Plus Mannheimer Rathaus-Beben

Warum der Kurz-Abschied keine echte Überraschung ist

Seit Monaten gibt es Zwischentöne. Wurde er von seiner Partei sanft gedrängt?

17.11.2022 UPDATE: 17.11.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 44 Sekunden
Informierte zehn Tage nach seinem 60. Geburtstag Rathaus-Mitarbeiter und Öffentlichkeit: Peter Kurz. Foto: Alfred Gerold

Von Olivia Kaiser und Alexander Albrecht

Mannheim. Mittleres Beben auf den Mannheimer Rathausfluren: Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) hat am Mittwoch bekannt gegeben, dass er nicht für eine dritte Amtszeit zur Verfügung steht.

Auf den ersten Blick mag das eine Überraschung sein, doch wer in den vergangenen Monaten auf die Zwischentöne achtete, hatte eine leichte Vorahnung. Schon im RNZ-Interview im August gab sich Kurz auf die Frage nach seiner Kandidatur für die OB-Wahl am 18. Juni 2023 zurückhaltend und nachdenklich: "Der Maßstab ist für mich, mit der Entscheidung später nicht zu hadern. Natürlich spielen auch private Dinge eine Rolle. Und 60 ist nicht 50."

Hintergrund

> Peter Kurz wurde am 6. November 1962 in Mannheim geboren. Nach dem Abitur studierte er von 1983 bis 1989 Rechtswissenschaften in Mannheim und Heidelberg.

> Als Schüler trat Kurz in die SPD ein. Ab 1984 war er Bezirksbeirat der Schwetzingerstadt/Oststadt, bis er

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> Peter Kurz wurde am 6. November 1962 in Mannheim geboren. Nach dem Abitur studierte er von 1983 bis 1989 Rechtswissenschaften in Mannheim und Heidelberg.

> Als Schüler trat Kurz in die SPD ein. Ab 1984 war er Bezirksbeirat der Schwetzingerstadt/Oststadt, bis er 1989 in den Gemeinderat gewählt wurde. 1994 übernahm Kurz den Vorsitz der SPD-Gemeinderatsfraktion.

> Nach mehreren beruflichen Stationen wurde er im September 1994 als Richter ans Verwaltungsgericht Karlsruhe berufen. Im Februar 1999 übernahm er das Amt des Bürgermeisters für Bildung, Kultur, Sport und Stadtmarketing.

> Im Juni 2007 gewann Peter Kurz die Wahl zum OB und trat die Nachfolge seines Parteifreundes Gerhard Widder an. 2015 wurde er für eine zweite Amtszeit wiedergewählt.

> Seit Juni 2018 ist Peter Kurz Präsident des Städtetags Baden-Württemberg. Von April 2018 bis Januar 2020 vertrat er den Deutschen Städtetag im Europäischen Ausschuss der Regionen. oka

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Damals kündigte er an, seine Entscheidung ein halbes Jahr vor der Wahl bekannt zu geben, denn: "Lange Wahlkämpfe sind für das Funktionieren der Stadt eher eine Belastung." Gerade diese Aussage erscheint rückblickend wie ein Vorbote.

Kurz wandte sich am Vormittag mit einer persönlichen Nachricht über seine Entscheidung an die Mitarbeitenden im Rathaus, die ihm "nicht leichtgefallen" sei. Zu der er aber nach RNZ-Informationen von seiner Partei sanft gedrängt worden war.

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Viele hätten ihm Unterstützung signalisiert, so Kurz, und ihn darin bestärkt, weiterzumachen – auch jenseits der Genossen. Zudem wiege die Verantwortung schwer, da Erfahrung als Oberbürgermeister und "Kenntnis der Herausforderungen" in dieser Zeit besondere Bedeutung haben könnten. Es brauche jedoch mehr als Pflichtbewusstsein und Verantwortungsgefühl, um eine erneute Bewerbung glaubwürdig zu vertreten. Für weitere acht Jahre seien Kraft und Begeisterung gefragt.

