1899 Hoffenheim

Darum stehen der TSG frostige Wochen bevor

Ein Nebenkriegsschauplatz, zwei Monate ohne Sieg und drei Hochkaräter noch vor Weihnachten. Ein Hoffenheimer Giftcocktail.

30.11.2020 UPDATE: 01.12.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 21 Sekunden
Die Rote Karte gegen Dennis Geiger (links) war der große Aufreger bei „Hoffes“ Remis in Mainz. Foto: APF

Von Nikolas Beck

Mainz. Eine der vielen Besonderheiten eines Fußball-Spiels während einer Pandemie wurde den wenigen Anwesenden sowie den vielen Zuschauern vor dem Fernseher am Sonntagabend mal wieder vor Augen geführt. Oder besser: vor Ohren. In den beinahe menschenleeren Arenen ist eben auch beinahe jedes Wort zu hören. Das kann spannend sein, etwa wenn plötzlich taktische Geheimnisse zwischen Trainer und Spieler zu vernehmen sind. Es kann aber auch aus einer Mücke einen Elefanten machen.

Die "Mücke" beim Hoffenheimer Gastspiel in Mainz war das taktische Foul von Dennis Geiger am Mainzer Karim Onisiwo. Einen "Gehfehler" habe Geiger dem schnellen Onisiwo in der 80 Minute verpasst, um einen FSV-Konter zu unterbinden. So jedenfalls nannten Hoffenheims Torhüter Oliver Baumann und Trainer Sebastian Hoeneß das absichtliche Foulspiel, das schlimmer aussah als es war. "Hoffes" Coach liegt wohl richtig mit seiner Einschätzung: "Wenn wir schlauer sind, machen wir das Foul oben an der Schulter, dann springen nicht so viele Spieler auf und möglicherweise gibt es einfach eine Gelbe Karte." So aber kochten die Emotionen hoch. Rudelbildung auf dem Rasen, Tumulte an der Seitenlinie. Zwiegespräche, deren Inhalte nicht zu überhören waren. "Hört doch mal auf, meinen Spieler zu beleidigen", brüllte Hoeneß Richtung Mainzer Bank. Auch der Rotsünder selbst konnte nur mit viel Mühe von den Betreuern aus dem verbalen Schusswechsel genommen und in die Kabine geschickt werden.

Da es in der Folge trotz rund 15-minütiger Hoffenheimer Unterzahl beim 1:1 blieb, fiel es hinterher immerhin leichter, am 1. Advent besinnlichere Töne anzustimmen. "Es waren ordentlich Emotionen drin. Dann gehört es sich trotzdem, am Ende sich die Hand zu geben", so Hoeneß.

Gut so. Denn so groß die Aufregung um den Platzverweis auch gewesen sein mag – für Hoffenheim darf sie nur ein Nebenkriegsschauplatz sein. Pünktlich zur frostigen Winterzeit ist die TSG in ihre schwerste Ergebniskrise seit knapp fünf Jahren geschlittert. Damals, Anfang Februar 2016, übernahm Julian Nagelsmann die stark abstiegsgefährdeten Kraichgauer und leitete einen Höhenflug ein, der bekanntermaßen zwischenzeitlich bis in die Champions League führte. Hoeneß stand nach zwei Auftakterfolgen Ende September mit seinem neuen Klub an der Tabellenspitze – und ist seither durch sieben Spiele ohne Sieg bis auf Rang zwölf abgerutscht. Ob es an der Zeit sei, in der Tabelle eher nach unten zu schauen, wurde Hoeneß in Mainz bereits gefragt. Grundsätzlich sei er überzeugt, dass sein Kader zu große Qualität besitze, um ernsthaft in Abstiegsgefahr zu geraten, entgegnete der 38-jährige Fußball-Lehrer.

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Zugegeben: Der Sinkflug hat Ursachen, die man bei 1899 nicht beeinflussen konnte. Dass das Corona-Virus ausgerechnet bei jenem Bundesligisten am heftigsten gewütet hat, der als einziger mit einem neuen Trainer in die Runde gegangen war, ist bitter. Im eng getakteten Kalender mit ohnehin überschaubaren Trainingseinheiten fiel es Hoeneß bislang besonders schwer, Inhalte zu vermitteln und Automatismen zu entwickeln. Fehlendes Spielglück kam hinzu. Unvermögen vor dem gegnerischen Tor und Ungeschicklichkeiten wie die von Robert Skov, der beim 1:3 gegen Union ebenfalls vom Platz flog, oder nun von Geiger taten ihr Übriges.

Hoeneß ist gut beraten, all diese Unwägbarkeiten in die Beurteilung miteinfließen zu lassen, ohne sie "als Alibi gelten zu lassen", wie er selbst sagte: "Es geht für uns jetzt einfach darum, einen Dreier einzufahren – alle anderen Gedanken helfen nicht." Gelingt dieser am kommenden Montag im Heimspiel gegen Augsburg nicht, könnte der Spielplan mit den Hochkarätern Leverkusen, Leipzig und Gladbach noch vor Weihnachten die Zutaten für einen gefährlichen Hoffenheimer Giftcocktail liefern.

Zunächst reisen Hoeneß und Co. aber am Donnerstag nach Belgrad: Europa League, Gruppenphase, vergleichsweise unbedeutend. Noch so eine Besonderheit des Fußballs in Zeiten der Pandemie.

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