1899 Hoffenheim

Hundertmal die Königsklassen-Hymne

3:1 gegen Dortmund: Heute vor zwei Jahren feierte Hoffenheim die Qualifikation für die Champions League wie eine Meisterschaft

11.05.2020 UPDATE: 12.05.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 21 Sekunden
Am 12. Mai 2018 kannte „Hoffe“ kein Erbarmen: Nicht mit Trainer Julian Nagelsmann und Pressesprecher Holger Kliem, die von Kevin Vogt (links), Nadiem Amiri (18) und Co. mit Bier geduscht wurden. Foto: APF

Von Nikolas Beck

Sinsheim. Nur für einen kurzen Moment verschwand das Dauergrinsen, das Mike Diehl während der Fahrt Richtung Sinsheimer Arena im Gesicht hatte. "Ich habe gemerkt, dass ich überhaupt keine Wechselklamotten mitgenommen hatte", erinnert sich der Stadionsprecher der TSG Hoffenheim. Ein schwerwiegender Fehler.

Denn dass es heute vor zwei Jahren, am 12. Mai 2018, nach dem Saisonfinale gegen Borussia Dortmund die eine oder andere Bierdusche geben würde, daran hatte der 56-Jährige, in Hoffenheim längst Kultfigur, keinerlei Zweifel. "Ich hatte das Abschlusstraining gesehen, wie gelöst die Jungs waren, und war mir eigentlich sicher, dass wir gewinnen", so Diehl: "Zumal wir gegen Dortmund immer gut ausgesehen haben."

Mike Diehl. Foto: APF

Mit seiner Zuversicht vor dem Endspiel um die Königsklasse – "Hoffe" empfing als Vierter den BVB (3.) und hintendran lauerte Leverkusen – war Diehl nicht alleine. Den Tag vom Aufstehen bis zur "späten Nachtruhe", wie Alexander Rosen lachend einräumt, könne er zwar nicht mehr komplett rekonstruieren. Aber er wisse sehr wohl noch wie die Grundstimmung in den Tagen zuvor und am Spieltag selbst gewesen sei, berichtet der TSG-Manager: "In uns allen herrschte die tiefe und absolute Überzeugung, dass wir Historisches schaffen können und werden."

Mit dieser Überzeugung gingen der an diesem Tag überragende Andrej Kramaric und Co. von Beginn an zu Werke. Zwar konnte der BVB den Führungstreffer des Kroaten (26. Minute) durch Marco Reus ausgleichen (58.). Aber Adam Szalai (63.) und Pavel Kaderabek (73.) schossen den Dorfklub in Europas Elite-Liga – und die meisten der 30.150 Fans in der ausverkauften Arena in den siebten Himmel. "Pavel macht das 3:1 und das ganze Stadion explodiert", erinnert sich Mike Diehl: "Und nach dem Abpfiff sind dann alle Dämme gebrochen."

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Wie in Trance habe er die Momente der Glückseligkeit damals durchlebt. Beim Sprint auf den Rasen war Keeper Oliver Baumann die erste Anlaufstelle. "Er lag auf dem Boden, ich habe mich auf ihn gestürzt, dann haben wir uns ungläubig angeschaut und vor Freude geflennt", erzählt die "Stimme der TSG", die kurz danach aber wieder gefordert war: Auch die Fans hatten den Platz gestürmt. Diehl ließ die Jubeltraube ein paar Minuten gewähren, dann bat er freundlich darum, auf die Tribünen zurückzukehren. Erst dann konnte die Mannschaft wieder aus der Kabine kommen.

Während die einen draußen mit den Fans feierten, stürmte eine Gruppe um den damaligen Kapitän Kevin Vogt die Pressekonferenz. Medienchef Holger Kliem und Trainer Julian Nagelsmann bekamen den Gerstensaft übers Haupt und stimmgewaltig wurde "Euuuropapokaaaal" zum Besten gegeben: "Hoffe" feierte Rang drei wie eine Meisterschaft.

"Man muss immer mal wieder auf die Brust schauen, wie das Logo aussieht was da steht", versuchte Nagelsmann seine Gefühle in Worte zu fassen, "und dieser Klub ist Dritter in der Fußball-Bundesliga." Bei Mittelfeld-Mann Nadiem Amiri klang das so: "Boah! Welt!"

Zwei Jahre später wagt Manager Rosen eine Einordnung. In vielerlei Hinsicht sei die Champions-League-Qualifikation außergewöhnlich gewesen. Denn: "Die TSG ist kein Klub, den man durch seinen Lizenzspieleretat oder seinen Umsatz per se in die Top Sechs der Liga einordnen kann." Und doch gelang es zweimal hintereinander, unter die besten Vier zu kommen. Rosen: "Eine herausragende Leistung aller Beteiligten."

Gefühlt einhundertmal sei bei der anschließenden Party in der Print Media Academy, bei der im wahrsten Sinne des Wortes gefeiert wurde, bis der Arzt kam, die Champions-League-Hymne gespielt worden, erinnert sich Rosen.

Mike Diehl hatte das verpasst. Fix und alle sei er gewesen und direkt vom Stadion nach Hause gefahren: "Außerdem habe ich gestunken wie ein Schw...", lacht der Mann, den man nur mit Basecap kennt. Geschlafen habe er trotzdem zwei Tage lang nicht. Jetzt hofft er, die Hymne irgendwann mal wieder in der Arena zu hören. "Denn das ist das Schönste, was es gibt."

Und sollte sich Hoffenheim abermals für die Königsklasse qualifizieren, hätte Mike Diehl einen Kofferraum voller Wechselklamotten parat. 1899-prozentig.

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