1899 Hoffenheim

Tränen, Trauer und Tristesse nach der Niederlage gegen die Eintracht

Hoffenheims 1:2-Niederlage gegen Frankfurt rückte in den Hintergrund, weil um das Leben eines Fans gebangt werden musste

19.01.2020 UPDATE: 20.01.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 33 Sekunden
Als Kostas Stafylidis zum zwischenzeitlichen Ausgleich traf und in Gedanken bei seiner verstorbenen Großmutter war, kam nur kurz noch einmal Hoffnung auf. Fotos: APF

Von Nikolas Beck

Sinsheim. Sebastian Rudy schnappte sich den Ball und drosch ihn in im hohen Bogen in den Abendhimmel. Als der finale Pfiff ertönt war, entlud sich der Frust des Nationalspielers. Es war der Schlusspunkt eines besonders tristen Nachmittags ins Sinsheim, an dem die TSG Hoffenheim beim 1:2 (0:1) gegen Eintracht Frankfurt zum wiederholten Male einen Rückrundenauftakt gehörig verpatzte – und der Fußball für die Fans im Block dennoch nicht an erster Stelle stand. Wegen eines medizinischen Notfalls, ein Zuschauer habe zu Beginn des Spiels reanimiert werden müssen, erklärte TSG-Pressesprecher Holger Kliem, verzichtete die Südkurve auf Gesang und Feldgeschrei, spendete lediglich hier und da mal Szenenapplaus.

"Die Spieler haben das schon mitbekommen", sagte Alfred Schreuder. Hoffenheims Trainer hatte im Vorfeld noch gehofft, diesmal die eigenen Fans im Rücken zu haben, könne der entscheidende Unterschied im Vergleich zur 0:1-Niederlage am ersten Spieltag in der Mainmetropole sein. Einen Zusammenhang zwischen der unklaren Situation abseits des Feldes und dem uninspirierten Auftritt seiner Mannschaft vor der Pause wollte Schreuder dennoch nicht herstellen. "Wir waren sehr schwach im Ballbesitz, nicht mutig genug", haderte der Niederländer mit der ersten Hälfte, sprach von fehlendem Tempo, vertikalen und diagonalen Bällen und Halbräumen.

Florian Grillitsch fasste das Geschehen ungefilterter zusammen: "Wir haben eine scheiß erste Halbzeit gespielt – das war heute entscheidend." Man habe die nötige "Bereitschaft und Körpersprache" vermissen lassen, räumte der österreichische Mittelfeldspieler ein. "In der Halbzeit haben wir das klar angesprochen: So geht es einfach nicht."

Der Norweger Havard Nordtveit, der in der Zentrale in Spiel eins nach Kevin Vogt neben dem neuen Kapitän Benjamin Hübner verteidigen durfte, war vom blutleeren Beginn nicht überrascht. "Nach der Bundesliga-Pause", sagte der Routinier, "braucht es immer ein bisschen Zeit, bis bei jedem wieder Tempo reinkommt." Alleine: Den Gästen aus Frankfurt gelang dies wesentlich schneller.

Als Stürmer Bas Dost die siebte Hoffenheimer Niederlage beim zwölften Rückrundenauftakt (ein Sieg, vier Remis) auf den Weg brachte, sahen beide TSG-Verteidiger nicht gut aus. Der Mann mit der Binde verlor auf Höhe der Mittellinie unnötig den Ball, während Nordtveit Dost im Strafraum aus den Augen verlor (18. Minute). Nur Gacinovics fehlender Mut zum Torschuss und die Latte bei Kostics Kracher (27.) verhinderten einen höheren Rückstand zur Pause, in der über die Mikrofone auch den anderen der 29.610 Zuschauer mitgeteilt wurde, warum die treueste TSG-Fans diesmal schwiegen – und in der Trainer Schreuder reagieren musste.

Hintergrund

So spielten sie:

Pentke: Ruhig, unaufgeregt, beim Debüt aber ohne Chance, sich auszuzeichnen.

Posch: Rechts hinten in der Viererkette aufgeboten. Fühlt sich zentral wohler.

Nordtveit: Beim 0:1 Dost aus den Augen verloren. Im Sprintduell meist zweiter

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So spielten sie:

Pentke: Ruhig, unaufgeregt, beim Debüt aber ohne Chance, sich auszuzeichnen.

Posch: Rechts hinten in der Viererkette aufgeboten. Fühlt sich zentral wohler.

Nordtveit: Beim 0:1 Dost aus den Augen verloren. Im Sprintduell meist zweiter Sieger.

Hübner: Schimpfte mit Mitspielern und Schiedsrichter wie ein Rohrspatz. Ballverlust vor dem 0:1 und beinahe mit dem Eigentor des Jahres.

Stafylidis: Von den Emotionen übermannt nach seinem Tor zum 1:1, aber auch mit viel Schatten in seinem Spiel.

Rudy: Einer der Besseren.

Grillitsch: Klartext in der Mixed Zone. Zuvor unauffällig.

Geiger: Unauffälliger.

Bebou: Am unauffälligsten. Ganz schwach und zur Pause raus.

Baumgartner: Bemüht, aber ohne die zündende Idee.

Kramaric: Eine schöne Direktabnahme. Aber sonst?

Dabbur: Kein Haaland-Debüt, aber mit guten Ansätzen.

Adamyan: Kam für Geiger. Pech, dass sein gefühlvoller Heber auf der Linie geklärt wurde.

Locadia: Spät für Posch im Spiel. nb

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Für den enttäuschenden Ihlas Bebou verhalf der TSG-Coach Rekordneuzugang Munas Dabbur zu seinem Bundesligadebüt. Einen sehr bemühten "Auftritt" habe der TSG-Coach vom Israeli gesehen und er sei sich sicher, dass der 27-Jährige gerade im Zusammenspiel mit Andrej Kramaric künftig für Furore sorgen werde.

Den einzigen Treffer der TSG, die nach dem Seitenwechsel zwar deutlich besser ins Spiel fand, aber wieder einmal zu wenig Durchschlagskraft im gegnerischen Strafraum hatte, bejubelte jedoch weder der Zwölf-Millionen-Mann noch der Vizeweltmeister – sondern Kostas Stafylidis (48.), der in der Hinrunde praktisch gar nicht zum Zug gekommen war. Nach seinem sehenswerten Distanzschuss deutete er in den Himmel, sank auf die Knie, vergrub sein Gesicht in den Händen und hatte auch in den anschließenden Minuten sichtlich mit den Emotionen zu kämpfen. Er habe vor wenigen Tagen seine Großmutter verloren, verriet der 26-Jährige hinterher der RNZ. Freuen konnte sich der Grieche über seinen ersten Treffer für die TSG aber vor allem deswegen nicht, weil ausgerechnet während der stärksten Phase der Hausherren Timothy Chandler das Kopfball-Duell gegen ihn gewann und zum Endstand traf (62.) "Wenn wir keine drei Punkte holen, dann könnte ich mich auch über zehn Tore von mir nicht freuen", sagte Stafylidis, dem in der Mixed Zone abermals die Tränen in die Augen schossen.

Ein Tag zum Heulen war’s, wenngleich die TSG nach Spielende vorsichtig Entwarnung geben konnte. Dank der schnellen Hilfe der Fans und des Roten Kreuzes habe der Patient stabilisiert werden können, sagte Holger Kliem im Vorfeld der Pressekonferenz. Und Eintracht-Trainer Adi Hütter brachte es auf den Punkt: "Wenn ich das höre, dann sieht man einfach, was wichtig ist im Leben."

Diesmal nur bedingt der Fußball.

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