Hoffenheim gegen Leverkusen

Der Torklau als Pointe

Belfodils Werk und Kramarics Beitrag sorgen für Diskussionsstoff - Und für Hoffenheim ist vor allem Europa wieder in Reichweite

31.03.2019 UPDATE: 01.04.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 10 Sekunden

Andrej Kramaric stibitzte sich am mit seinem insgesamt 47. Bundesliga-Treffer den TSG-Torjäger-Rekord und ließ sich in "seinem" Fan-T-Shirt feiern. Fotos: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Ishak Belfodil sprach zu vorgerückter Stunde mit den Medien. Der groß gewachsene Stürmer tut das nicht oft, dabei hätte er auf Grund seiner abwechslungsreichen sportlichen Vita viel zu erzählen. Belfodil war Profi in Frankreich, Italien, in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Belgien und könnte nach der Zwischenstation Werder Bremen nun endlich im Kraichgau Fuß fassen. In der wichtigen Partie am Freitag entpuppte sich Belfodil als Held des Abends - er hatte beim 4:1 (1:1) der TSG 1899 Hoffenheim über Bayer Leverkusen insgesamt vier Treffer erzielt, doch einer wurde zurecht wegen Abseitsstellung (32.) nicht anerkannt, ein anderer wiederum dem algerischen Nationalspieler buchstäblich "geklaut".

Andrej Kramaric markierte das finale 4:1 gegen Leverkusen mit den "Zehennägeln" und einem vergrößerten Schuhwerk.  Fotos: APF

Ob sein Teamkollege Andrej Kramaric nämlich den Ball zum Endstand von 4:1 hauchzart touchierte oder nicht, ließ sich selbst bei der zwanzigsten Wiederholung der TV-Bilder nicht einwandfrei feststellen. Und eigentlich wäre diese Episode ja kaum der Erwähnung wert, hätte sich dadurch nicht der schlitzohrige Kroate zum Vereinsrekordschützen gekrönt. Es sollte der 47. Treffer von Kramaric für die TSG in der Bundesliga sein, womit er den bisherigen Top-Torjäger Sejad Salihovic (46) im internen Ranking ablöste.

"Egal, is Hoffenheim goal, it’s okay!", reagierte Belfodil in der Mixed Zone gefasst in einer lustigen Mischung aus Englisch und Deutsch. Unmittelbar nach der Szene in der 79. Minute stand ihm freilich noch das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Es war klar sein Tor gewesen - es bedurfte also nicht mehr des Eingreifens. "Macht nichts, ich habe ihm ein Tor aufgelegt und er mir eins. Wir sind quitt", zeigte sich Belfodil versöhnlich über den Torklau als Pointe. Er selbst blicke so gut wie nie auf diverse Statistiken. "Ich weiß, dass er den Rekord wollte und bin froh, dass ich ihm helfen konnte. Er kann mir ja demnächst wieder eine Vorlage geben", so Belfodil pragmatisch.

Synchroner Jubel: Hoffenheims Andrej Kramaric und Ishak Belfodil. Fotos: APF

Kurze Zeit später klopfte Kramaric im Vorbeigehen Belfodil kumpelhaft auf die Schulter. "Hoffes" Vize-Weltmeister grinste breit, als sei ihm halt ein ganz besonderer Streich gelungen. "Ich hatte Probleme mit meinen Fußnägeln und deshalb einen größeren Schuh", frotzelte Kramaric auf die Frage, ob er den Ball überhaupt berührt habe. Diese Anekdote kann getrost als Selbstwertfeldzug bezeichnet werden.

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Wie dem auch sei: Kramaric wollte nicht nur Belfodil, sondern die ganze Mannschaft zum Abendessen einladen. "Ohne das Team hätte ich das ja nicht geschafft. Ich bin stolz, glücklich und motiviert - und möchte mehr mit diesem Klub erreichen", erzählte Kramaric und verzichtete pietätvoll darauf, das extra von der TSG entworfene Rekord-T-Shirt aus dem dunklen Rollkoffer zu holen.

