Hoffenheims Trainer im RNZ-Interview

Nagelsmann äußert sich zu den Spekulationen um Bayern und den BVB

"Meine Unterschrift ist Statement genug" – Wie Hoffenheims Cheftrainer mit den Mechanismen des aufregenden Fußballgeschäfts umgeht

07.01.2018 UPDATE: 08.01.2018 06:00 Uhr 11 Minuten, 25 Sekunden

"Mir ist die Beziehung zu den Spielern sehr wichtig": "Hoffes" Trainer Julian Nagelsmann (l.), hier mit Mark Uth beim Feiern. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Zuzenhausen. Hoffenheims Cheftrainer Julian Nagelsmann (30) beantwortet im TSG-Trainingszentrum eine Halbzeit lang Fragen zu seiner Zukunft, seinem Führungsstil und den Zielen mit der Mannschaft. Nagelsmann möchte sich trotz der Mechanismen eines Geschäfts im Hochpulsbereich und insbesondere der jüngsten Aufregungen um einen denkbaren Wechsel zu den Bayern oder zum BVB nicht verbiegen lassen. "Ich will sein, wie ich gerne sein möchte", sagt Nagelsmann im RNZ-Interview, in dem er so manch kernige Aussage und Anekdote parat hält.

Bei der TSG-Jahreshauptversammlung: Nagelsmann und Manager Alexander Rosen. Foto: Im

Julian Nagelsmann, Sie waren in der Winterpause Skifahren. Sind Sie eher Risiko- oder Komfortfahrer?

Ich mache eher mehr Schwünge als weniger. Kein Schuss, weil es langweilig ist. Ich fahre gerne sauber, und wenn es geht, im Tiefschnee. Wir hatten einen super Tag mit dem Snowboard im Tiefschnee. Da muss man ein bisschen offensiv sein, sonst bleibt man stecken.

Wie offensiv werden wir denn Ihre Mannschaft in der Rückrunde erleben?

So wie gewohnt. Wir werden immer auf Sieg spielen und versuchen, Dinge zu kreieren. Das werden wir auch in der Rückrunde nicht ändern. Ich glaube, dass wir frischer sein werden als in den meisten bisherigen Spielen und die Vielzahl an Chancen, die wir in der Hinrunde hatten, besser nutzen und kaltschnäuziger werden.

Hintergrund

Julian Nagelsmann wurde am 23. Juli 1987 in Landsberg am Lech geboren. Er machte seine Fachhochschulreife und brach ein BWL-Studium ab. Seit 2010 ist "Jule" Trainer bei der TSG Hoffenheim. 2014 feierte Nagelsmann 2014 mit der Hoffenheimer U 19 den deutschen Meistertitel. Am

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Julian Nagelsmann wurde am 23. Juli 1987 in Landsberg am Lech geboren. Er machte seine Fachhochschulreife und brach ein BWL-Studium ab. Seit 2010 ist "Jule" Trainer bei der TSG Hoffenheim. 2014 feierte Nagelsmann 2014 mit der Hoffenheimer U 19 den deutschen Meistertitel. Am 11. Februar 2016 übernahm der Oberbayer nach dem Rücktritt von Huub Stevens die TSG-Profis, schaffte sensationell noch den Klassenverbleib und katapultierte 2016/17 die Mannschaft auf Rang vier in der Bundesliga. Nagelsmann hat mit seiner Lebensgefährtin Verena den dreijährigen Sohn Maximilian. Der redegewandte Oberbayer spielte einst beim FC Augsburg und beim TSV 1860 München in der Jugend, musste aber bereits mit 20 Jahren seine Karriere wegen eines Knorpelschadens im Knie früh beenden. jog

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Und wie offensiv werden Sie als Trainertyp auftreten. Gibt es etwas, was Sie aus der letzten Halbrunde gelernt haben?

