch", findet Müller.
Dazu kommen acht Wohnungen, davon sechs im mietpreisgebundenen sozialen Wohnungsbau. Mit bauvorbereitenden Maßnahmen im Altbau verbrachten die Aktiven bereits etliche Wochenenden.
Müller engagiert sich maßgeblich in der "AG Finanzierung" und schlägt sich mit Banken und Förderanträgen herum. An Infoständen auf dem Weststadt-Markt hat sie regelmäßig über das Projekt informiert und Direktkredite eingeworben. Denn auch die Finanzierung des Großprojekts ist gemeinschaftlich getragen. Das CA gehört zu einem Verbund von selbstverwalteten Wohnprojekten, dem Mietshäuser Syndikat, das neue Projekte unterstützt und dafür sorgt, dass bestehende nicht privatisiert werden können. Organisatorisch funktioniert das so, dass sowohl der Hausverein als auch das Mietshäuser Syndikat Gesellschafter der Haus-GmbH sind.
Zentraler Baustein der Finanzierung sind die Direktkredite. Privatpersonen und Gruppierungen leihen der Haus-GmbH direkt Geld, ohne den Umweg über eine Bank. Zurückgezahlt werden die Direktkredite nachrangig nach dem Bankkredit über die künftigen Mieteinnahmen.
Aktuell werden noch dringend weitere Kreditgeber gesucht. "Wir wollen keinen Gewinn machen, sondern Zinsen und Tilgung bedienen", versichert Müller. Keine Rendite mit der Miete, lautet das Motto. Die Miete für ein Zimmer im Wohnheim kostet 310 Euro warm.
Info: Auf der Website www.collegiumacademicum.de informiert die Projektgruppe ausführlich über das Wohnprojekt und die Möglichkeiten der Beteiligung.




