Nanette Waidmann (links) und Hauke Heumann in einer Szene. Foto: Annemone Taake
Von Arndt Krödel
"Nichts ist gut in Afghanistan." 2010 löste dieser mutige Satz Margot Käßmanns, der damaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, in Teilen der Öffentlichkeit harsche Kritik aus. Was die Aussage vielleicht auch bewirkte, war, Dinge zu hinterfragen, um aus gewohnten Mustern herauszukommen. Eben das versucht eine gemeinsame Produktion der "costa compagnie" aus Hamburg und des Heidelberger Theaters, die unter dem Titel "Conversion_2. Nach Afghanistan" ihre Uraufführung im Marguerre-Saal erlebte. Die Tanz-Performance ist das zweite Produkt der Kooperation beider Ensembles, die bereits 2014 das Stück "Conversion_1" herausbrachten, das sich mit dem Abzug der US-Soldaten aus Heidelberg befasste.
Noch bevor der internationale Militäreinsatz in Afghanistan im Dezember 2014 - nach genau 13 Jahren - endete, reisten drei Künstler der costa compagnie an den Hindukusch. Sie machten Interviews mit Einheimischen, aber auch mit Soldaten und fragten nach deren Erfahrungen und Gefühlen in Vergangenheit und Gegenwart. Eine Gegenwart, die sich darauf besinnen muss, dass ihre Koordinaten sich verändern und niemand weiß, wie die Sache ausgeht. Mit der Absicht, neue Formen des dokumentarischen und choreografischen Arbeitens zu erschließen, entstand aus dem mitgebrachten Material eine Tanz-Performance als subjektiv wahrgenommene Momentaufnahme Afghanistans.
Eine Dokumentation im engeren Sinne will und kann das Stück, für dessen Text und künstlerische Leitung Felix Meyer-Christian verantwortlich zeichnet, daher nicht sein. Die sich als "interdisziplinär" verstehende Performance arbeitet mit den Mitteln des zeitgenössischer Tanzes (Choreographie: Jascha Viehstädt), der Videoprojektion auf verschiedene Flächen und bietet einen teilweise stark überhöhten Sound aus Geräuschen des Alltags und militärischer Aktivitäten sowie Musik. Auch der Alte Saal und das Foyer werden mit Installationen und dem Auftritt des Kinderchors einbezogen, der "Im Frühtau zu Berge" intoniert.
Auf der Bühne nehmen Schauspieler die Rollen der interviewten Menschen ein, präsentieren sich als Boten aus einer anderen Welt, die sich als vielgestaltig und gegensätzlich, häufig als diffus darstellt. Kritiker(innen) des herkömmlichen Frauenbilds in Afghanistan kommen ebenso zu Wort wie Befürworter der Taliban und der Scharia, Soldaten der Isaf-Truppen ebenso wie Zivilisten. In leidenschaftlichen Tanzsequenzen ahnt man traumatische Erlebnisse, wenn die Akteure in verzweifelten Bewegungen wie gegen eine unsichtbare Wand zu laufen scheinen.
Etwas erschlagen entlässt einen diese Inszenierung, bei der im dichten Knäuel der atemlos einander abwechselnden Szenen und Fragmente die Orientierung bisweilen verloren geht. Dennoch: Überdeutlich und eindrucksvoll artikuliert sich am Ende die sorgenvolle Frage: Afghanistan, quo vadis? Es gelingen packende Bilder und eindringliche Momente, vor allem im Tanz, für die dem Hamburg-Heidelberger Ensemble Lob gebührt. Das Publikum zeigte sich mit langem, herzlichem Beifall sehr angetan.