Es gab ja viele Dinge, die zu extremen Wallungen in der Medien- und Fußballwelt geführt haben. Wenn irgendwann der Tag x eintritt, an dem ich mich extrem verstellen muss, dann mache ich es nicht mehr. Ich habe da keine Lust drauf, zu sein wie andere es gerne hätten, sondern ich will sein wie ich gerne sein möchte. Auch wie ich erzogen worden bin, nämlich ehrlich zu sein und zu sagen was man denkt. Das habe ich im letzten halben Jahr häufiger gemacht und musste dafür den Preis bezahlen.

Ärgert Sie das?

Nein, ich weiß ja wie das Geschäft funktioniert. Ich weiß, dass Schlagzeilen gesammelt werden müssen. Und wenn man Schlagzeilen liefert, dann kommt man ganz gut weg in den Medien. Und wenn man keine mehr liefert, dann kommt man weniger gut weg. Aber das ist ganz normal. Ich finde es manchmal lustig oder skurril, dass man mit einfachen Aussagen, die jeder im Kopf hat, so vieles auslöst. Wenn ich an die damalige Aussage bezüglich des Vereins aus Süddeutschland denke, ich glaube, dass 99 Prozent der Trainer so denken - und wenn es dann einer ausspricht, ist es ein Riesenskandal. Ich sage das ja nicht, um Schlagzeilen zu produzieren, sondern weil ich so denke. Die anderen sagen es halt nicht oder verbreiten gar die Unwahrheit, weil sie sich verbiegen müssen und es womöglich Vorgaben gibt. Wenn ich das mal nicht mehr so machen kann, dann werde ich halt Skilehrer oder mache irgendetwas ganz anderes.

Sie bereuen also nichts?

Das Eurosport-Interview war dahingehend etwas unglücklich. Es war ein komischer Zeitpunkt, weil wir die Woche davor gegen Bayern gewonnen hatten und es viel Unruhe um Carlo Ancelotti gab. Das besagte Interview war schon drei, vier Monate vorher vereinbart worden. In Anbetracht der Situation in München hätte ich vielleicht die Aussage etwas defensiver treffen können. Es waren sieben, acht Nachfragen – und beim achten Mal bin ich offensiver geworden und hab mir gedacht: Jetzt leckt mich doch mal … Es war nicht der optimale Zeitpunkt, aber sonst gibt es nichts zu bereuen. Nochmal: Ich versuche mich nicht zu verstellen. Das werde ich auch in Zukunft so handhaben.

Hat Ihnen jemand geraten, etwas defensiver zu sein?

Ja, ja, viele – beruflich wie privat.

Und hat Sie der Erfolg in den letzten zwei Jahren als Trainer verändert?

Schon in meiner U16- oder U19-Zeit bin ich die Dinge von meiner Art her genauso angegangen. Ich bereite mich auf Medientermine oder Pressekonferenzen nicht groß vor, sondern ich hoffe, dass ich es ganz gut im Blut habe. Wenn man so ist wie man ist, muss man sich auch nicht vorbereiten. Der Erfolg hat mich nicht verändert, ich bin im Umgang mit allen hier im Unternehmen der gleiche geblieben. Jetzt hat jeder Mitarbeiter ein Geschenk zu Weihnachten von mir bekommen – wie vor zwei Jahren auch schon. Es ist nicht so, dass ich abgehoben bin. Ich habe schon den Anspruch, dass ich noch derselbe Typ bin. Natürlich bin ich etwas vorsichtiger in der Öffentlichkeit geworden, weil ich nicht will, dass meine Familie die ganze Zeit auf irgendwelchen Privathandys erscheint.

Was gab es als Geschenk für die TSG-Mitarbeiter?

Jedes Büro hat eine Flasche Wein bekommen und ein Buch mit dem Titel "Das Prinzip Gewinnen". Manche haben noch etwas Geld bekommen, je nachdem, wie eng sie an der Mannschaft dran sind.

Um auf die öffentliche Wahrnehmung zu kommen: Ist es Ihnen manchmal zu viel Nagelsmann und zu wenig Hoffenheimer Mannschaft?

