"Next Level" auf WM-Kurs: "Das Tolle an Hip-Hop ist das Freisein"

Die zwölf jungen Tänzerinnen und Tänzer der Hip-Hop-Formation treten in die großen Fußstapfen der früheren Weltmeister "ConneXion" aus Buchen

08.04.2015 UPDATE: 09.04.2015 06:00 Uhr 3 Minuten, 44 Sekunden

Die Buchener Hip-Hop-Formation "Next Level" glänzt mit ihren einzigartigen Choreografien. Nach den Erfolgen in Deutschland heißt es nun: Die Weltmeisterschaft in San Diego kommt. Foto: Alisa Götzinger

Von Alisa Götzinger

Das Licht geht aus. Langsam wird es gedimmt, bis schließlich nur noch die großen Scheinwerfer auf die Bühne strahlen. Genau in diesem Moment setzt die Musik ein. Der dumpfe Bass angesagter Chartmusik dröhnt aus den Boxen - laut und mitreißend für jeden in der Halle. Die Show beginnt.

Die zwölf jungen Tänzerinnen und Tänzer fangen an, sich zu bewegen, erst langsam, dann immer schneller tanzen sie ihre neue Hip-Hop-Choreografie. Jeder Schritt sitzt perfekt, die Bewegungen sind bis ins kleinste Detail aufeinander abgestimmt, ein Handstand mit auseinandergewinkelten Beinen wird genauso locker ausgeführt wie eine geschmeidige Brücke. Beeindruckend sieht es aus und gleichzeitig so, als hätten die Jungen und Mädchen noch nie etwas anderes in ihrem Leben getan, als pausenlos zu tanzen. Als die Musik schließlich nach drei langen Minuten verhallt, beleuchten die Scheinwerfer ein letztes Mal die Hip-Hop-Formation aus Buchen. Die erhitzten Gesichter der Jugendlichen strahlen - sie haben ihr Bestes gegeben. Für einige Sekunden ist es still in der voll besetzten Halle.

Dann tobt der Applaus. Am Ende steht fest: Die Tänzerinnen und Tänzer der Gruppe "Next Level" haben es geschafft: Sie sind die diesjährigen Süddeutschen Meister und haben den Titel nach Hause geholt. Nach Hause, das ist in diesem Fall das eigentlich sonst so beschauliche Buchen im Neckar-Odenwald-Kreis. In der Hip-Hop-Szene ist die fast 19 000 Einwohner zählende Stadt längst in einer Liga mit den großen Metropolen wie Berlin, New York oder Las Vegas. Buchen ist eine Hip-Hop-Hochburg oder ein "Hotspot". Hier trainieren und wohnen nicht nur die mehrmaligen deutschen Meister, sondern auch der ehemalige Weltmeister: die Formation "ConneXion". Im Jahr 2013 konnte diese Gruppe mit ihrer spektakulären und weltweit einzigartigen Show den Weltmeistertitel nach Buchen bringen.

Die Hip-Hopper von "Next Level" sind zwischen elf und 14 Jahre jung. Sie haben aussichtsreiche Chancen, an diesen Erfolg ihrer großen Vorbilder anzuknüpfen. Den Grundstein dafür haben sie gelegt. Seit 2013 gibt es die Formation nun schon und seither haben sie nur wenige Titel in ihrer Altersklasse ausgelassen. Nach dem zweiten Platz bei den Süddeutschen Meisterschaften im Jahr 2014 folgte nur kurze Zeit später ihr bislang größter Erfolg - der Titel des Deutschen Meisters 2014 der United Dance Organisation (UDO). Im Juni werden sie versuchen, diesen Titel zu verteidigen. In der Streetdance-Organisation "Hip-Hop International" mit Sitz in Los Angeles haben sie in diesem Jahr wieder einen Erfolg erringen können: Am Ostermontag wurden sie in diesem Verband Deutscher Vizemeister im Streetdance. Damit qualifizierten sie sich für die Weltmeisterschaft in San Diego.

