Von Antje Urban
Das Impfen von Kleinkindern gegen Polio-Viren ist hierzulande selbstverständlich und eine große Gefahr scheint von der sogenannten Kinderlähmung bei uns nicht mehr auszugehen. Dabei erkrankten noch 1985 weltweit mehr als 350.000 Kinder in 125 Ländern an der hochansteckenden Infektionskrankheit. Dank einer globalen Kampagne zur Ausrottung des Virus traten im letzten Jahr nur noch 19 Fälle in Afghanistan und Pakistan auf. Ein Erfolg, den sich die Rotarier weltweit für das hundertste Jubiläumsjahr ihrer Stiftung, der "Rotary Foundation", auf die eigene Fahne geschrieben haben. Zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation, Unicef und der US-Gesundheitsbehörde kämpfen sie seit über 30 Jahren gegen das Virus.
Allein die Rotary Foundation engagierte sich für diesen Kampf mit bis dato mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar, wovon fast 129 Millionen Euro aus Deutschland gespendet wurden. Zudem gelang es den Rotariern, weitere 6 Milliarden US-Dollar von staatlichen Institutionen zu sichern. So ist es bei dem fast erreichten Ziel nicht verwunderlich, dass die Rotary Clubs, die im Allgemeinen wenig Eigen-PR betreiben und selten in der Öffentlichkeit agieren, von Ihrem Präsidenten John F. Germ dieses Jahr doch eine neue Maxime mit auf den Weg bekommen: "Es ist ungeheuer wichtig für uns als Organisation, dass unsere Rolle bei der Ausrottung der Kinderlähmung anerkannt wird. Je mehr wir dafür bekannt sind, was wir geleistet haben, desto leichter wird es uns auch in der Zukunft fallen, Partner, Gelder und - am allerwichtigsten - Mitglieder zu mobilisieren", heißt es in einem Brief an die Mitglieder im Rotary Magazin 2016. Denn Nachwuchs kann schließlich jeder Verein gebrauchen.
Der von Paul Harris 1905 in Chicago gegründete Rotary Club diente in den ersten Jahren dazu, Freundschaften zu schließen und sich gegenseitig Geschäfte zu vermitteln. Zwei Jahre später wurde vom damaligen Präsidenten Arch Klumph die Stiftung ins Leben gerufen - seither hat sich auch der Club, der sich heute "Rotary International" nennt, gewandelt. Das Etikett einer elitären Gemeinschaft, die sich einzig mit sich selbst beschäftigt, ist schon lange obsolet. Heute heißt es: "Service above Self" - also selbstlos dienen statt nur "Allianz der Reichen". "Rotary ist kein gesellschaftlicher Club, wo man sich rein aus Spaß trifft", sagt auch Stephan Heck, der sich im Club Heidelberg Schloss engagiert. "Gemeinsam teilen die Rotarier mit der Stiftung die Vision einer besseren Welt. Der Mensch in Not steht dabei immer im Vordergrund."
In Heidelberg gibt es mittlerweile vier Rotary Clubs mit jeweils 70 bis 100 Mitgliedern. Die Ausgründungen ergeben sich durch die jährlich ein bis drei neuen Mitglieder, denn eine Grundregel der Rotarier lautet, dass aus jeder Berufssparte nur jeweils ein Vertreter Mitglied sein kann. Damit soll eine berufliche Vielfalt sichergestellt werden. Die Zielrichtung aller Clubs auf der ganzen Welt sei gleich, so Heck. Die Statuten beinhalten Völkerverständigung, Frieden, "Good Will" und die Linderung von Armut. Weltweit haben sich unter dem Dach von Rotary International mit Sitz in Evanston/Illinois (USA) mittlerweile rund 35.221 Clubs in mehr als 200 Ländern und Regionen zusammengeschlossen, denen über 1,2 Millionen Männer und Frauen angehören.
Erst 1911 schwappte die Idee nach Europa mit ersten Clubs in Dublin und London. In Deutschland mussten während des NS-Regimes die Clubs ihre Arbeit beenden und erst 1949 gründeten sich die ersten Vereinigungen wieder. Heute gibt es hier 1048 Clubs mit mehr als 54 Tausend Mitgliedern. Und Deutschland gehört mit seinem monatlichen Mitgliedsbeitrag von 80 Euro an die Stiftung zu den Top 10 der Spendernationen, noch mehr zahlen monatlich jedoch Koreaner und Japaner. In Deutschland erfolge dafür, so Heck, mehr persönlicher Einsatz: "Es zählt nicht allein der Wille, sich sozial zu engagieren, das Ehrenamt ist auch zeitaufwendig." Denn die einzelnen Clubs verfolgen nicht nur den globalen Viruskampf, sondern auch eigene Projekte vor Ort oder humanitäre Projekte im Ausland. So seien allein in Deutschland rund 24 Millionen Euro in fast 500 Projekte im letzten Jahr geflossen. Alle geförderten Projekte würden aktiv begleitet und vorab auf ihre Nachhaltigkeit geprüft.
Bei Rotary bedeutet Nachhaltigkeit auch, dass sich Projekte auf Dauer selbst tragen können. "Wir lassen das Geld nicht versickern. Viele Rotarier fahren regelmäßig in die Einsatzorte", sagt Heck. So unterstützt der Rotary Club Heidelberg Schloss seit mehreren Jahren Kinderheime und engagiert sich unter anderem auch in Nepal. Der Club Heidelberg Alte Brücke hingegen hat sich der Flüchtlingshilfe und -integration verschrieben. Und der Club Heidelberg Neckar fördert lokale Jugendprojekte, wie Jugendzentren oder Lernpatenschaften. Für Heidelberg arbeite man außerdem gerade zusammen mit der Stadt daran, etwas wirklich Bereicherndes für alle Heidelberger Kinder umzusetzen. Aber über Details möchte Heck ungern sprechen, das sei zu diesem Zeitpunkt noch verfrüht. Schließlich ginge es jetzt um das globale Ziel der Polio-Bekämpfung, über die berichtet werden soll.
Dem Traum einer polio-freien Welt sind die Rotarier mit all ihren Bemühungen schon sehr nahe. Doch mit der Impfung von bislang 2,3 Milliarden Kindern weltweit ist es noch nicht getan. Das Risiko, dass sich das Virus wieder verbreitet, ist noch immer vorhanden. Auch in Deutschland gebe es Lücken in der Durchimpfungsrate, sagt Michel Zaffran, Direktor in Sachen Polio-Bekämpfung bei der Weltgesundheitsorganisation. Dadurch seien auch Kinder in Deutschland gefährdet. Viele Eltern lassen ihre Kinder nicht mehr impfen. Dabei sieht das Robert-Koch-Institut, die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention, eine Impfung als noch immer notwendig. Denn auch in Deutschland könnten Fälle von eingeschleppter Polio durch Migranten und internationalen Reiseverkehr auftreten, heißt es auf der Webseite des Instituts. Die Zirkulation des Poliovirus könne nur verhindert und die Ausrottung erreicht werden, wenn der Schutz der weltweiten Bevölkerung über 95 Prozent läge, was noch nicht der Fall ist. Aufgrund dessen hat die Rotary Stiftung ihr Programm PolioPlus vorerst bis 2019 verlängert. Unterstützen kann die Kampagne jeder: Erstmalig in Deutschland hat Rotary eine individuelle Wohlfahrts-Briefmarke kreiert. Sie ist unter www.poliobriefmarke.de in einer Mindestabnahmemenge von 100 Marken zu kaufen.