Absolut. Einerseits ist diese Personifizierung eine Riesenchance für mich gewesen, ich glaube, das gibt es bei keinem anderen Bundesligisten so extrem wie hier. Anfangs war ich ein zartes Pflänzchen, das nur wachsen kann, wenn es einen guten Dünger oder Nährboden gibt. Der Verein hat ja auch viel geleistet, sprich da war wirklich ein gutes Fundament vorhanden, das Umfeld war gut und ruhig, um sich zu entwickeln. In der Zeitung steht ja, "Nagelsmann gewinnt gegen Bayern" oder "Nagelsmann verliert gegen Gladbach" – diese Einflussfaktoren von außen und extremen Personifizierungen bergen schon auch Risiken. Im Falle des Misserfolgs ist es gut für die Spieler, weil sie in Ruhe arbeiten können und alles auf mich einprasselt. Im Falle des Erfolgs ist es manchmal etwas ungerecht, weil die Spieler schließlich den größeren Anteil daran haben, was passiert oder nicht passiert, was gelingt oder was nicht gelingt. Ich würde mir wünschen, dass die Mannschaft besser wegkommt und mehr Aufmerksamkeit erhält als immer nur der Trainer. Ich weiß, was die Spieler für mich geleistet haben, seit wir hier zusammenarbeiten. Ich gehe offen damit um, warum mein Name und nicht der von Kevin Vogt oder Benni Hübner usw. in den Medien zu lesen ist. Ich rede da mit der Mannschaft und sage ihnen meine Meinung dazu. Ich kann nicht alleine gewinnen und ich verliere nicht alleine.

Wird durch die Fokussierung auf Sie sowie die Schlagzeilen mit Bayern und Dortmund das Binnenverhältnis zu den Spielern beeinflusst?

Ich habe das ganze Drumherum ganz häufig thematisiert und kommuniziert. Die Spieler wissen ja selbst, dass es bei ihnen auch nicht anders ist. Wenn ein Spieler bei uns gute Leistungen bringt, wird er auch sofort mit anderen Vereinen in Verbindung gebracht. Im Fußball ist das relativ normal. Ich arbeite sehr gerne mit den Spielern zusammen und sie hoffentlich auch mit mir. Nur weil irgendetwas mal in der Zeitung steht, dann wäre das schon sehr merkwürdig, wenn dadurch gleich eine Beziehung zu einem Spieler kaputt ginge. Wenn Vereine Trainer suchen, kursieren Namen. Das ist auf dem Spielermarkt genauso, und ändert sich dahingehend, dass es inzwischen mit dem Trainermarkt einhergeht. Das war vor zwei, drei Jahren noch nicht so üblich. Es werden auch im Trainerbereich mehr Gerüchte gestreut. Die Spieler wissen, dass ich ehrgeizig bin und es zeigt ihnen auch, dass ich etwas gemeinsam mit ihnen erreichen möchte. Wenn irgendwo mein Name gehandelt wird, dann ist es auch eine Auszeichnung für die Mannschaft.

Sie haben Ihren Vertrag bis 2021 verlängert, auch mit der Begründung, damit die Jungs mehr Planungssicherheit haben. Gilt das für die nächste Saison?

Ich habe die Planungssicherheit, ich habe ja letztes Jahr meinen Vertrag verlängert.

Sind Spieler auf Sie zugekommen: "Hey, Trainer, wie schaut es nächstes Jahr mit Dir aus?"

Nein. Die Frage stellt sich nicht, weil ich einen Vertrag bis 2021 habe. Aktuell stellt sich die Frage nur den Medien, aber nicht mir. Über die Ausstiegsklausel, die ich für 2019 habe, hat ja Dietmar Hopp gesprochen. Natürlich ist es so, dass untereinander mal ein Spruch fällt und man herumflachst.

Wäre es nicht einfacher oder ein Signal, wenn Sie sagen würden: Da kann kommen wer will, ich bin auf jeden Fall bis 2019 in Hoffenheim?

