TSG 1899 Hoffenheim

Es geht mehr denn je darum, persönliche Interessen hintenanzustellen

Viel Arbeit für den scheidenden Trainer Julian Nagelsmann

03.02.2019 UPDATE: 04.02.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 15 Sekunden

Frust über den frühen Feierabend: Nadiem Amiri (r.), hier gegen Oliver Fink. Foto: APF

Von Nikolas Beck

Sinsheim. Als der Ball aus Leder und die Fußballschuhe schwarz waren, wurde in Deutschland noch geglaubt, nur elf Freunde könnten erfolgreich sein. Freilich zählt heutzutage für einen Profi noch der Teamerfolg, aber eben auch Abonnentenzahlen in sozialen Netzwerken, persönliche Sponsorenverträge und das eigene Image. Zeiten ändern sich. Und das ist überhaupt nicht schlimm, schließlich sind die Kicker der Bundesliga Stars, die gefeiert werden und Millionen verdienen können - aber eben nur ein gutes Jahrzehnt lang, aus dem in allen Bereichen das Maximum herausgeholt werden soll.

Julian Nagelsmann hat das längst erkannt, kann damit umgehen. Im RNZ-Interview während der Winterpause sprach er von "Ich-AGs" - was er gar nicht negativ meine -, die immer mehr Zuwendung in Form von Einzelgesprächen benötigten. Die Eigenvermarktung rücke mehr und mehr in den Vordergrund. Die große Kunst eines Trainers sei es mehr denn je, eine Gruppe auf ein gemeinsames Ziel hinzuführen.

Nach dem 1:1 der Hoffenheimer gegen Düsseldorf ist zu vermuten, dass für den scheidenden TSG-Trainer in den kommenden Wochen genau in diesem Bereich viel Arbeit ansteht. Weil "Hoffe" gegen den Aufsteiger nicht über eine Punkteteilung hinauskam, ist Stillstand angesagt. Standen in der Hinrunde oftmals Aufwand und Ertrag nicht im Einklang, musste Nagelsmann diesmal schonungslos einräumen: "Das war ein total schlechtes Spiel von uns, eigentlich müssen wir es verlieren."

Darum fand Nadiem Amiri zunächst die richtigen Worte, als er mahnte: "Wir müssen aufhören, nach oben zu schauen." Und dann die falschen, als er über seine Auswechslung in der 61. Minute sprach: "Mir wurde die Chance genommen, das Spiel zu entscheiden." Den 22-Jährigen zeichnet ein besonderer Ehrgeiz aus, sein Frust, als frühzeitig Feierabend war, ist nachvollziehbar. Weniger allerdings, dass er noch über eine Stunde nach Spielschluss in die Mikrofone diktierte, er sei "einer der wenigen gewesen, der in der Mitte alles probiert hat, viele Ballkontakte hatte, viele Zweikämpfe gewann, kaum einen Ball verlor". Amiri weiter: "Natürlich muss ich die Entscheidung des Trainers akzeptieren und weiter Gas geben."

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Der Mittelfeldmann lag mit seiner Einschätzung nicht ganz daneben, aber zur Wahrheit gehört eben auch, dass es Amiris erster Bundesligaeinsatz von Beginn an war, nachdem er beinahe die komplette Vorrunde verletzt verpasst hatte. Spät am Abend stellte Amiri über die sozialen Netzwerke klar: Man müsse nicht drumrum reden, er sei nach seiner Auswechslung ziemlich sauer gewesen: "Aber zwischen mir und dem Trainer ist alles gut." Das Thema solle nicht so aufgeblasen werden. Dennoch: Die Offensive Eigenwerbung war bemerkenswert. Sie zeigt: Im Kraichgau ist fünf Monate vor dem Ende der Erfolgsära Nagelsmann eine gefährliche Gemengelage entstanden. Zwar betonen die Verantwortlichen immer wieder, man sei zuversichtlich, die zweite Halbserie erfolgreicher zu gestalten als die erste. Nach 25 Punkten aus 17 Spielen (1,47 im Schnitt) stehen aus den ersten drei Partien des Jahres aber nur vier Punkte zu Buche (1,33). Und drei der vier kommenden Gegner rangieren unter den ersten Fünf (Dortmund, Leipzig, Frankfurt). Gut möglich, dass bereits in diesen Partien eine Vorentscheidung im Kampf um die Europa-Plätze fällt.

"Für uns wird das auch ein interessanter Test, wo wir wirklich stehen", richtete Andrej Kramaric seinen Blick auf die nächsten Aufgaben, die für den Kroaten und Co. einer Charakterprüfung gleichkommen. Julian Nagelsmann habe "noch keine Sekunde daran gedacht, dass es ein Problem geben könnte, weil mein Abschied naht", sagte er vor vier Wochen. Je weiter die gemeinsamen Ziele entrücken und je näher der zwangsläufige Umbruch im Sommer kommt, desto schwieriger wird es aber naturgemäß fallen, persönliche Interessen hintenanzustellen. 14 Spiele bleiben Nagelsmann und seinen "Jungs" Zeit für einen guten Abschluss.

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