Julian Nagelsmann im RNZ-Interview

"Die Menschen im Verein vermisse ich am meisten"

Nagelsmann empfängt als Trainer von RB Leipzig am Samstag erstmals seinen Ex-Klub Hoffenheim.

03.12.2019 UPDATE: 04.12.2019 06:00 Uhr 4 Minuten, 53 Sekunden
Vorfreude auf Samstag: Julian Nagelsmann, seit Sommer ein „Roter Bulle“, vor dem Wiedersehen mit seinem Ex-Klub Hoffenheim. Foto: dpa

Von Nikolas Beck

Heidelberg. Es läuft rund für Julian Nagelsmann (32) und RB Leipzig: Vier Ligasiege in Serie, dazu gelang in der vergangenen Woche die vorzeitige Qualifikation fürs Champions-League-Achtelfinale. Als Tabellenzweiter empfängt RB am Samstag (15.30 Uhr) die TSG Hoffenheim. Im Vorfeld nahm sich Nagelsmann Zeit, im Gespräch mit der RNZ über seine Zeit im Kraichgau, einen lieb gewonnen Süßigkeitenschrank und "Hardliner" Alfred Schreuder zu sprechen.

Julian Nagelsmann, Ihre Mannschaft hat von Ihnen zwei freie Tage spendiert bekommen. Mit was haben Sie sich für eine erfolgreiche Woche belohnt?

Mit Nichts. Ich muss ja Interviews wie das hier geben (lacht), die Trainingswoche und den nächsten Gegner vorbereiten.

Der heißt am Samstag TSG Hoffenheim. Ein Spiel, das nach einer besonderen Vorbereitung verlangt?

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In der Vorbereitung ist es ein Spiel wie jedes andere. Aber es ist natürlich eine besondere Partie, weil ich neun Jahre im Verein war und mich freue, viele bekannte Gesichter wiederzusehen. Ich weiß natürlich ein bisschen mehr über die einzelnen Spieler Bescheid, diese aber auch über mich.

Was vermissen Sie in Bezug auf die TSG am meisten?

Die Menschen im Verein. Der Austausch ist noch da, aber per WhatsApp oder Telefon ist der Kontakt eben oberflächlicher. Außerdem fehlt mir hier in Leipzig der Süßigkeitenschrank von Christian Frommert (Mediendirektor der TSG, Anmerkung der Redaktion.). Da habe ich mir vor Pressekonferenzen das eine oder andere "Nimm zwei" gegönnt.

Wie intensiv haben Sie denn Ihren Ex-Klub in den vergangenen Wochen und Monaten verfolgt?

Ich habe schon viele Spiele gesehen. Die schwierige Anfangszeit war recht normal, bei den Abgängen, die sie hatten. Natürlich schaut man da genauer hin, was die alten Jungs so machen, wie sie sich entwickeln, was sie vielleicht anders machen.

Hat es Sie überrascht, wie viele Spieler mit Ihnen den Verein verlassen haben?

Ich hatte es im vergangenen Jahr immer mal versucht, durch die Blume zu sagen, dass einige Spieler im Kader waren, die mit einem Wechsel geliebäugelt haben. Da hat vielleicht auch mein Weggang einen Teil dazu beigetragen. Das war sicherlich auch ein Grund, warum wir am Ende die Kurve nicht mehr so gekriegt haben, wie wir sie hätten kriegen können. Weil einige Spieler schon gewusst haben, für den Trainer geht es hier nicht mehr weiter, für mich geht es hier nicht mehr weiter.

Mit welchen Folgen?

Dann hat die Überzeugung bis zur letzten Sekunde nicht mehr ganz gereicht. Als Hoffenheim musst du Spieler, die du für drei Millionen holst und für 34 Millionen verkaufen kannst, auch gehen lassen. Der Verein braucht diese Transfererlöse, um überleben und auch wieder investieren zu können. Dazu kommt das Gehaltsgefüge: Wir hätten einen Spieler wie Kerem Demirbay nur halten können mit einem Angebot, das extrem weit über dem der anderen gelegen hätte. Bei einer gewissen Ablöse musst du als Verein dann eben auch reagieren. Das war in den Jahren zuvor auch schon so, nur nicht in der Hülle und Fülle.

Sie hatten mit ihrem Nachfolger Alfred Schreuder zwei Jahre in Hoffenheim zusammengearbeitet. Welche Fähigkeit von ihm hätten Sie denn gerne?

Ich denke, wir sind uns in vielen Dingen sehr ähnlich, gerade auch was die Siegermentalität angeht. Aber vielleicht wäre ich ab und an gerne ein bisschen mehr ein ",Hardliner", das ist er nämlich.

In Bezug auf was?

Ich glaube, er spricht mit seinen Spielern deutlich härter als ich. Ich bin ja nicht im Training dabei, aber als Co-Trainer hat er zum Beispiel mal Niki Süle vor versammelter Mannschaft zusammengefaltet, dass es gekracht hat. Da ist er schon etwas anders als ich.

Wie nahe am Optimum ist RB nach vier Ligasiegen in Serie denn schon?