Es gibt im Leben keine Garantien, außer für den Tod. Und in der Fußball-Branche noch weniger als in der Formel 1 oder sonstwo. Die Garantie kann mir ja auch Dietmar Hopp nicht geben, sonst könnte er mir das ganze Geld ja bis 2021 auf den Tisch legen und dann wär’s gut. Die Garantie gibt’s nicht – von keiner Seite. Wenn ich einen Vertrag bis 2021 unterzeichnet habe, dann ist es Statement genug, dann muss ich mich nicht jede Woche hinstellen und wieder erzählen und wieder erzählen. Ich habe ihn unterschrieben. Wenn sich irgendetwas daran ändert, und wir nicht erfolgreich sind oder übermäßig performen und beim FC Barcelona der Ernesto Valverde nicht mehr will, dann gebe ich deswegen trotzdem keine Garantie. Es gibt im Fußball keine Garantie für nichts. Für jede Aussage, egal in welche Richtung ich sie treffe, werde ich hinterher als Idiot dargestellt. Alles andere lasse ich so stehen – meine Unterschrift ist Statement genug.

Es sprechen allerdings auch andere für Sie, zum Beispiel Dietmar Hopp oder jüngst Geschäftsführer Hansi Flick.

Ich habe den Vertrag ohne Alkoholeinfluss und Drogenkonsum unterschrieben, dann muss man den auch erfüllen. Und wenn sie möchten, dass ich ihn erfülle, dann erfülle ich den. Es ist ihr gutes Recht, dass sie sich dazu äußern. Die Ausstiegsklausel für 2019 ist mittlerweile überall bekannt, das heißt, es gibt auch keine Garantie, dass ich 2019 weg bin.

Welche Ziele haben Sie mit "Hoffe" in dieser Runde und auch darüber hinaus?

In dieser Runde erst einmal das subjektive Gefühl wegkriegen, dass es nicht so erfolgreich war. Die Tabelle ist einfach extrem eng, sowohl nach unten wie auch nach oben. Mannschaften wie Leverkusen oder Schalke sind wieder da. Die jüngste Etattabelle hat gezeigt: Schalke ist hinter Bayern und dem BVB Dritter, vor Leverkusen, Gladbach und Leipzig, soll heißen, all die genannten Teams müssen da auch hin. Es ist extrem schwer für uns, oben reinzukommen, noch dazu mit unserem Etat. Aber wir versuchen es, erfolgreich zu bleiben und vielleicht noch erfolgreicher zu sein als wir es gerade sind, rein mal vom Tabellenstand her. Grundsätzlich geht es darum, dass wir die vielen guten Chancen effizienter nutzen und uns somit das Leben leichter machen. Es wäre schön, wenn wir ergebnistechnisch zulegen, also mal früher 1:0, 2:0 führen und die Spiele abgezockter nach Hause bringen. Das muss besser werden, da müssen wir ein bisschen reifer sein, stabiler werden in der Verwertung dieser Aktionen. Wir belohnen uns zu wenig für den Aufwand, den wir betreiben.

Inwieweit kann man Chancenverwertung trainieren, inwieweit ist dies eine Qualitätsfrage?

Es ist schwer, diese Druck- oder Wettkampfbedingungen im Training herzustellen. Das Spiel im letzten Drittel ist im Fußball diejenige Komponente, die am meisten mit Qualität zu tun hat. Natürlich haben auch wir Prinzipien, Muster, Räume, die wir besetzen wollen, und Laufwege, doch das Spiel im letzten Drittel hat viel mit Kreativität zu tun, und Kreativität wiederum am Ende viel mit Qualität zu tun. Andrej Kramaric ist hier ein Paradebeispiel, er hat einfach kein gutes halbes Jahr gehabt, doch er ist mit unser Topspieler. Wenn Andrej seine Leistung nicht so bringt, das ging schon mit dem Heimspiel gegen Liverpool los, dann ist es für uns nicht aufzufangen. Der Weggang von Sandro Wagner tut uns weh, er kann aber Andrej dabei helfen, wieder eine zentralere Rolle einzunehmen. Es kann ihm gut tun, aus dem Schatten herauszukommen und wieder zu alter Stärke zurückzufinden.

Kevin Vogt sprach davon, dass es sein Anspruch sei, sich wieder für einen internationalen Wettbewerb zu qualifizieren. Herrscht da Deckungsgleichheit zwischen Kapitän und Trainer?