Trainer Julian Nagelsmann ordnete derweil die mitunter kuriosen Auswüchse der Fußarbeit treffend und unterhaltsam in der Pressekonferenz ein: "Grundsätzlich ist es bei Stürmern oft so, dass der Ball, wenn er irgendwo vors Tor kommt, den Fuß magisch anzieht, dass er ihn irgendwie berührt." Der 31-Jährige kennt eben seine Pappenheimer. Erinnert sei nur an das Schmankerl kurz vor Weihnachten, als sich Kramaric bereits auf den rekordverdächtigen Spuren eines Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo wähnte. Beim 0:0 gegen Borussia Mönchengladbach hatte Nagelsmann Offensivkraft Kramaric nach 63 Minuten vom Feld genommen.

Der Kroate war damals sichtlich erbost, weil ihm dadurch die Chance genommen wurde, wettbewerbsübergreifend zum zehnten Mal hintereinander einzunetzen. "Ich hätte auch mit einem gebrochenen Bein in den letzten 30 Minuten auf ein Tor gewartet", grantelte der Mann aus Zagreb am 15. Dezember. Er wollte unbedingt mit den Superstars aus Barcelona und Turin gleichziehen. Basta.

Für den TSG-Coach und die begeisterten 28.350 Zuschauer (ausverkaufter Heimbereich) waren indes andere Kriterien wichtiger als das Rätsel um den Torschützen. Die Hoffenheimer zeigten gegen Leverkusen eine ihrer besten Saisonvorstellungen. Ihre Effizienz, ansonsten häufig ein Makel, war diesmal herausragend. "Ich fand’s hochklassig", resümierte Manager Alexander Rosen einen offenen Schlagabtausch, "so macht die Bundesliga richtig Spaß." Ähnlich überzeugend hatten die Kraichgauer auch gegen Dortmund, Frankfurt und Gladbach agiert, allerdings ohne dabei die Früchte ihrer Anstrengungen zu ernten.

Für die Rasanz der Freitagabend-Partie zollten diesmal die Rheinländer Tribut. Die Verletzungen von Karim Bellarabi und Kapitän Lars Bender veränderten die Statik des Bayer-Konstruktes. "Unsere Organisation war dann nicht mehr so gut", konstatierte Trainer Peter Bosz. "Hoffenheim hat uns einige Male ausgekontert. Wir sind da ein bisschen auseinandergedriftet", ergänzte der langjährige TSGler Kevin Volland.

"Hoffe" konnte die Werkself zum zweiten Mal taktisch ausgucken. Ob unter Heiko Herrlich oder Peter Bosz, mit einem abwartenden, überfallartigen Stil und dank eines variablen Taktikplans wurde Bayer - jeweils mit dem gleichen Resultat - deutlich in die Schranken gewiesen.

Hoffenheim ist wieder in Schlagdistanz zu den Europa-League-Plätzen. "Das war eine sensationelle Leistung, verdient gewonnen", sagte Klub-Patron Dietmar Hopp und marschierte schnurstracks in die Mannschaftskabine.

Ach ja: Belfodil musste nach seiner Gala zur Dopingprobe. Schon dort wurde er von Kramaric umarmt. Wohl dem, der wie "Hoffe" drei starke Stürmer (Kramaric, Belfodil und Joelinton) in seinen Reihen hat. Rosen glaubt, das gefragte Trio im idyllischen Kraichgau halten zu können. "Man wird da sicher nicht von preiswerten Verpflichtungen sprechen", ironisierte der TSG-Manager in Richtung möglicher Interessenten.

Belfodils Werk und Kramarics Beitrag mit den "Zehennägeln" soll mithelfen, zum dritten Mal hintereinander die Europapokal-Teilnahme zu erreichen. Das allein zählt am Saisonende.

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