Im Gegensatz zu Hoffenheim haben wir aufgrund der Champions-League-Spiele keine Trainingszeit. Gefühlt vor zwei Monaten waren mal alle Spieler im Training. Weil wir 15, 16 Nationalspieler haben, die bei ihren Auswahlen Stammspieler sind, muss ich denen auch mal zwei Tage am Stück freigeben. Es gab Spiele wie gegen Mainz (8:0) oder im Pokal in Wolfsburg (6:1), in denen wir außergewöhnlich gut gespielt haben. Wir machen es insgesamt gut, sind aber in vielen Bereichen noch nicht am Ende der Entwicklung.

Was erwarten Sie von Hoffenheim? Wird es am Samstag eher ein offener Schlagabtausch oder eine Partie, die von der Taktik geprägt sein wird?

Für die Hoffenheimer Jungs wird das schon was Besonderes, die werden sich gegen ihren alten Trainer richtig reinhauen, das ist klar. Ich gehe davon aus, dass es kein extrem offener Schlagabtausch wird. Hoffenheim hat eine andere Idee mittlerweile. Sie sind grundsätzlich eher Richtung Konter ausgerichtet, stehen tiefer, verdichten die Räume und versuchen, mit viel Spielkontrolle nach vorne zu kommen.

Die Zuschauer sind mal wieder ein Thema bei "Hoffe". Das Stadion war zuletzt nicht voll, es wird früh gepfiffen, auch mal trotz einer 3:0-Halbzeitführung. Warum tut sich die TSG im Verhältnis mit den Fans schwerer als andere?

Gegen Leverkusen hatte ich das ja auch mal erlebt: Da haben wir 4:1 geführt in der 84. Minute – auf einmal war das Stadion leer und ich habe mich gefragt, wo die alle hin sind. Ich glaube, man muss sich ein bisschen damit abfinden. Ich kann nicht bewerten, woran das liegt. Es ist eben ein junger Klub in einer Region, der es sehr gut geht und in der viele Menschen andere Leidenschaften haben als den Fußball. Ich denke aber, es gibt viele junge Fans, die gerade mit dem Klub groß werden. Und irgendwann wird das Stadion auch häufiger voll sein. Das würde ich mir für den Verein und für die Mannschaft, die in den letzten Jahren immer attraktiven Fußball gespielt hat, jedenfalls wünschen.

Ist das in Leipzig ähnlich?

Nein, gar nicht. Die Leute sind sehr zufrieden und mit viel weniger glücklich als in Hoffenheim. Wir sind 0:2 hinten gegen Benfica – und das Stadion ist immer noch super laut, versucht uns anzufeuern und Gas zu geben. Begeisterung und Dankbarkeit sind in der Stadt deutlich zu spüren.

RB steht mit Platz zwei momentan sehr gut da, während die großen Titelfavoriten Bayern und Dortmund noch mit vielen Problemen kämpfen. Glauben Sie, dass diese spannende Konstellation bis zum Saisonende anhalten wird?

Es wäre schwachsinnig, zu sagen, Bayern und Dortmund sind raus aus dem Rennen. Die Münchener sind drei Punkte hinter uns, der BVB hat vier Zähler Rückstand – beide Klubs werden am Ende auf jeden Fall dabei sein, wenn es darum geht, den Titel auszuspielen. Wir wären das auch gerne und versuchen einfach, konstant selbst Leistung zu bringen.

Apropos Bayern: Ihr Ex-Spieler Niklas Süle hat bei einer Weihnachtsfeier gesagt, dass Sie seiner Meinung nach irgendwann Bayern-Trainer werden – und damit ein altes Thema wieder auf den Schirm gebracht.

Niki darf gerne alles sagen. Ich habe schon immer gesagt, dass ich irgendwann gerne einmal einen ganz großen Verein in Europa trainieren möchte. Was er bei Weihnachtsfeiern von sich gibt, kann ich nicht beeinflussen. Es freut mich aber sehr, dass er es gerne hätte, dass ich mal wieder sein Trainer bin.

Wünschen Sie sich manchmal, dass der Personenkult um Sie nachlässt?

Solange es positive Nachrichten sind oder negative, bei denen die Fakten stimmen, habe ich damit kein Problem. Das ist einfach so in diesem Beruf, wenn man erfolgreich ist und noch dazu jung. Damit muss man klarkommen. Teilweise ist es mir in Hoffenheim in beide Richtungen zu personalisiert gewesen. In Leipzig ist das jetzt tatsächlich nicht so krass der Fall.

Kann Ihr Sohnemann schon Sächsisch?

Im Kindergarten sprechen sie nicht allzu viel Sächsisch. Er hat eine englische Erzieherin und spricht mehr Englisch als Sächsisch. Er fühlt sich sehr wohl. Das ist das Wichtigste. Und: Er spricht noch immer viel Badisch.

Kann der Sohn dann also besser Englisch als der Papa, wenn dieser in die Premier League wechselt?

Das glaube ich nicht. Wenn er stringent weiterlernt vielleicht. Aber aktuell liege ich noch ein bisschen vorn.

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