Es ist ja immer so im Sport: Wenn man irgendwo eine Messlatte hingesetzt hat, dann ist die auch der Gradmesser. Dass wir es probieren, steht außer Frage. Es ist immer besser, wenn der Spieler den Anspruch formuliert als der Trainer, weil der Spieler noch mehr dafür tun kann. Ich hoffe, dass alle so denken. Wenn du einmal im Hochsprung 1,76 Meter gesprungen bist, dann willst du beim nächsten Mal nicht 1,46 Meter springen. Aber es ist schwer in der Bundesliga, weil die Geldverteilung extrem unterschiedlich ist. Ein Hochspringer hat immer den gleichen Boden und kann sich auch den gleichen Schuh wie die Konkurrenten leisten.

Vorausgesetzt das Team packt das Ziel Europa am Saisonende erneut, was müsste sich im zweiten Anlauf ändern?

Da ist es ähnlich wie in der Bundesliga. Wenn wir in der Europa League jede zweite Chance genutzt hätten, kommen wir als Gruppenerster weiter. Oft sind im Fußball ein paar kleine Nuancen entscheidend, siehe der vergebene Elfmeter gegen Liverpool. Wenn wir direkt in die Europa League gekommen wären und nicht über die Champions-League-Qualifikation, dann hätten wir eine bessere Rolle gespielt. Es ist immer eine Enttäuschung, wenn du an einem großen Wettbewerb schnupperst und es nicht ganz schaffst. Es ist nicht so, dass es bei allen nach der Auslosung Hurraschreie gab. Braga, Rasgrad oder Istanbul hatten wahrscheinlich das gleiche Gefühl, als Hoffenheim gezogen wurde. Die hätten auch lieber gegen Mailand oder Lyon gespielt, andersherum ist es genauso. Wir sind kein größerer Klub als die drei, aber sich damit abzufinden, war nicht ganz einfach. Ein Spieler von Ludogorets würde lieber hier in Deutschland leben und in der Bundesliga spielen, deswegen rennen die alle um ihr Leben. Wir hatten in der Hochphase elf verletzte Spieler, und wenn du als Hoffenheim die nicht dabei hast, dann bist du eben nicht mehr so stark. Es war zudem ein Prozess für die Spieler, fast alle waren es nicht gewohnt, alle drei Tage zu spielen.

Wie sind Sie bislang mit der Zuschauerresonanz und der Stimmung in der Sinsheimer Arena zufrieden?

Ich finde es überwiegend gut. Das Spiel gegen den VfB ist mir noch in Erinnerung, da war es schon sehr emotional. Die Zuschauerresonanz ist ein Bereich wie der ganze Klub, der wachsen muss. Wir haben total viele junge Fans, weil wir ein junger Verein sind – auch eine Fankultur muss wie bei anderen Vereinen wachsen. Die Diskussion um Tradition finde ich ziemlich lustig, weil schließlich jeder mal irgendwann angefangen hat. Die Stimmung war immer ansprechend, wir haben einen guten Zuschauerschnitt, wenngleich es hier keine Region ist, die nur für den Fußball lebt. Man hat aber schon gemerkt, dass sich die Menschen über die erste internationale Teilnahme gefreut haben, auch wenn es nicht so lief, wie es sich viele vorgestellt haben.

Wir hatten es vorhin über die Fixierung auf den Trainer. Wer von Ihren Profis kommt in der Bewertung zu schlecht weg?

Gute Frage. Benni Hübner kriegt häufig eine zu schlechte Bewertung – gemessen an der Bedeutung, die er für die Mannschaft hat. Ähnlich verhält es sich bei Oliver Baumann. Wie wir hinten raus spielen mit dem Keeper, das kann man an einer Hand abzählen, wer das in der Bundesliga noch so von der Art und Weise macht. Oli hat in knapp zwei Jahren vielleicht zwei Fehler gemacht, die zu Toren geführt haben. Er ist total stabil, spielt wieder eine gute Runde und wird öffentlich unter den Tisch gekehrt.

Wer wird der nächste Hoffenheimer Nationalspieler sein?