Und die sind offenbar nicht mehr so vorhanden, wie es Kurz’ eigenem Anspruch entspricht. Kraft und Nerven gekostet hat ihn in den vergangenen Monaten die Endlos-Debatte um die Zukunft des Mannheimer Uniklinikums. Der OB stellte sich an die Spitze einer Bewegung für die Fusion mit der Heidelberger Uniklinik – und biss sich an der Landesregierung die Zähne aus. Das ist es unter anderem, wenn Kurz von einer Aufgabe spricht, die mit kaum einem anderen politischen Amt zu vergleichen sei.

"Nach fast 40 Jahren Kommunalpolitik, davon 24 Jahre als Bürgermeister und Oberbürgermeister, weiß ich genau, wovon ich spreche", betonte er. Mit anderen Worten: Er hat genug. Und beschwört den Zauber neuer Ansätze, neuen Schwungs und neuer Gesichter. Das lasse manches leichter gelingen, was unter Umständen sehr zäh werden würde.

Kurz ist aber auch alles andere als ein begeisterter Wahlkämpfer und Menschenfänger. Als er an einem Samstagmorgen 2015 auf dem Marktplatz stand, um für sich zu werben und mit der Kundschaft ins Gespräch zu kommen, wirkte der OB verloren und musste von seinen Mitarbeitern fast zum Jagen (auf Stimmen) getragen werden.

Kurz ist ein Kopfmensch, ein belesener Intellektueller. Manchmal überfordert der 60-Jährige andere, wenn er wieder seine berühmt-berüchtigten Bandwurmsätze spricht, die kein Ende nehmen wollen. Er ist ein Schaffer, einer, der sich akribisch vorbereitet. Er macht Politik mit Fakten, nicht mit Emotionen und verliert nur selten in einer Gemeinderatssitzung die Contenance.

Einer dieser raren Momente war 2018 die hitzige Debatte um den Zentralen Grünhof, der nach der Bundesgartenschau im nächsten Jahr auf dem Spinelli-Gelände entstehen soll. Damals forderte er die Stadträte dazu auf, bei ihren Entscheidungen das Gemeinwohl im Blick zu behalten. Lokaler Bürgerwille und die Interessen Einzelner dürften nicht mit dem Gemeinwohl verwechselt werden. Das brachte ihm viel Kritik ein.

In informellen Runden zeigt Kurz auch manchmal seine andere Seite, dann blitzt sein Humor auf. Und in kleinem Kreis, zum Beispiel bei Besuchen des SPD-Ehepaars Spagerer auf dem Waldhof – heute lebt noch die 92-jährige Carla – ist der OB nur "der Peter" und kann bisweilen in breites Mannemerisch verfallen.

Ein zweiter Erklärungsstrang in der Rückzugsnachricht ist überraschender und zielt auf etwas, das alle Amtsinhaber betrifft, die wiedergewählt werden wollen. Sein eigenes notwendiges Handeln sei in den nächsten Monaten größter Herausforderungen als Kandidat deutlich erschwert. Appelle zu Gemeinsamkeit und zum Zusammenstehen würden realistischerweise verhallen, glaubt Kurz, Entscheidungen würden ausschließlich wahltaktisch interpretiert, und seine Kraft wäre zu einem erheblichen Teil gebunden. Das würde der Stadt nicht guttun, erklärte Kurz.

Wichtige Entscheidungen und Abstimmungen erfolgten gerade in den noch verbleibenden neun Monaten seiner Amtszeit und verlangten ein hohes Tempo. "Ihnen werde ich mich mit ganzem Einsatz widmen", versprach der Oberbürgermeister dem Verwaltungspersonal. Dass er nicht mehr in Amt und Würden ist, wenn viele seiner Projekte zu einem Abschluss kommen, ist für Kurz nicht ausschlaggebend: "Das ist nur das kleinste Sandkorn auf der Waage."

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