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Dass hinter vielen Erfolgen harte Arbeit steckt, das wissen Erika Ivanov und Michelle Gruslak nur zu genau. Die beiden 13-Jährigen tanzen schließlich schon seit sechs beziehungsweise fünf Jahren Streetdance und sind Mitglieder von "Next Level". Dreimal die Woche wird für je zwei Stunden mit der Gruppe trainiert - eigene Übungsstunden daheim nicht mit inbegriffen. Und wer jetzt denkt "zwei oder drei Schritte hintereinander üben, das bekomme ich auch noch hin", der irrt gewaltig: "Es ist schon ganz schön anstrengend, in so einem Tempo zu tanzen", verrät Michelle Gruslak, und Erik Ivanov ergänzt: "Oft üben wir stundenlang, bis ein Schritt perfekt passt; sich dann alles in der Kombination zu merken, das fällt vielen schwer." Kein Wunder, denn die Choreografien von Trainer Kevin Sauer sind wahre Meisterwerke, und der Teufel steckt oft in den Details, und von denen gibt es im Hip-Hop reichlich. So ist eine Probezeit von bis zu drei Monaten für eine einzige Choreografie keine Seltenheit.

Doch dahinter steckt natürlich noch viel mehr Arbeit, wie Kevin Sauer erzählt, denn von der Musik bis zur letzten Bewegung ist alles sozusagen Maßarbeit: "Die Musik mixe ich eigentlich immer selbst zusammen, so ist man viel freier. Denn gerade die verschiedenen Rhythmen und Texte in einem Lied schränken einen doch ein." Und das ist sehr zeitintensiv. Über 70 Stunden hat er allein an der Musik für die letzte Show gebastelt. Dass Kevin Sauer ein "alter Hase" im Hip-Hop-Geschäft ist, kommt ihm dabei zugute. Er ist auch Trainer und Tänzer bei Buchens bislang erfolgreichster Gruppe "ConneXion". Dass die "ConneXion"-Tänzer in einer kleinen Schulturnhalle zeitgleich mit dem Nachwuchs trainieren, ihm helfen, das ist für Kevin Sauer normal: "Im Hip-Hop zählt der Mensch. Man ist frei von Vorurteilen. Welche Hautfarbe, Nationalität oder Religion jemand hat, ist uns egal. Was zählt, sind der Ehrgeiz und der Einsatz für die Sache. Daher fühle ich mich gut aufgehoben in dieser Kultur."

Von so viel Erfahrung können die Jugendlichen von "Next Level" nur profitieren. Und neben coolen Bewegungen und lässigen Schritten lernen sie ganz nebenbei auch noch etwas fürs Leben: "Das Tanzen gibt den Mädchen und Jungen Ziele, die man auch auf andere Lebensbereiche übertragen kann. Sie lernen hier neben Teamwork und Pünktlichkeit die einfache Grundformel: Erfolge stellen sich ein, wenn man hart arbeitet", erklärt Projektleiter Volker Schwender, der das "Integrationsprojekt Hip-Hop-Breakdance" (IPHB) betreut.

"Das Tolle an Hip-Hop ist das Freisein. Man kann sich den Kopf frei tanzen, was einen gerade bewegt, kann man zum Ausdruck bringen", beschreibt Erika Ivanov. Da kann Kevin Sauer nur zustimmen: "Kreativer Ausdruck und Spaß an der Sache, das sind für mich die wesentlichen Zutaten einer guten Show."

Doch auch mit jeder Menge Spaß und einer perfekt einstudierten Choreografie, die Nervosität vor einem großen Auftritt, sie bleibt. Lampenfieber kommt schließlich auch bei den großen Stars vor. Hat die Musik aber erst begonnen, ist alles vergessen: "Wenn wir tanzen, dann denke ich nicht mehr nach, ich tanze einfach los", sagt Erika Ivanov, und Michelle Gruslak ergänzt: "Oft hilft es einfach, sich auf einen Punkt zu konzentrieren und alles andere auszublenden."

Ob Spaß oder Ehrgeiz, Ziele oder Träume, Perfektion oder Variation, spektakuläre Bewegungen oder strenge Vorgaben, Freiheit oder Synchronität, Teamwork oder Einzelarbeit, Hip-Hop hat viele Facetten und kann so unterschiedlich sein wie die Nationalitäten und Charaktere derer, die tanzen. Doch einem stimmen alle zu: "Hip-Hop, das ist ein Großteil unseres Lebens."

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