Wir haben ein paar Kandidaten, die es verdient hätten, mal eingeladen zu werden. Aber die Qualität in der Nationalmannschaft ist eben enorm hoch, es ist schwer, da reinzukommen. Kerem Demirbay war dabei, hat aber große Konkurrenz. Kevin Vogt hat bei uns eine Position inne, die die Nationalmannschaft ganz selten spielt. Jogi Löw wird keinen gelernten Sechser als Innenverteidiger mit zur WM nehmen. In diesem Jahr werden wir wohl nicht mehr so extrem viele Nationalspieler herausbringen.

Von welchen Spielern muss in der Rückrunde mehr kommen?

Andrej hatte ich bereits erwähnt. Bei Steven Zuber erhoffe ich mir, dass er sich wieder stabilisiert. Von Flo Grillitsch wünsche ich mir das Niveau, das er in Köln gezeigt hat. Ansonsten hatte er in der Vorrunde noch zu viele Schwankungen in seinem Spiel. Adam Szalai soll nach seiner langen Verletzungspause wieder in die Spur finden, weil er mit seiner Körperlichkeit vorne wichtig für uns ist. Bei Serge Gnabry erwarte ich mehr Spielzeit. Wir sind auf ihn angewiesen, wenn wir ein Leihgeschäft mit ihm machen - in diesem Volumen und in dieser Qualität -, dann machen wir es nicht, dass er hier die Reha besucht, sondern dass er spielt. Nadiem Amiri war ebenfalls schwankend, und Kerem Demirbay wirkte phasenweise überspielt. Er war körperlich am Limit. Bei Havard Nordtveit hoffe ich, dass ihm der Weihnachtsurlaub gut getan hat. Er weiß selbst, dass dies nicht sein und unser Anspruch war in der Hinrunde. Insgesamt brauchen wir mehr Konstanz und bei allen Profis ein gewisses Grundniveau.

Apropos Konstanz: Kann man heutzutage als Trainer überhaupt noch zehn Jahre lang in einem Verein tätig sein?

Die berühmtesten Beispiele sind ja Alex Ferguson oder Arsène Wenger. Bei denen waren oder sind es Drei-Jahres-Zyklen, nach denen sie immer die Mannschaft gewechselt haben, das darf man nicht vergessen. Ferguson hatte fünf, sechs Stammspieler und sich irgendwann auch aus der aktiven Rolle in die reine Beobachterposition zurückgezogen. Da nutzt sich das nicht ab. Nicht umsonst hat Pep Guardiola einen Drei-Jahres-Rhythmus, weil er weiß, dass irgendwann die Wirkung seiner Ansprachen und damit die Originalität verloren gehen.

Wie haben Sie es in den knapp zwei Jahren geschafft, dass die Beziehung zur Mannschaft frisch bleibt?

Durch verschiedene Trainingsinhalte. Ich glaube, wir machen sehr anspruchsvolles Training. Außerdem ist mir die Beziehung zu den Spielern sehr wichtig, ich will nicht nur über Fußball quatschen. Ich habe auch andere Hobbies als nur das Stadion. Ich bin ein ganz normaler Typ, der mit den Spielern spricht. Es ist schon der Schlüssel in der Beziehung, dass man Nähe zulässt ohne gleichzeitig Angst haben zu müssen, an Autorität zu verlieren. Man muss auch mal Blödsinn machen.

Wie erklären Sie eigentlich Ihrem dreijährigen Sohn, was Sie beruflich tun?

(Lacht) Der weiß schon, was ich mache. Er denkt allerdings, ich spiele selber Fußball. Wenn er das Stadion sieht, dann sagt er: ‚Das ist Papas Büro!‘ Er kennt die Logos aller Bundesliga-Vereine. Er war einmal im Stadion, am Spielfeldrand hat er mich gefragt: "Papa, wie geht’s?" Ich habe geantwortet: "Ach, ich bin kaputt." Dann hat er gesagt: "Wieso das denn? Du hast doch gar nicht gespielt." Und: "Warum brüllst du immer so herum? Ich darf nie schreien und du schreist so."

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